Normen
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
GehaltskassenG §12 Abs6
AEUV Art119
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
GehaltskassenG §12 Abs6
AEUV Art119
Spruch:
Das Gesetzesprüfungsverfahren wird eingestellt.
Begründung
Begründung
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B3073/96 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
a) Die Beschwerdeführerin ist angestellte Apothekerin. Sie leistet seit 1. Juni 1988 Teildienst im Ausmaß von 5/10 des Volldienstes. Mit Wirksamkeit vom 1. April 1993 ist sie in der Gehaltsstufe VII des Gehaltsschemas nach §12 des Bundesgesetzes über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Gehaltskassengesetz 1959), BGBl. 254/1959, idF BGBl. 104/1985, (im folgenden kurz: GKG), eingereiht.
Mit Schreiben vom 2. Februar 1996 begehrte die Einschreiterin, sie rückwirkend ab 1. April 1995 in die (nächsthöhere) Gehaltsstufe VIII einzureihen.
Die Pharmazeutische Gehaltskasse lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 9. Februar 1996 gemäß §12 Abs6 iVm §21 GKG ab.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, über welche die (damalige) Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz mit Bescheid vom 8. August 1996 entschied. Sie wies das Rechtsmittel als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
b) Gegen den eben erwähnten Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie der Sache nach die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (§12 Abs6 GKG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
Die Beschwerdeführerin regt auch an, beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art177 EGV zu beantragen: Die innerstaatliche Norm des §12 Abs6 GKG treffe zum weitaus überwiegenden Teil weibliche angestellte Apotheker; sie bewirke eine (mittelbare) Diskriminierung von Frauen, die durch Art119 EGV verboten sei.
c) Die (damalige) Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.
2. Die maßgebende Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (im folgenden kurz: Gehaltskasse) ist als Körperschaft öffentlichen Rechtes eingerichtet (§1 Abs1 GKG). Das Wesen und das System der Gehaltskasse besteht vor allem darin, daß die Dienstgeber der in Apotheken tätigen pharmazeutischen Fachkräfte (d.h. der aufgrund eines Dienstvertrages angestellten vertretungsberechtigten Apotheker, Aspiranten und Dispensanten) eine einheitliche Umlage an die Gehaltskasse einzahlen und die Gehaltskasse unter Berücksichtigung der Dauer der Tätigkeit und des Personenstandes das Gehalt der einzelnen Dienstnehmer nach einem Gehaltsschema bemißt und auszahlt. Der Anspruch der Dienstnehmer auf Entlohnung richtet sich daher nicht gegen den Dienstgeber, sondern gegen die Gehaltskasse.
Die für die Vorrückung im Gehaltsschema anrechenbare Dauer ist in §12 Abs6 GKG geregelt.
Diese Bestimmung lautet:
"Die Vorrückungsfrist in die nächste Gehaltsstufe hat zwei im Volldienst zurückgelegte oder als Volldienst angerechnete Jahre zu betragen."
3. Der Verfassungsgerichtshof hat am 26. Februar 1998 beschlossen, aus Anlaß der erwähnten Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §12 Abs6 GKG einzuleiten.
Er nahm vorläufig an, daß die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung präjudiziell sei. Seine Bedenken ob deren Verfassungsmäßigkeit begründete er folgendermaßen:
"a) Die Regelung des §12 Abs6 GKG differenziert nicht nach dem Geschlecht.
Dennoch ist auch im Rahmen des Gleichheitssatzes nach österreichischem Recht zu untersuchen, ob sich die genannte Bestimmung nicht für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer diskriminierend auswirkt.
