VfGH B3881/95

VfGHB3881/9510.10.1997

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des Wortes "anderen" im Einleitungssatz des §6 Abs1 EWR-NachsichtsV, BGBl 775 /1993, mit E v 07.10.97, V76/97 ua.

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer suchte mit Eingabe vom 8. Mai 1995 um Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises zur Ausübung des Reisebürogewerbes gemäß §124 Z17 GewO 1994 an. Er könne durch Vorlage eines Lehrbriefs und eines Prüfungszeugnisses eine dreijährige Ausbildung belegen, sei durch mehr als sechs Jahre hindurch in leitender Funktion eines Reisebürounternehmens tätig gewesen und habe dabei alle in diesem Gewerbe anfallenden Tätigkeiten ausgeübt. Er erfülle damit die Voraussetzungen, die gemäß §6 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl. 775/1993, (künftig: EWR-NachsichtsV) für die Nachsicht vom Erfordernis des Befähigungsnachweises für Angehörige eines EWR-Staates (und damit auch für ihn als österreichischen Staatsbürger) vorgeschrieben seien. Angesichts dessen sei ihm nach der genannten Verordnung iVm §§373a, 373c und 28 Abs1 Z1 GewO 1994 die erbetene Nachsicht zu erteilen. Subsidiär wurde das Ansuchen auf §28 Abs1 Z2 GewO 1994 gegründet.

b) Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. Oktober 1995 wurde das Ansuchen abgewiesen. Es sei dem Beschwerdeführer zwar beizupflichten, daß die EWR-Anpassungsbestimmungen der §§373a ff. GewO 1994 (und damit auch §373c und die auf dessen Grundlage ergangene EWR-NachsichtsV) auch auf österreichische Staatsbürger anzuwenden seien, da sich deren Geltungsbereich auf Staatsangehörige aller EWR-Vertragsparteien ohne weitere nationale Differenzierung erstrecke. Ein auf §373c GewO 1994 gestütztes Nachsichtsansuchen eines österreichischen Staatsbürgers sei daher an sich zulässig, doch könne als Nachweis im Sinne des §6 Abs1 der EWR-NachsichtsV nur eine Ausbildungs- bzw. Berufspraxis gelten, die in einem anderen EWR-Mitgliedstaat absolviert worden sei.

2. a) Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sowie auf Freiheit der Berufswahl und Berufsausbildung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

b) Der belangte Bundesminister legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Wortes "anderen" im Einleitungssatz des §6 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl. 775/1993, ein. Mit Erkenntnis vom 7. Oktober 1997, V76/97 ua., hob er das in Prüfung genommene Wort auf.

III. Die Beschwerde ist begründet.

Die belangte Behörde hat eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10303/1984, 10515/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

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