Normen
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
Krankenordnung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter Punkt 33
ASVG §456
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
Krankenordnung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter Punkt 33
ASVG §456
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Mit Beschluß vom 11.6.1996, 10 ObS 2163/96b, stellt der Oberste Gerichtshof (im folgenden: OGH) als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen aus Anlaß einer Revision des Klägers gegen ein Urteil des Oberlandesgerichtes Graz beim Verfassungsgerichtshof den auf Art89 Abs2 B-VG gestützten Antrag, gemäß Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, daß Punkt 33 der Krankenordnung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, kundgemacht in den "Amtlichen Verlautbarungen - Soziale Sicherheit vom 15.2.1978", außer Kraft gesetzt durch die
20. Änderung der Krankenordnung (kundgemacht in der Sozialen Sicherheit 1996, Amtliche Verlautbarung Nr. 42/1996), gesetzwidrig war.
In seinem - aus Anlaß einer Revision der klagenden Partei des Ausgangsverfahrens gestellten - Antrag gibt der OGH die angefochtene Vorschrift idF der Amtlichen Verlautbarungen Nr. 13/1978 und Nr. 14/1978, Soziale Sicherheit 1978, wörtlich wieder und führt dazu (zusammengefaßt) aus, daß die im gerichtlichen Verfahren beklagte Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter einen Antrag des Klägers auf Ersatz der Kosten des Zahnersatzes im Ausmaß von S 21.000.- (pro Zahn S 1.400.-) mit der Begründung abgewiesen habe, daß die dem Kläger eingesetzte 15- teilige Brückenkonstruktion Anlaß zu statischen bzw. medizinischen Bedenken gebe. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage sei in zwei Gerichtsinstanzen erfolglos geblieben, weil nach deren Feststellungen die Brückenkonstruktion nicht dem von der herrschenden Lehre geforderten Standard entspreche und daher bedenklich und riskant sei. Ein Anspruch nach Punkt 33 der Krankenordnung bestehe daher nicht. Gegen diese Bestimmung hege der OGH das Bedenken, daß sie keinen nach §456 ASVG für die Krankenordnung zulässigen Gegenstand regle, wobei auf das zu einem ähnlich gelagerten Fall ergangene Erkenntnis
VfSlg. 13236/1992 (dieses Erkenntnis bezog sich auf den mit §456 ASVG gleichlautenden §214 BSVG) verwiesen werde.
2.1. Der angefochtene Punkt 33 der Krankenordnung der BVA, Amtliche Verlautbarung Nr. 13/1978 und Nr. 14/1978, Soziale Sicherheit (vom 15.2.) 1978, lautet wie folgt:
"33. (1) Die BVA gewährt für die Kosten von vertraglich nicht sichergestellten, individuell angefertigten Zahnkronen, Stiftzähnen und Brücken je Einheit einen Zuschuß bis zur Höhe des im Anhang zur Krankenordnung angeführten Betrages, wenn die Erhaltung eines Zahnes mit gesunder oder sanierter Wurzel bzw. die Wiederherstellung seiner Funktion durch andere konservierende Methoden nicht mehr möglich ist. Dieser Zuschuß wird bei neuerlicher Anfertigung von Zahnkronen, Stiftzähnen und Brücken frühestens nach Ablauf von vier Jahren geleistet.
(2) Weitere Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses ist die Beseitigung einer störenden Lücke durch den Stiftzahn; Zahnbrücken müssen einen für die Kaufunktion empfindlichen Zahnmangel beheben oder störende Lücken beseitigen. Bei entsprechender medizinischer Indikation schließt ein herausnehmbarer Zahnersatz im gleichen Kiefer die Gewährung des Zuschusses zu den Kosten einer Zahnbrücke nicht aus. Freiendbrücken im Seitenzahnbereich sowie Brücken, die zu statischen oder medizinischen Bedenken Anlaß geben, werden nicht vergütet."
2.2. Der "Anhang zur Krankenordnung" lautet idF der Amtlichen Verlautbarung Nr. 37/1988, Soziale Sicherheit 1988:
"Zu Punkt 23:
...
Zu Punkt 33. (1):
Für Zahnkronen, Stiftzähne und Brücken wird je Einheit ersetzt:
Ab 1.1.1975 bis ...................................S 1.200,-
..."
2.3. In der Sozialen Sicherheit 1996, Amtliche Verlautbarung Nr. 42/1996, wurde die 20. Änderung der Krankenordnung der BVA verlautbart, mit welcher dem Punkt 74 der Krankenordnung der folgende Punkt 75 angefügt wurde:
"Wirksamkeit
75. Auf Sachverhalte, die sich nach Ablauf des Tages der Kundmachung der 20. Änderung ereignen, sind folgende Bestimmungen dieser Krankenordnung nicht mehr anzuwenden:
Punkt 1 Abs2 bis 5; ...; Punkte 29 bis 33; ...; Punkte 72 bis 74 sowie der Anhang zur Krankenordnung."