Die bloße Tatsache der Teilzeitbeschäftigung für sich allein scheint eine Rechtfertigung für die hier in Rede stehende Differenzierung nicht zu tragen, weil die längere Wartezeit für die Vorrückung notwendigerweise dazu zu führen scheint, daß der Stundenlohn eines/einer Teilzeitbeschäftigten gegenüber jenem eines/einer Vollbeschäftigten prozentuell zurückbleibt, wie das folgende Beispiel zeigt. In diesem Beispiel wird von der Annahme ausgegangen, daß ein Vollbeschäftigter im ersten Jahr 100 Geldeinheiten (GE) erhält, ein Halbtagsbeschäftigter 50 GE, und daß eine Gehaltserhöhung um 5 GE (beim Halbtagsbeschäftigten aliquot um 2,5 GE) stattfindet, wobei ein Vollbeschäftigter jedes Jahr, der Teilzeitbeschäftigte hingegen nur jedes zweite Jahr vorrückt:
Jahr Vollzeitbe Teilzeitbe Gehalt des
schäftigter schäftigter Teilzeitbeschäftigten im
(5/10 der Verhältnis zu jenem des
Vollzeit) Vollzeitbeschäftigten
in Prozenten
1 100 GE 50 GE 50 %
2 105 47,6
3 110 52,5 47,7
4 115 45,6
5 120 55 45,8
6 125 44
7 130 57,5 44,2
8 135 42,6
9 140 60 42,9
10 145 41,4
b) Die belangte Behörde, die Österreichische Apothekerkammer und die Pharmazeutische Gehaltskasse führen in ihren Schriftsätzen Umstände an, die ihres Erachtens die unterschiedliche Berücksichtigung von Vordienstzeiten rechtfertigen.
Der Verfassungsgerichtshof meint vorläufig, daß solche Umstände, die für jede Teilzeitbeschäftigung zutreffen - wie die eingeschränkte Verfügbarkeit, das eingeschränkte Verhältnis zu Kunden und die geringere Erfahrung gegenüber einem Vollzeitbeschäftigten -, grundsätzlich kein Kriterium für eine sachliche Differenzierung bei der Gestaltung des Entgeltes sind.
Solche allgemeine Faktoren scheinen auch durch den Umstand wettgemacht zu sein, daß Teilzeitbeschäftigte aufgrund ihrer geringeren Ermüdung, die bei längerer Arbeitszeit eintreten würde, Leistungen erbringen, die überproportional zu ihrer Stundenzahl sind, sodaß viele Arbeitnehmer Teilzeitbeschäftigten mehr bezahlen, als ihrer Stundenzahl im Verhältnis zur Vollzeitbeschäftigung entspräche.
Die Österreichische Apothekerkammer und die Pharmazeutische Gehaltskasse führen auch aus, daß Teilzeitbeschäftigte weniger geeignet seien, die (stellvertretende) Leitung einer Apotheke zu übernehmen. Auch dies scheint zu dem oben angeführten allgemeinen Faktor der Verfügbarkeit zu zählen. Es ist dem Verfassungsgerichtshof vorläufig nicht ersichtlich, warum der genannte Umstand die oben dargelegte unterschiedliche Behandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten rechtfertigen sollte. Hiebei wird auch zu berücksichtigen sein, daß für die Übernahme der Leitung einer Apotheke eine Leiterzulage vorgesehen ist, die allerdings vom Dienstgeber selbst zu entrichten ist (§14 GKG).
Die Österreichische Apothekerkammer verweist in diesem Zusammenhang auf §3 Abs2 und 3 des Apothekengesetzes, wonach für die sogenannte Leitungsberechtigung eine fünfjährige Dienstzeit im Volldienst erforderlich ist und Teilzeitbeschäftigung für die Erlangung der Leitungsberechtigung nur aliquot berücksichtigt wird. Diese Regelung betrifft die Ausbildungszeit vor Erlangung der Berechtigung zur Leitung einer Apotheke und nicht die Gehaltssituation. Es mag zwar gerechtfertigt sein, während einer Ausbildungsphase Teilzeitbeschäftigte auch gehaltsmäßig unterschiedlich zu behandeln. §12 Abs6 GKG ist aber nicht bloß auf eine Ausbildungsphase beschränkt. Ist eine Ausbildung abgeschlossen, so erwirbt der Ausgebildete zwar weiter Erfahrungen, doch scheinen nach der Ausbildung keine so gravierenden Unterschiede zwischen Teilzeitbeschäftigten und Vollzeitbeschäftigten in Apotheken zu bestehen, daß der Wert einer Arbeitsleistung eines/einer Teilzeitbeschäftigten nicht zumindest aliquot jenem eines/einer Vollzeitbeschäftigten entspricht, insbesondere auch nicht in bezug auf die von der Österreichischen Apothekerkammer ins Treffen geführte Arzneimittelsicherheit, wie etwa die Erkennbarkeit von Rezeptfälschungen. Das Argument, die Arzneimittelsicherheit rechtfertige Unterschiede bei der Vorrückung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten, scheint auch dadurch widerlegt zu sein, daß trotz des besonders hohen Anteils an Teilzeitbeschäftigten im Apothekerberuf bisher offenbar keine Mißstände aufgetreten sind."
