Normen
B-VG Art18 Abs2
BausperreV der Gemeinde Tiefgraben vom 12.12.95
Oö RaumOG 1994 §16 Abs1
Oö RaumOG 1994 §21 Abs1
Oö BauO 1994 §45 Abs1
B-VG Art18 Abs2
BausperreV der Gemeinde Tiefgraben vom 12.12.95
Oö RaumOG 1994 §16 Abs1
Oö RaumOG 1994 §21 Abs1
Oö BauO 1994 §45 Abs1
Spruch:
Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Tiefgraben vom 12. Dezember 1995, Z 0312-1995/M, betreffend die Verhängung einer Bausperre für die Grundstücke Nr. 1177/1 und 1175/1, KG Hof, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 15. Dezember 1995 bis 2. Jänner 1996, war gesetzwidrig.
Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B2961/96 protokollierte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. August 1996, Z BauR-011728/2-1996 Hs/Die, anhängig. Mit diesem Bescheid wurde der Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Tiefgraben vom 15. April 1996, mit dem der Antrag auf Bewilligung von Bauplätzen bei gleichzeitiger Änderung der Grundstücksgrenzen für die neugebildeten Grundstücke Nr. 1177/1, 1175/5, 1175/6, 1175/7, 1175/8, 1175/9, 1175/10, 1175/11, alle KG Hof, abgewiesen wurde, keine Folge gegeben. Die abweisende Entscheidung wurde im wesentlichen auf die mit Verordnung vom 12. Dezember 1995, Z 0312-1995/M, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 15. Dezember 1995 bis 2. Jänner 1996, verhängte Bausperre für die Grundstücke Nr. 1177/1 und 1175/1, KG Hof, (im folgenden kurz: Bausperrenverordnung) gestützt. (Aus der Vermessungsurkunde vom 7. Juni 1995 ergibt sich, daß die neugebildeten Grundstücke, für die die Bauplatzbewilligung angestrebt wurde, Teile beider von der Bausperre betroffenen Grundstücke sind.)
2. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt. Weiters wird die Verletzung in Rechten wegen Anwendung der - ihrer Meinung nach - rechtswidrigen Bausperrenverordnung gerügt.
3. Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift im Beschwerdeverfahren die Gesetzmäßigkeit der Bausperrenverordnung verteidigt. Die Gemeinde Tiefgraben hat die Verordnungsakten vorgelegt.
4. Die Bausperrenverordnung lautet in den hier maßgeblichen Teilen:
"§1
Gemäß §45 Abs1 O.ö. Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66/94 in der geltenden Fassung, wird für die Grundstücke 1177/1 u. 1175/1 (Gesamtfläche ca. 1,5 ha), der Katastralgemeinde Hof, eine Bausperre verhängt.
...
§3
Im Gebiet der Bausperre sind folgende Änderungen des derzeit rechtswirksamen Flächenwidmungsplanes beabsichtigt:
Umwidmung der von der Bausperre erfaßten Fläche von dzt. Wohngebiet in Grünland gemäß §30 Abs1 O.ö. ROG. 1994.
...
§5
Die Bausperrverordnung wird zwei Wochen nach ihrer Kundmachung rechtswirksam.
...
§6
Die Bausperre tritt entsprechend dem Anlaß, aus dem sie verhängt wurde mit dem Rechtswirksamwerden des neuen Flächenwidmungsplanes, spätestens jedoch ab 3.8.1997 außer Kraft, wenn sie nicht verlängert wird.
..."
Im Protokoll der Gemeinderatssitzung der Gemeinde Tiefgraben vom 3. Juli 1995 ist das Vorbringen vor Antragstellung auf Beschlußfassung der Bausperrenverordnung (die in korrigierter Fassung am 12. Dezember 1995 neuerlich beschlossen wurde) wie folgt festgehalten:
"Der Bürgermeister gibt bekannt, daß die Grundstücke 1175/1 und 1177/1, KG. Hof im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als Bauland gewidmet sind.
Nunmehr äußerte der Besitzer (A. St.) ... die Absicht, diese Grundstücke im Ausmaß von etwas über 15.000 m2 zu parzellieren und zu veräußern. Seitens der Gemeinde wurde daher (A. St.) ... auf die üblichen Praktiken hingewiesen, wonach ein gewisser Teil für einheimische Kaufwerber zu einem erschwinglichen Preis verwendet werden sollte.
