VfGH B793/95

VfGHB793/9526.6.1996

Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrags mangels Beginn des Fristenlaufes aufgrund Fehlen eines geeigneten Beschwerdesubstrates;

keine rechtswirksame Zustellung des angefochtenen Bescheides;

Zurückweisung auch der Beschwerde mangels Vorliegen eines Bescheides

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Allg
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
ZustG §7
VfGG §33
AVG §62 Abs1
B-VG Art144 Abs1 / Allg
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
ZustG §7
VfGG §33
AVG §62 Abs1

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Mit dem am 23. März 1995 überbrachten Schriftsatz beantragt der Einschreiter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen den ihm am 20. März 1995 zur Kenntnis gelangten Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. November 1994, mit welchem sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abgewiesen wurde. Der Antragsteller verbindet damit die entsprechende Beschwerde.

II. Den Wiedereinsetzungsantrag begründet der Einschreiter - sinngemäß zusammengefaßt - im wesentlichen damit, daß er zwar der Behörde erster Instanz den Wechsel seiner Wohnung mitgeteilt, jene aber fälschlicherweise die Zustellung des Berufungsbescheides an seine frühere Adresse verfügt habe; dies habe zur Hinterlegung geführt. Erst infolge Akteneinsicht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter (der das Vorliegen eines Berufungsbescheides im Akt der Behörde erster Instanz festgestellt und eine Bescheidkopie angefertigt habe) habe er vom Bescheid Kenntnis erlangt. Der Antragsteller ist der Ansicht, daß hiedurch der Zustellmangel iS des §7 ZustellG behoben sei.

III. Der Wiedereinsetzungsantrag

erweist sich jedoch als nicht zulässig.

Es bedarf im Hinblick auf §§4, 13 und 17 ZustellG keiner weiteren Erörterung, daß die Hinterlegung des Berufungsbescheides mit Beziehung auf die frühere Wohnung des Einschreiters keine rechtswirksame Zustellung bewirkte. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang lediglich, daß der Behörde erster Instanz der Wechsel der Wohnung infolge der Vorlage eines Meldezettels bekannt war und sie schon zuvor die Zustellung ihres Bescheides an die nunmehrige Anschrift des Antragstellers verfügt hatte. Entgegen seiner Meinung liegt eine Behebung des Zustellmangels iS des §7 ZustellG aber nicht vor. Für eine rechtswirksame Zustellung ist es nämlich nicht hinreichend, daß der Empfänger vom Schriftstück - etwa durch Akteneinsicht - lediglich Kenntnis erlangt (vgl. VwGH 20.3.1981, Zl. 04/0903/80 zum inhaltlich entsprechenden §31 AVG). Eine Sendung ist nur dann tatsächlich zugekommen, wenn sie (dh. die für den Empfänger bestimmte Ausfertigung) den Adressaten selbst wirklich erreicht, wenn ihm also das Schriftstück ausgehändigt wurde. Weder die vorherige Akteneinsicht des Rechtsvertreters des Einschreiters noch die Herstellung von Ablichtungen aus dem Akt ersetzt sohin die Zustellung des Bescheides (vgl. VwGH 13.12.1989, 89/01/0069).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erweist sich demnach als nicht zulässig und war daher zurückzuweisen; mangels eines geeigneten Beschwerdesubstrates kann nämlich vom Lauf einer Beschwerdefrist und damit auch von der Versäumung einer befristeten Prozeßhandlung iS des im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren zufolge §35 Abs1 VerfGG sinngemäß anzuwendenden §146 Abs1 ZPO nicht die Rede sein (vgl. dazu VfSlg. 12252/1990).

IV. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof kann gemäß Art144 Abs1 B-VG nur "gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden" erhoben werden, und zwar gemäß §82 Abs1 VerfGG 1953 "innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides". Eine zulässige Beschwerde setzt daher voraus, daß überhaupt ein Bescheid vorhanden ist, dh. erlassen wurde. Erlassen ist er nach dem - hier anzuwendenden - §62 Abs1 AVG mit seiner Zustellung oder mündlichen Verkündung (s. etwa VfGH 26.9.1994, B771/94).

Das Vorliegen eines Bescheides ist eine Prozeßvoraussetzung, die im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens (vgl. VfSlg. 7925/1976) und darüberhinaus während der ganzen Dauer des Verfahrens gegeben sein muß (vgl. VfSlg. 8824/1980). Zwar kann eine Beschwerde gegen einen Bescheid bereits erhoben werden, bevor er dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet wurde (vgl. VfSlg. 9068/1981, 10637/1985), doch muß er überhaupt erlassen, dh. einer (anderen) Partei zugestellt oder verkündet worden sein (s. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit (1983) 96). All dies trifft - wie schon vorhin dargetan wurde - nicht zu.

Da es somit an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand fehlt, war die Beschwerde zurückzuweisen.

V. Bei diesem Ergebnis war der hilfsweise gestellte Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.

VI. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG sowie gemäß §42 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

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