4.a) Die Bundesregierung erstattete aufgrund ihres Beschlusses vom 5. Mai 1998 eine Äußerung. Sie begehrt, die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
Sie begründete ihre Ansicht damit, daß die Vorrückungsregelung des §12 Abs6 GKG nicht auf die bloße Dauer des Dienstverhältnisses abstelle, sondern sich nach der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden richte. Zur Ermittlung des Vorrückungszeitpunktes Teilzeitbeschäftigter werde die Stundenzahl der Teilzeitbeschäftigten addiert und in Relation zur Stundenanzahl Vollzeitbeschäftigter gestellt. Damit werde im Sinne der Rechtsprechung des EuGH der diskriminierende Effekt vermieden. Unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 15.12.1994, Rs. C-399/92 , Helmig, Slg. 1994, I-5727, Rz 26, meinte die Bundesregierung, daß nach dieser Judikatur eine Ungleichbehandlung vorliege, wenn bei gleicher Anzahl von Stunden, die aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, die Vollzeitbeschäftigten gezahlte Gesamtvergütung höher ist als die Teilzeitbeschäftigten gezahlte.
b) Außerdem nahm die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich Stellung. Sie verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der erwähnten Vorschriften.
5.a) Zur Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens führte die Bundesregierung in der Äußerung vom 20. August 1998 aus, daß §12 Abs6 GKG, sollte diese Bestimmung dem Gemeinschaftsrecht widersprechen, von der belangten Behörde nicht hätte angewendet werden dürfen. Dies gelte auch für den Verfassungsgerichtshof.
Wörtlich wird in dieser Äußerung ausgeführt:
"Der Europäische Gerichtshof hat seit dem Urteil vom 8. April 1976 in der Rechtssache Defrenne II (Rs 43/75) in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß Art119 EGV unmittelbar anwendbar ist. Einzelne Arbeitnehmer können sich vor innerstaatlichen Behörden und Gerichten unmittelbar darauf berufen. Aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit und der Vorrangwirkung des Gemeinschaftsrechts hat jedes nationale Gericht bzw. jede Verwaltungsbehörde im Anwendungsbereich des Art119 EGV eine diesem entgegenstehende Rechtsvorschrift unangewendet zu lassen. Dies gilt auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof.
Zur Konsequenz dieser Auffassung für das verfassungsgerichtliche Verfahren führt Korinek (Zur Relevanz von europäischem Gemeinschaftsrecht in der verfassungsrechtlichen Judikatur, in FS Tomandl (1998), 468) folgendes aus:
'Widerspricht nämlich die vom VfGH im Rahmen seiner vorläufigen Beurteilung für verfassungswidrig erachtete Rechtsvorschrift einer Gemeinschaftsrechtsvorschrift, der Anwendungsvorrang zukommt, dann hätte der Gerichtshof die österreichische Rechtsvorschrift ja im verfassungsgerichtlichen Verfahren in aller Regel nicht anzuwenden.'
Sollte der Verfassungsgerichtshof folglich der Auffassung sein, §12 Abs6 des (Pharmazeutischen) Gehaltskassengesetzes stehe im Widerspruch zu Art119 EGV, kann die genannte Bestimmung nicht mehr auf ihre Verfassungskonformität überprüft werden (vgl. Öhlinger/Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht, 153)."
b) Die Pharmazeutische Gehaltskasse hingegen bestritt nicht die Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens.
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof ging im Prüfungsbeschluß vom 26. Februar 1998 vorläufig davon aus, daß der Anwendung des §12 Abs6 GKG im Gesetzesprüfungsverfahren der Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht entgegenstehe. Er vermag diese vorläufige Annahme nicht aufrecht zu erhalten.