(A. St.) ... wurde ersucht, mit der Gemeinde eine
diesbezügliche Vereinbarung abzuschließen, was jedoch von diesem
abgelehnt wurde. Der Bauausschußobmann ... weist darauf hin, daß
sich der Bauausschuß mit der gegenständlichen Angelegenheit
eingehend befaßt hat und der Bauausschuß festgestellt hat, daß
(A. St.) ... über Makler den Grund mit einem Preis von über
ÖS 2.000,-- anbietet und insbesonders Salzburger Kaufwerber Interesse zeigen. Dadurch entsteht eine unnatürliche Überfremdung und wirkt sich ein überhöhter Zuzug auch negativ auf die Infrastruktureinrichtung, insbesonders der fehlenden Schulen, Kindergärten, etc. aus.
Der Bauausschuß hat sich daher für eine Rückwidmung und d(ie) Verhängung einer Bausperre ausgesprochen ... ."
In der Beratung über die Verhängung der Bausperre wurde ferner von einzelnen Gemeinderatsmitgliedern ins Treffen geführt, daß die gegenständlichen Grundstücke an zwei Seiten an Bauland angrenzten und die beabsichtigte Rückwidmung den Intentionen des örtlichen Entwicklungskonzeptes widerspreche. Schließlich wies ein Mitglied des Gemeinderates darauf hin, daß
"(v)on geschäftlicher Seite ... die Erzielung eines Grundpreises von über ÖS 2.000,-- sicherlich besser (wäre), allerdings müsse die Gemeinde auch die einheimischen Bauwerber vertreten und muß es daher einen Kompromiß geben. Durch die Einleitung des Rückwidmungsverfahrens ist noch nichts verhaut und sollten dadurch erst recht Gespräche mit (A. St.) ... in Gang kommen."
In einem dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Tiefgraben vom 2. Mai 1995 an die Beschwerdeführer heißt es schließlich:
"Der Gemeinde Tiefgraben wurde bekannt, daß Sie die Parzellierung der Gstk. 1175/1 und 1177/1, KG. Hof vornehmen und einen Teil der Bauplätze zum Preis von S 2.000,-- m2 (ohne Aufschließung) veräußern wollen.
Unter der vorgenannten Bedingungen ist es nach Ansicht des Planungsausschusses Ortsansässigen nicht möglich sich dort anzusiedeln, sodaß ihr Grundstück nicht zur Deckung des örtlichen Baulandbedarfes dienen wird und durch den Entzug solcher Flächen keine geordnete Bebauung bzw. eine Zersiedelung und hohe Kosten für die Infrastruktur entstehen. Dies wirkt sich daher störend für das Gemeinwohl aus.
Der Bauausschuß hat daher die Verhängung einer Bausperre zur Änderung des Flächenwidmungsplanes im gegenständlichen Bereich durch den Gemeinderat gefordert."
Weiters geht aus einem Schreiben der Gemeinde vom 25. Juli 1996 hervor, daß der
"Gemeinderat der Gemeinde Tiefgraben ... in der Sitzung vom
11.07.1996 mehrheitlich beschlossen (hat), daß eine Aufhebung der
Bausperre im Bereich der Liegenschaft (A. St.) ... für die
neugebildeten Grundstücke 1177/1 und 1175/5, KG. Hof (2 Parz. im nordwestlichen Bereich des Bausperrgebietes) grundsätzlich möglich erscheint, wenn mittels rechtsverbindlicher Verträge nachgewiesen wird, daß die vorgenannten Grundstücke zur Deckung des örtlichen Baulandbedarfes an Tiefgrabner Gemeindebürger übereignet werden."
