Normen
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs2
EisenbahnenteignungsG §4 Abs2
BStG 1971 §18 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs2
EisenbahnenteignungsG §4 Abs2
BStG 1971 §18 Abs2
Spruch:
I. Die Beschwerde der L und des M M wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerdeführerin M K ist durch den angefochtenen Bescheid insoweit in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden, als die Berufung gegen die im Spruchpunkt III des erstinstanzlichen Bescheides zuerkannte Pauschalvergütung zur Abgeltung von Aufwendungen der Enteigneten gemäß §7 Abs3 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, BGBl. Nr. 71, idF des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995, abgewiesen wurde.
Der angefochtene Bescheid wird in diesem Umfang aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
III. Im übrigen wird die Behandlung der Beschwerde der M K abgelehnt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 8. August 1995 wurde eine im Eigentum der M K stehende Grundfläche zum Zwecke der Herstellung eines Abschnittes der B 50 Burgenland Straße im Bereich der Marktgemeinde Kittsee enteignet. Gleichzeitig wurden der Enteigneten eine Entschädigung gemäß §18 und §20 Abs2 BStG 1971 sowie eine Pauschalvergütung zur Abgeltung von Aufwendungen für rechtsfreundliche Vertretung oder sachverständige Beratung im Verwaltungsverfahren gemäß §7 Abs3 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, BGBl. Nr. 71, idF des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995, zuerkannt. Die Anträge der Beschwerdeführerin auf Einlösung zusätzlicher Grundflächen wurden abgewiesen. Der mit der vorliegenden Beschwerde bekämpfte Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. September 1995 weist die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes ab.
L und M M sind nach Angaben der Beschwerde dinglich Berechtigte an der im Enteignungsverfahren verfangenen Liegenschaft. Sie genossen im Enteignungsverfahren keine Parteistellung.
Die Beschwerde, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird, rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung in sonstigen Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen generellen Norm.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Nur die Beschwerde der M K ist zulässig. Die an dem verfahrensgegenständlichen Grundstück dinglich berechtigten Zweitbeschwerdeführer L und M M sind zur Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG nicht legitimiert.
Die Zweitbeschwerdeführer behaupten, sie seien aufgrund eines ihnen eingeräumten und verbücherten Veräußerungs- und Belastungsverbotes dinglich Berechtigte an der Liegenschaft und wären im Enteignungsverfahren als Partei übergangen worden.
Beschwerdelegitimiert vor dem Verfassungsgerichtshof sind die Parteien des vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens. Im Enteignungsverfahren kommt Parteistellung gemäß §18 Abs2 BStG 1971 jedoch neben dem Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft nur jenen dinglich Berechtigten zu, deren Recht mit einem nicht der Enteignung unterworfenen Gegenstand verbunden ist (sowie dinglich und obligatorisch Berechtigten, sofern deren Recht für sich allein Gegenstand der Enteignung ist). Der Verfassungsgerichtshof hat gegen den inhaltlich gleichlautenden §4 Abs2 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 keine verfassungsrechtlichen Bedenken gehegt (vgl. VfSlg. 8620/1979 und 5271/1966). Angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, den Kreis der Parteien im Verwaltungsverfahren zu begrenzen (vgl. VfSlg. 7810/1976) und Nutzungs- wie Gebrauchsberechtigte betreffs der Entschädigung auf den Enteigneten zu verweisen (§§5, 34 EisenbEntG 1954 iVm 20 Abs5 BStG 1971, vgl. VfSlg. 9094/1981), vermag auch die vorliegende Beschwerde solche Bedenken gegen §18 Abs2 BStG 1971 nicht zu wecken.
Die Zweitbeschwerdeführer hatten somit keine Parteistellung im Enteignungsverfahren. Die Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG ist daher zurückzuweisen.
III. Die zulässige Beschwerde der
M K ist, soweit sie sich gegen die Abweisung der Berufung gegen die im erstinstanzlichen Bescheid zugesprochene Pauschalkostenvergütung gemäß §7 Abs3 EisenbEntG 1954 richtet, im Ergebnis begründet. Im übrigen wird ihre Behandlung abgelehnt.
1. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß anderer Beschwerdeverfahren mit Erkenntnis vom 17. Juni 1998, G372/97 ua., §7 Abs3 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, idF des ArtXVIII Z1 des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995, als verfassungswidrig aufgehoben.
Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren
(VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 17. Juni 1998 statt. Die vorliegende Beschwerde ist am 14. November 1995 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war. Die Beschwerdeführerin wurde somit in in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
Der Bescheid ist daher in diesem Umfang aufzuheben.
2. Insofern sich die Beschwerde in allen übrigen Punkten gegen die Abweisung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid richtet, wird ihre Behandlung aus folgenden Gründen einstimmig abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und es sich nicht um einen Fall handelt, der von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist (Art144 Abs2 B-VG).
Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu den gerügten Rechten (siehe Pkt. I.) läßt ihr Vorbringen unter Bedachtnahme auf die vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften Verwaltungsakten (einschließlich jener der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. November 1994, BGBl. Nr. 921/1994) insbesondere angesichts des Umstandes, daß das öffentliche Anhörungsverfahren schon im Jahre 1993 stattgefunden hat, die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Da die Angelegenheit auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, wird - insoweit der angefochtene Bescheid vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgehoben wird - von einer Behandlung der Beschwerde abgesehen.
IV. Dies kann insgesamt gemäß §19 Abs4 Z3 und §19 Abs3 Z1 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von 3.000 S enthalten.
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