Im Erkenntnis vom 24. Juni 1998, G2/97, hatte der Verfassungsgerichtshof ausführlich begründet, warum die mögliche Unvereinbarkeit einer Norm mit dem Gemeinschaftsrecht ihn nicht schlechthin hindere, ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich einer solchen Norm einzuleiten. Er konnte der von der Bundesregierung in der obengenannten Äußerung und in der Lehre überwiegend vertretenen Ansicht (Griller, Mögliche Konfliktfelder zwischen Europäischer und österreichischer Grundrechtsjudikatur,
12. ÖJT I/2, 56 (59ff.); Holzinger, Zu den Auswirkungen der österreichischen EU-Mitgliedschaft auf das Rechtsschutzsystem der Bundesverfassung, FS Winkler, Wien 1997, 351; Öhlinger, Unmittelbare Geltung und Vorrang des Gemeinschaftsrechts und die Auswirkungen auf das verfassungsrechtliche Rechtsschutzsystem, FS Rill, Wien 1995, 359; Vcelouch, Gerichtskompetenz und EU, Wien 1996, 236), er dürfe gemeinschaftswidriges innerstaatliches Gesetz nicht nach Art140 B-VG in Prüfung ziehen, in dieser Allgemeinheit nicht folgen. Der Verfassungsgerichtshof meinte in dieser Entscheidung, von der kein Anlaß besteht abzugehen, daß er gemeinschaftsrechtliche Fragen nur im Rahmen der ihm vom innerstaatlichen Recht gestellten Aufgaben zu beurteilen habe. Der Verfassungsgerichtshof habe seine Aufgabe zur Normenkontrolle auch bei Zweifel über die Gemeinschaftswidrigkeit einer Norm immer dann wahrzunehmen, wenn die Behörde das verfassungsrechtlich verdächtige Gesetz zumindest denkmöglich angewendet hat. Ausdrücklich bezieht der Verfassungsgerichtshof diese Aussage nur auf Fälle, in denen innerstaatliches Recht nicht offenkundig dem Gemeinschaftsrecht widerspricht.
Stellt sich erst im Gesetzesprüfungsverfahren - etwa aufgrund von Urteilen des EuGH, die nach dem Prüfungsbeschluß verkündet werden - heraus, daß die von der belangten Behörde angewendete Norm offenkundig dem Gemeinschaftsrecht widerspricht, so ist diese Norm im Anlaßbeschwerdeverfahren vom Verfassungsgerichtshof nicht (mehr) anzuwenden, weil auch der Verfassungsgerichtshof den Anwendungsvorrang unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts im Falle der Offenkundigkeit zu beachten hat. Es fehlt daher im Gesetzesprüfungsverfahren am Erfordernis der Präjudizialität im Sinne des Art140 Abs1 B-VG.
2. Der Verfassungsgerichtshof kommt zu dem Schluß, daß die Anwendung des §12 Abs6 GKG dem Gemeinschaftsrecht offenkundig widerspricht. Im einzelnen wird hiezu folgendes ausgeführt:
a) Artikel 119 des EGV (Gleiches Entgelt für Männer und Frauen) bestimmt:
"Jeder Mitgliedstaat wird während der ersten Stufe den Grundsatz des gleichen Entgeltes für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit anwenden und in der Folge beibehalten.
Unter 'Entgelt' im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- und Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar oder unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.
Gleichheit des Arbeitsentgeltes ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bedeutet:
a) daß das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird;
b) daß für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist."
Art119 EGV ist unmittelbar anzuwenden (EuGH 8.4.1976, Rs. 43/75, Defrenne/Sabena, Slg. 1976, I-455).
Zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen hat der Rat am 9. Februar 1976 eine Richtlinie erlassen (Richtlinie des Rates vom 9.2.1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (Gleichbehandlungsrichtlinie), 76/207/EWG, ABl. L 39/1976). Diese Richtlinie sieht u.a. vor, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gewährleistet wird (Artikel 5 der Gleichbehandlungsrichtlinie).