5. Mit Schriftsatz vom 23. April 1998 wurde vom Gemeindeamt Tiefgraben die "Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Tiefgraben vom 08.07.1997 mit der die Bausperre vom 12.12.1995 für die Gstk. 1177/1 und 1175/1, KG. Hof abgeändert und verlängert wird", kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 15. Juli 1997 bis 30. Juli 1997 (im folgenden kurz: Verlängerungsverordnung), übermittelt. In der Verlängerungsverordnung wird festgestellt, daß die ursprünglichen Grundstücke Nr. 1177/1 und 1175/1, KG Hof, im Bereich der Bausperre entsprechend der beigelegten Mappendarstellung in die Grundstücke Nr. 1177/1, 1175/5-14, KG Hof, unterteilt sind. Gemäß Punkt I. der Verlängerungsverordnung wird die Bausperre vom 12. Dezember 1995 für diese Grundstücke, ausgenommen die beiden "für zwei einheimische Bauwerber vorgesehenen" (vgl. Verhandlungsschrift der Sitzung des Gemeinderates vom 8. Juli 1997) Grundstücke Nr. 1177/1 und 1175/5, KG Hof, um ein Jahr verlängert. Die Bausperre tritt entsprechend dem Anlaß, aus dem sie verhängt wurde, mit dem Rechtswirksamwerden des neuen Flächenwidmungsplanes, spätestens jedoch ab 3. August 1998, außer Kraft, wenn sie nicht verlängert wird.
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß der zu B2961/96 protokollierten Beschwerde am 2. Dezember 1996 gemäß Art139 Abs1 B-VG beschlossen, die Gesetzmäßigkeit der Bausperrenverordnung von Amts wegen zu prüfen.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ging vorläufig davon aus, daß die Beschwerde zulässig sei und daß er bei seiner Entscheidung darüber die Bausperrenverordnung anzuwenden habe.
2.2. In der Sache hegte der Verfassungsgerichtshof vor dem Hintergrund der oben unter I.4. geschilderten Sachlage das Bedenken, daß mit der Verhängung der Bausperre der Verkauf von Grundstücken an nicht am Ort Ansässige verhindert werden sollte und die Bausperrenverordnung - anders als dies §45 Abs1 O.ö. Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66/1994, (O.ö. BauO 1994) als Voraussetzung für die Verhängung einer Bausperre vorsehe - nicht dem Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung diene.
Weiters hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die Bausperrenverordnung gleichheitswidrig sei. Die Verhängung der Bausperre dürfte nach der vorläufigen Meinung des Verfassungsgerichtshofes nämlich jedenfalls im wesentlichen durch das Bestreben der Behörde motiviert gewesen sein, die Beschwerdeführer als Grundeigentümer an der Verwirklichung ihrer mit dem Flächenwidmungsplan übereinstimmenden Nutzungsabsicht zu hindern. Diese individuelle Benachteiligung dürfte einen Verstoß gegen das dem Gleichheitssatz innewohnende Willkürverbot bedeuten, das dem Verordnungsgeber verbiete, Regelungen zu erlassen, die den Normadressaten absichtlich aus unsachlichen, weil nicht im Gesetz begründeten Motiven diskriminieren.
3. Der Gemeinderat der Gemeinde Tiefgraben hat eine Äußerung erstattet und darin die Rechtmäßigkeit der Bausperrenverordnung verteidigt.
Gemäß §39 des O.ö. Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. Nr. 114/1993, (O.ö. ROG 1994) seien die bestehenden Widmungen auf ihre "Sinnhaftigkeit" zu überprüfen. Die Flächenbilanz für die Gemeinde Tiefgraben vom August 1992 habe in der Kategorie Wohngebiet eine Flächenreserve von rund 125.000 m2 und in der Kategorie Dorfgebiet eine Reserve von ca. 14.000 m2 ausgewiesen. Da die erwähnte Baulandreserve weit über den Bedarf der Gemeinde Tiefgraben hinausgehe, sei es zweckmäßig, Rückwidmungen von Wohngebiet in Grünland vorzunehmen. Hiebei soll nach den Grundsätzen des Entwicklungskonzeptes für das Gemeindegebiet von Tiefgraben vorgegangen werden, das jedoch erst in Ausarbeitung sei. Vom Bauausschuß sei grundsätzlich festgelegt worden, nicht nur das Wohngebiet entsprechend dem Bedarf für die Gemeinde Tiefgraben zu reduzieren, sondern auch die Anzahl der Siedlungsansatzpunkte (Ortschaften, Weiler), welche derzeit als Wohn- und Dorfgebiet ausgewiesen sind, zu vermindern. Da Tiefgraben keinen Gemeindehauptort aufweise und von der geschichtlichen Entwicklung her die Funktion des Hauptortes vom Markt Mondsee erfüllt werde, sollen mondseenahe Siedlungsschwerpunkte geschaffen werden und die Kleinstortschaften und Weiler in der "offenen" Landschaft reduziert werden. Ein Baulandüberhang, der über den Baulandbedarf der Gemeinde hinausgehe, würde den bereits bestehenden Zuzug noch verstärken. Dies werde von der Gemeinde Tiefgraben nicht angestrebt, weil daraus der Gemeinde schwere Bürden für die Schaffung der für ein Wohngebiet notwendigen, derzeit nicht vorhandenen Infrastruktur (Kindergarten, Schule, Kanal, Straße etc.) erwachsen würden.