2.4. §456 Abs1 ASVG idF BGBl. Nr. 20/1994, der nach §158 B-KUVG hinsichtlich der Krankenordnung der BVA gilt, hat folgenden Wortlaut:
"§456. (1) Die Träger der Krankenversicherung haben eine Krankenordnung aufzustellen, die insbesondere die Pflichten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfalle, das Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung und die Kontrolle der Kranken zu regeln hat.
§455 Abs1 ist anzuwenden."
3. Der Vorstand der BVA hat eine Äußerung erstattet, in der die angegriffene Vorschrift verteidigt wird und die Verordnungsakten vorgelegt.
Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat den Verordnungsakt vorgelegt, im Hinblick auf das Erkenntnis VfSlg. 13236/1992 jedoch von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.
4. Über den Antrag wurde erwogen:
4.1. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzes- oder Verordungsvorschrift sind - wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch auf Antrag eingeleitete Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren (siehe VfSlg. 8155/1977, 8461/1978 und 12464/1990) schon wiederholt darlegte - notwendig so zu ziehen, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß anderseits die mit der aufzuhebenden Norm untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen (mit) erfaßt werden.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß ein Normprüfungsverfahren der Herstellung einer - im Lichte der geltend gemachten Bedenken (vgl. VfSlg. 12410/1990) - einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlaßverfahren dient (vgl. zB VfSlg. 11506/1987 und 14691/1996). Ein Antrag iSd Art139 B-VG, der diese Grundsätze mißachtet, ist formell unzulässig.
4.2. Nach den oben wiedergegebenen Bestimmungen der Krankenordnung stand deren Punkt 33 in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit der dazugehörigen Tarifposition "zu Punkt 33. (1)" des Anhanges zur Krankenordnung, der seinerseits einen Teil der Krankenordnung bildet und ebenfalls mit Punkt 75 der Krankenordnung in der Fassung der 20. Änderung aufgehoben wurde. Während Punkt 33 der Krankenordnung die Voraussetzungen für die Gewährung des Kostenzuschusses regelt, bestimmt die Tarifposition den "für Zahnkronen, Stiftzähne und Brücken ... je Einheit" zu ersetzenden Geldbetrag. Würde der Verfassungsgerichtshof in Entsprechung des Antrages des OGH feststellen, daß Punkt 33 der Krankenordnung gesetzwidrig gewesen ist, so bliebe die normative Anordnung "Für Zahnkronen, Stiftzähne und Brücken wird je Einheit ersetzt" (einschließlich des dort genannten Betrages) davon nicht nur unberührt, sie erhielte sogar insofern einen weiteren Geltungsbereich, als die Gewährung des Ersatzes nunmehr nicht mehr davon abhängig wäre, daß der Zahnersatz lege artis und zweckmäßig (im Sinne des Punktes 33) hergestellt wurde; sie würde - aller Vorbehalte und Einschränkungen des Punktes 33 (gegen die der OGH im besonderen keine Bedenken vorbringt) entkleidet - einen von keinen weiteren Voraussetzungen abhängigen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Kostenersatzes einräumen.
Der Verfassungsgerichtshof hat schon wiederholt Normprüfungsanträge als zu eng gefaßt zurückgewiesen, wenn die angefochtenen Bestimmungen mit anderen in einem solchen Zusammenhang stehen, daß durch die beantragte Aufhebung der verbleibenden Bestimmung ein Sinn verliehen würde, der einem dem Normsetzer nicht zusinnbaren Normsetzungsakt gleichkäme (vgl. VfSlg. 13915/1994 unter Hinweis auf VfSlg 12465/1990, ferner VfSlg. 14044/1995 und VfGH 24.2.1998 V123/97). Ein solcher Fall liegt hier vor: Im Falle der Stattgebung des vorliegenden Gerichtsantrages würde nicht nur der vom OGH geltend gemachte gesetzwidrige Zustand ausgeweitet, sondern überdies auch die offenkundige Absicht des Verordnungsgebers, Leistungen für Zahnkronen, Stiftzähne und Brücken nicht unter allen Umständen zu gewähren, in ihrer Zielrichtung in ihr Gegenteil verkehrt, sodaß die gedachte Aufhebung einem dem Verfassungsgerichtshof verwehrten Akt positiver Gesetzgebung gleichkäme. Hinzukommt, daß die vom OGH vorgetragenen Bedenken der mangelnden Deckung der Kostenerstattungsregelung in §456 ASVG in gleicher Weise auf den genannten Teil des Anhangs zur Krankenordnung zutreffen, sodaß die Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtslage auf dem Boden des vorliegenden Antrages nicht möglich wäre.
Aus diesen Gründen erweist sich der Verordnungsprüfungsantrag als zu eng gefaßt; er war daher als unzulässig zurückzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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