b) Der EuGH versteht unter Entgelt im Sinne des Art119 EGV nicht bloß geldliche Vergütungen, die Arbeitnehmer als Gegenleistung für ihre Arbeitsleistung erhalten. Auch Bestimmungen, die zwar nicht das Entgelt regeln, sondern sich nur auf die Höhe des Entgeltes auswirken, dürfen nicht diskriminierend sein. Zu solchen Bestimmungen zählte der EuGH unter anderem Regelungen über Einordnungen oder Vorrückungen in einem Gehaltsschema (EuGH 7.2.1991, Rs. C-184/98 , Nimz, Slg. 1991, I-297; ferner EuGH 17.6.1998, Rs. C-243/95 , Hill/Stapleton, Slg. 1998, I-3739).
c) Es ist auch gesicherte Rechtsprechung des EuGH, daß das Gemeinschaftsrecht der Anwendung nationaler Maßnahmen entgegensteht, die zwar neutral formuliert sind, tatsächlich aber prozentual viel mehr Frauen als Männer benachteiligen, es sei denn, daß diese Maßnahmen durch objektive Kriterien gerechtfertigt sind, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes zu tun haben. Der EuGH verwendet für solche Fälle den Begriff der "mittelbaren Diskriminierung" (Judikaturkette beginnend mit: EuGH 31.3.1981, Rs. 96/80, Jenkins/Kingsgate, Slg. 1981, I-911; zuletzt EuGH 17.6.1998, Rs. C-243/95 , Hill/Stapleton, Slg. 1998, I-3739).
d) Für die Beurteilung der Vereinbarkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung des §12 Abs6 GKG mit dem Gemeinschaftsrecht bedeutet dies folgendes:
Der Zeitpunkt über die Vorrückung in eine höhere Gehaltsstufe der Pharmazeutischen Gehaltskasse wirkt sich auf die Höhe des Entgeltes aus. §12 Abs6 GKG sieht für Teilzeitbeschäftigte eine langsamere Vorrückung als für Vollzeitbeschäftigte vor.
Die dem Verfassungsgerichtshof von der belangten Behörde im Anlaßbeschwerdeverfahren vorgelegte Statistik über die Beschäftigung angestellter Fachkräfte in Apotheken zeigt, daß innerhalb der Gruppe der Frauen 33,0% Volldienst und 67% Teildienst verrichten. Innerhalb der Gruppe der Männer hingegen verrichten 79,2% Volldienst und 20,8% Teildienst.
Die Bundesregierung und die Pharmazeutische Gehaltskasse meinen, daß die innerstaatliche Bestimmung dennoch nicht diskriminierend sei, weil sie auf die Addition der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden abstelle. Zu Unrecht berufen sich die genannten Stellen jedoch auf das Urteil des EuGH vom 15.12.1994, Rs. C-399/92 , Helmig, Slg. 1994, I-5727. In dieser Entscheidung meinte der EuGH, daß Ungleichbehandlung immer dann vorliege, "... wenn bei gleicher Anzahl Stunden, die aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, die Vollzeitbeschäftigten gezahlte Gesamtvergütung höher ist als die Teilzeitbeschäftigten gezahlte" (Rz. 26).
Damit umschrieb der EuGH aber bloß den Grundsatz "pro rata temporis", wonach das Entgelt Teilzeitbeschäftigter pro Zeiteinheit jener von Vollzeitbeschäftigten entsprechen muß. Dieser der langjährigen Rechtsprechung des EuGH entsprechende Grundsatz wurde ausdrücklich auch in die am 15.12.1997 erlassene Richtlinie des Rates, 97/81/EG, zu der von UNICE, CEEP und EGP geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit, ABl. L 14/1998, aufgenommen. Daß bei der Einordnung in ein Gehaltsschema die bisher geleisteten Arbeitsstunden zu addieren seien, ist dem genannten Urteil des EuGH nicht zu entnehmen.
Im Judikat des EuGH vom 17.6.1998, Rs. C-243/95 , Hill/Stapleton, Slg. 1998, I-3739, - betreffend die Berücksichtigung von Vordienstzeiten in einer Gehaltstabelle - hatte sich die innerstaatliche Verwaltungsbehörde ebenfalls auf das Urteil des EuGH vom 15.12.1994, Rs. C-399/92 , Helmig, Slg. 1994, I-5727, berufen, um die Rückstufung von Teilzeitbeschäftigten zu rechtfertigen. Teilzeitbeschäftigte mußten nach der innerstaatlichen Regelung das doppelte Dienstalter haben, um in der Einstufung wie Vollzeitbeschäftigte behandelt zu werden.