Entgegen der Meinung des Verfassungsgerichtshofes sei die Bausperre ua. auch zur Erfüllung des eingangs erwähnten Gesetzesauftrages des §39 O.ö. ROG 1994 zwecks Erstellung eines örtlichen Entwicklungskonzeptes und Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes "im Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung" verhängt worden. Das Instrument der Bausperre müsse überdies auch - wie im gegenständlichen Fall - "zur Erhaltung des Grünlandes (Nichtbebauung eines Grundstückes)" eingesetzt werden können. Entgegen der Annahme des Verfassungsgerichtshofes sei die Bausperre nicht zum Zwecke der Befriedigung des "örtlichen Baulandbedarfes", sondern zwecks Reduzierung des vorhandenen Baulandüberhanges "zur Flächenwidmungsplanänderung von Wohngebiet in Grünland" verhängt worden.
Entgegen dem weiters vom Verfassungsgerichtshof geäußerten Bedenken, daß die die Beschwerdeführer diskriminierende Bausperrenverordnung vom unsachlichen Motiv getragen werde, die Beschwerdeführer an der Verwirklichung ihrer mit dem Flächenwidmungsplan übereinstimmenden Nutzungsabsicht zu hindern, sei alleiniges Motiv für die Verhängung der Bausperre die beabsichtigte Umwidmung des noch zur Gänze unbebauten Areals von 1,5 ha von Wohngebiet in Grünland gewesen. Durch die Bausperrenverordnung sei gewährleistet worden, daß vor der Erstellung des örtlichen Entwicklungskonzeptes irreparable Fehler hintangehalten werden, was im Interesse des Gemeinwesens liege.
4. Die Oberösterreichische Landesregierung hat als zur Vertretung der Verordnung berufene Behörde eine Äußerung erstattet und gleichfalls die Rechtmäßigkeit der Bausperrenverordnung verteidigt.
Wenngleich die Aktenlage, insbesondere die Amtsberichte bzw. Sitzungsprotokolle vordergründig auf ein (für sich gesehen) durchaus bedenkliches Motiv für die Verhängung der Bausperre durch den Gemeinderat hindeuteten, nämlich die Verhinderung des von der Gemeinde offenbar nicht gewünschten Zuzuges von fremden Kaufwerbern und der damit verbundenen Baulandpreisentwicklung, dürfe nicht übersehen werden, daß der Gemeinderat im Hinblick auf den vorhandenen Überhang von Baulandreserven und die damit im Zusammenhang stehenden Probleme der Infrastruktur auch durchaus legitime Absichten zur Verfolgung der im Raumordnungsgesetz vorgegebenen Raumordnungsziele anstrebe. Eine Flächenbilanz für die Gemeinde Tiefgraben vom August 1992 habe ergeben, daß bei der Kategorie "Wohngebiet" eine Reserve von ca. 125.000 m2 bestehe. Die Gemeinde Tiefgraben habe bereits im Laufe des Jahres 1995 mit der gemäß §39 Abs3 O.ö. ROG 1994 für die Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes und die Erstellung des örtlichen Entwicklungskonzeptes notwendigen Grundlagenforschung begonnen.
Das vom Verfassungsgerichtshof für die Verhängung der Bausperre vermutete Motiv, die Beschwerdeführer als Grundeigentümer an der Verwirklichung ihrer mit dem Flächenwidmungsplan übereinstimmenden Nutzungsabsicht zu hindern, könne, zumindest was die Verhinderung einer "sofortigen uneingeschränkten Nutzung anlangt", gewiß nicht bestritten werden, "doch scheint angesichts des Umstandes, daß eine Rückwidmung der betreffenden Grundstücke i(n) Grünland möglicherweise nur vorläufig angestrebt wird bzw. von der Gemeinde bewußt offen gelassen wird, eine Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes mit dem Ziel, daß die (künftige) Baulandwidmung bestimmter Flächen vom Abschluß einer Vereinbarung der Gemeinde mit dem Grundeigentümer über die zeitgerechte und widmungsgemäße Nutzung der Grundstücke im Sinne des §16 Abs1 Z. 1 O.ö. ROG 1994 abhängig gemacht wurde, als zulässig". Derartige Vereinbarungen der Gemeinde mit den Grundeigentümern über die zeitgerechte und widmungsgemäße Nutzung von Grundstücken wären durch die angeführte Gesetzesbestimmung gedeckt. Unter diesem Aspekt scheine die in Prüfung gezogene Bausperrenverordnung vor allem auch im Hinblick auf die bereits begonnene Erstellung eines örtlichen Entwicklungskonzeptes nicht von vornherein gleichheitswidrig, wenngleich im Verfahren zur Erlassung der Bausperrenverordnung von diesem Aspekt nicht unmittelbar die Rede gewesen sei. Gerade die Verpflichtung zu einer zeitgerechten Nutzung könne unter Umständen zu der von der Gemeinde gewünschten Deckung des "örtlichen Bedarfes an Baugrundstücken" führen, ohne daß ein Erwerb durch Ortsfremde verhindert würde. Die beabsichtigte Planänderung sei jedenfalls nicht von vornherein unzulässig, sodaß kein Extremfall im Sinne des Erkenntnisses VfSlg. 14271/1995 vorliege, der gegen die Rechtmäßigkeit der Bausperrenverordnung spräche.
Unter dem Blickwinkel einer im Zuge der gesamten Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes gebotenen Reduzierung zu großer Baulandreserven erscheine die in Prüfung gezogene Bausperrenverordnung auch nicht gleichheitswidrig.
III. Der Verfassungsgerichtshof
hat erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung über die zu B2961/96 anhängige - zulässige - Beschwerde die Bausperrenverordnung anzuwenden. Da sohin die Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Prüfung der Bausperrenverordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit gemäß Art139 Abs1 B-VG zulässig.
2. Gemäß §45 Abs1 O.ö. BauO 1994 kann der Gemeinderat
"durch Verordnung für ein bestimmtes Gebiet eine Bausperre verhängen, wenn ein Flächenwidmungsplan ... geändert werden soll und die Verhängung der Bausperre im Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung erforderlich ist. Der Gemeinderat hat anläßlich der Verhängung der Bausperre die beabsichtigte neue Planung, die Anlaß für die Verhängung der Bausperre ist, in ihren Grundzügen zu umschreiben."
Der Verfassungsgerichtshof teilt die Auffassung der Gemeinde Tiefgraben dahin, daß zur "Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung" im Sinne des §45 Abs1 O.ö. BauO 1994 auch die Freihaltung bestimmter Flächen von Bebauung und damit die Grünlandwidmung zählt. Das Verordnungsprüfungsverfahren einschließlich der im Zuge dieses Verfahrens abgehaltenen mündlichen Verhandlung hat jedoch gezeigt, daß die Planungsabsicht der Gemeinde Tiefgraben, anders als in der Bausperrenverordnung geregelt, nicht die Umwidmung der Grundstücke Nr. 1177/1 und 1175/1, KG Hof, von Bauland in Grünland war, sondern die Nutzung zumindest eines Teiles des auf den Grundstücken Nr. 1177/1 und 1175/5, KG Hof, ausgewiesenen Baulandes durch und im Interesse von Ortsansässige(n). Das wird nicht zuletzt bestätigt durch den im Sachverhalt (I., 5.) oben wiedergegebenen Umstand, daß bei der Verlängerung der Bausperre durch die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Tiefgraben vom 8. Juli 1997 mehrere Liegenschaften, die ursprünglich von der Bausperre erfaßt waren, deswegen ausgenommen wurden, weil diese Liegenschaften "für ... einheimische Bauwerber vorgesehen" waren (vgl. die Verhandlungsschrift der Sitzung des Gemeinderates vom 8. Juli 1997). Im übrigen hat die mündliche Verhandlung ergeben, daß in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der in Prüfung stehenden Bausperrenverordnung ursprünglich als Grünland gewidmete Grundstücke im Umfang von 18.400 m2 in der Gemeinde Tiefgraben mehrfach im Interesse der ortsansässigen Bevölkerung (und für diese) in Bauland umgewidmet wurden.