Bereits der Generalanwalt meinte, daß eine derartige Regelung diskriminierend sei und sich die Behörde zu Unrecht auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Helmig berufe (Schlußanträge des Generalanwaltes vom 20.2.1997, Rs. C-243/95 , Hill/Stapleton, Slg. 1998, I-3739 (I-3741 ff.) Rz. 26 und 27).
Der EuGH schloß sich im Urteil vom 17.6.1998, Rs. C-243/95 , Hill/Stapleton, Slg. 1998, I-3739, der Meinung des Generalanwaltes an und kam zu dem Schluß:
"Die Rückstufung eines Arbeitnehmers beim Übergang oder bei
der Rückkehr zur Vollzeitregelung hat unmittelbare Auswirkungen
auf sein Arbeitsentgelt. Der Arbeitnehmer erhält dann nämlich
ein Arbeitsentgelt, das tatsächlich niedriger als das Doppelte
des Betrages ist, den er erhielte, wenn er auf einem
Teilarbeitsplatz beschäftigt wäre. Er erleidet also eine Einbuße
hinsichtlich der Höhe seines Stundenlohnes. Durch die Bezugnahme
auf das Kriterium der Stunden, die während des Zeitraums der
Beschäftigung auf einem Teilarbeitsplatz abgeleistet worden
sind, wie dies die im Ausgangsverfahren anwendbare Regelung
vorsieht, bleiben sowohl die Tatsache, daß die
Arbeitsplatzteilung ... ein besonderer Fall ist, da sie nicht
mit einer Unterbrechung des Dienstes verbunden ist, als auch der
... angeführte Umstand außer Betracht, daß ein Arbeitnehmer auf
einem Teilarbeitsplatz die gleiche Erfahrung wie ein Vollzeitarbeitnehmer erwerben kann. Zudem wird nachträglich eine Ungleichheit in das Gesamtarbeitsentgelt der Arbeitnehmer hineingetragen, die sowohl der Qualität als auch der Quantität der geleisteten Arbeiten nach die gleichen Aufgaben erfüllen. Diese Ungleichheit führt dazu, daß die Arbeitnehmer, die im Rahmen der Vollzeitregelung arbeiten, zuvor aber im Rahmen der Arbeitsplatzteilungsregelung gearbeitet haben, und diejenigen, die nur im Rahmen der Vollzeitregelung gearbeitet haben, unterschiedlich behandelt werden." (Rz. 32)
In diesem Zusammenhang verweist der Verfassungsgerichtshof auf die im Prüfungsbeschluß enthaltene Tabelle (siehe I, 3 oben), die zeigt, daß eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten bei der Berücksichtigung von Vordienstzeiten im Ergebnis zur Entgeltschmälerung und damit zur Verletzung des "pro rata temporis Grundsatzes" führt, wie dies im obgenannten Urteil des EuGH ausgeführt ist.
Das im Gesetzesprüfungsverfahren zur Rechtfertigung der innerstaatlichen Regelung dargelegte Argument, es sei bei der Vorrückung auf die Addition der bisher geleisteten Arbeitsstunden abzustellen, widerspricht der Rechtsprechung des EuGH (vgl. im übrigen die Darstellung der Rechtsprechung des EuGH und deutscher Gerichte bei Mosler, Das Benachteiligungsverbot für Teilzeitbeschäftigte nach österreichischem, deutschem und europäischem Recht, FS Tomandl, Wien 1998, 273 ff., insbesondere 293).
Im Anlaßbeschwerdeverfahren verwies die belangte Behörde auf Besonderheiten des Apothekerberufes und meinte, daß die geringere Erfahrung und geringere Effizienz von Teilzeitbeschäftigten eine unterschiedliche Gestaltung des Entgeltes pro Zeiteinheit rechtfertige.
Im Prüfungsbeschluß meinte der Verfassungsgerichtshof, daß solche Faktoren durch den Umstand wettgemacht zu sein scheinen, daß Teilzeitbeschäftigte auf Grund ihrer geringeren Ermüdung, die bei längerer Arbeitszeit eintreten würde, Leistungen erbringen, die überproportional zu ihrer Stundenzahl seien.
Das Argument, Teilzeitbeschäftigte hätten weniger Erfahrung und seien nicht ebenso einsatzfähig wie Vollzeitbeschäftigte, wurde dem EuGH in mehreren Verfahren vorgetragen. Der EuGH meinte hiezu im Urteil vom 7.2.1991, Rs. C-184/89 , Nimz, Slg. 1991, I-297, daß
"derartige Erwägungen ... jedoch lediglich verallgemeinernde Aussagen zu bestimmten Kategorien von Arbeitnehmern dar(stellten). Ihnen lassen sich keine objektiven Kriterien entnehmen, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (siehe Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 171/88, Rinner-Kühn, Slg. 1989, 2743)." (Rz. 14)
Auch in der Rechtssache C-243/95 , EuGH 17.6.1998, Hill/Stapleton, Slg. 1998, I-3739, wurde von den Behörden des Mitgliedstaates ausgeführt,
"daß nach der herrschenden Praxis im öffentlichen Dienst nur die tatsächliche Dienstzeit 'verbucht' werde und daß diese Praxis ein Belohnungssystem darstelle, das die Motivation, die Einsatzbereitschaft und die Arbeitseinstellung der Arbeitnehmer aufrechterhalte." (Rz. 38)
Der EuGH meinte, daß diese Motivation nicht überzeuge und führte aus:
"Der erste Grund ist nur eine verallgemeinernde Aussage, die nicht durch objektive Kriterien gerechtfertigt ist. Was den zweiten Grund betrifft, so wird das System der Belohnung der Arbeitnehmer, die im Rahmen der Vollzeitregelung tätig sind, durch die Arbeitsplatzteilungsregelung nicht beeinflußt."
(Rz. 38)
Die geringere Erfahrung und Effizienz von Teilzeitbeschäfigten ist also für sich kein Kriterium für eine unterproportionale Entlohnung. Daß diese Kriterien nach der Rechtsprechung des EuGH selbst bei Berufen, bei denen fachliche Erfahrung und Weiterbildung von Bedeutung sind, keine unterschiedliche Behandlung des Entgeltes rechtfertigen, zeigen jene Fälle, in denen der EuGH selbst bei solchen Berufen eine zusätzliche besondere Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung fordert (Beamtinnen in den Fällen EuGH 7.2.1991, Rs. C-184/89 , Nimz, Slg. 1991, I-297; EuGH 2.10.1997, Rs. C-1/95 , Gerster, Slg. 1997, I-5253 und EuGH 17.6.1998, Rs. C-243/95 , Hill/Stapleton, Slg. 1998, I-3739; Krankenschwestern im Fall EuGH 11.12.1997, Rs. C-246/96 , Magorrian/Cunningham, Slg. 1997, I-7153).
Wie aus dem Urteil des EuGH vom 17.6.1998, Rs. C-243/95 , Hill/Stapleton, Slg. 1998, I-3739, hervorgeht, wäre eine unterschiedliche Behandlung des Gehaltes von Teilzeitbeschäftigten nur zu rechtfertigen, wenn die unterschiedlichen Erfahrungen auch zur Erfüllung nach Qualität und Quantität unterschiedlicher Aufgaben führen. Daß dies nicht der Fall ist, zeigt auch §3 des Apothekengesetzes, wonach selbst teilzeitbeschäftigte Fachkräfte nach ihrer Ausbildung die Berechtigung zum selbständigen Betrieb einer Apotheke erlangen können. Zumindest jene teilzeitbeschäftigten pharmazeutischen Fachkräfte, die die Ausbildungszeit hinter sich gebracht haben, verrichten also selbst nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dieselben Aufgaben wie Vollzeitbeschäftigte.
3. Mit dem Urteil des EuGH vom 17.6.1998, Rs. C-243/95 , Hill/Stapleton, Slg. 1998, I-3739, wurde offenkundig, daß eine Regelung, wie sie §12 Abs6 GKG vorsieht, dem Gemeinschaftsrecht widerspricht. Dies bedeutet, daß diese Norm für das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren nicht (mehr) präjudiziell ist (siehe oben II.1). Das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher einzustellen.
4. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gefaßt werden.
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