Daraus zeigt sich, daß, anders als von der Gemeinde Tiefgraben zur Verteidigung ihrer Bausperrenverordnung in ihrer Äußerung vorgetragen, weder der behauptete Baulandüberhang noch die fehlende infrastrukturelle Aufschließung (im Sinne des §21 Abs1 O.ö. ROG 1994) Gründe für die Erlassung der Bausperre mit der in §3 der Verordnung angeführten Planungsabsicht der Umwidmung der Grundstücke Nr. 1175/1 und 1777/1, KG Hof, in Grünland waren, sondern ausschließlich die Sicherung zumindest eines Teiles des ausgewiesenen Baulandes für eine Bebauung durch die ortsansässige Bevölkerung.
Zwar ist die Oberösterreichische Landesregierung im Recht, wenn sie darauf hinweist, daß nach §16 Abs1 Z1 O.ö. ROG 1994 die Gemeinde Baulandwidmungen auch von Vereinbarungen mit den Grundeigentümern (über die zeitgerechte und widmungsgemäße Nutzung von Grundstücken) abhängig machen kann. Weder läßt das Gesetz in diesem Zusammenhang aber eine Bevorzugung des "örtlichen Bedarf(es) an Baugrundstücken zu ortsüblichen Preisen" zu (- dieser örtliche Bedarf rechtfertigt vielmehr nach §16 Abs1 Z2 O.ö. ROG 1994 lediglich den privatrechtlichen Erwerb von Grundflächen durch die Gemeinde -), noch ist es rechtlich zulässig, den Abschluß einer Vereinbarung gemäß §16 Abs1 O.ö. ROG 1994 dadurch zu erzwingen, daß durch die Verhängung einer Bausperre die ausgewiesene Nutzung eines als Bauland gewidmeten Grundstückes bis zum Abschluß der Vereinbarung hintangehalten wird. Die Verwendung als Bauland bereits gewidmeter Grundflächen zur Deckung des örtlichen Bedarfs an Baugrundstücken darf schon deshalb nicht durch Erlassung einer Bausperre bewirkt und sichergestellt werden, weil eine Bausperre gemäß §45 Abs1 O.ö. BauO 1994 nur zur Verwirklichung neuer Planungsabsichten zulässig ist, die Befriedigung des örtlichen Bedarfs an Baugrundstücken aber jedenfalls nicht durch die Planungsabsicht der Umwidmung vorhandenen Baulandes in Grünland verwirklicht werden kann.
Die Bausperrenverordnung ist sohin bereits wegen Widerspruchs gegen §45 Abs1 O.ö. Bauordnung 1994 rechtswidrig, sodaß auf das weitere Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, das dieser im Prüfungsbeschluß unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes äußerte, hier nicht eingegangen werden muß.
3. Die Bausperrenverordnung ist am 3. August 1998 gemäß ihrem §6 außer Kraft getreten. Die Verlängerungsverordnung vom 8. Juli 1997 ist, nicht zuletzt mit Rücksicht darauf, daß ihr räumlicher Geltungsbereich ein anderer als der der ursprünglichen Bausperrenverordnung ist, als Neuerlassung einer Verordnung über die Bausperre anzusehen. Da somit die Bausperrenverordnung selbst seit Ablauf ihres zeitlichen Geltungsbereiches am 3. August 1998 nicht mehr in Kraft steht, hatte der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, daß die Bausperrenverordnung gesetzwidrig war.
Die Verpflichtung zur Kundmachung der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
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