VfGH B3035/95

VfGHB3035/9524.9.1996

Zurückweisung der Beschwerde einer Gemeinde infolge Fehlens eines Gemeinderatsbeschlusses zur Beschwerdeerhebung bzw mangels Vorliegen der Voraussetzungen für eine Beschwerdeerhebung in Form einer Notanordnung seitens des Bürgermeisters

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Oö GemeindeO 1990 §43
Oö GemeindeO 1990 §58 Abs1
Oö GemeindeO 1990 §60
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Oö GemeindeO 1990 §43
Oö GemeindeO 1990 §58 Abs1
Oö GemeindeO 1990 §60

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Linz vom 24. Juli 1995 wurde die beschwerdeführende Marktgemeinde Neuhofen/Krems gemäß §3 Abs3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales betreffend Richtlinien über die Abwicklung der Sondernotstandshilfe (Sondernotstandshilfe-Verordnung), BGBl. Nr. 361/1995, zur Tragung eines Drittels der an die im Bescheid namentlich angeführten Personen ausbezahlten Sondernotstandshilfe in der Höhe von insgesamt S 65.011,60 verpflichtet.

2. Der dagegen erhobenen Berufung der Marktgemeinde Neuhofen/Krems wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 10. August 1995, Z SV(SanR) - 4009/1-1995-Ho/Ha, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

3. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in sonstigen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß §43 Abs1 OÖ Gemeindeordnung 1990 (OÖ GemO 1990), LGBl. 91/1990 idF. LGBl. 5/1992, obliegen dem Gemeinderat alle in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallenden Angelegenheiten, soweit sie nicht ausdrücklich anderen Organen der Gemeinde vorbehalten sind. Zu den unter diese Bestimmung fallenden Befugnissen des Gemeinderates zählt auch die Erhebung einer Beschwerde nach Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof.

2. Aus der beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde ging nicht hervor, ob ihre durch einen vom Bürgermeister hiemit betrauten Rechtsanwalt erfolgte Einbringung auf einem entsprechenden Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Neuhofen/Krems beruht. Die Gemeinde wurde deshalb vom Verfassungsgerichtshof gemäß §18 VerfGG aufgefordert, den Mangel des Fehlens des Auszuges aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderates innerhalb von vier Wochen zu beheben.

Innerhalb dieser Frist teilte die beschwerdeführende Gemeinde mit, daß ein Beschluß des Gemeinderates über die Einbringung der gegenständlichen Beschwerde - noch - nicht vorliege, ihres Erachtens aber die Vorlage eines Sitzungsprotokolls, aus dem eine hierüber ergangene Beschlußfassung ersichtlich ist, entbehrlich sei: Gemäß §58 Abs1 OÖ GemO 1990 vertrete der Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Erhebt daher der Bürgermeister im Namen der Gemeinde eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde (gemeint: Verfassungsgerichtshofbeschwerde) und betraut mit der Vertretung einen Rechtsanwalt, so könne dies, selbst wenn dem keine Beschlußfassung des im Innenverhältnis zuständigen Gemeindeorgans zugrundegelegen ist, nicht zu einer Zurückweisung der Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung führen.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, den Verfassungsgerichtshof zu einem Abgehen von seiner ständigen Rechtsprechung zu veranlassen, nach der zur Beschlußfassung über die Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde der Gemeinderat zuständig ist und ein nach Ablauf der Beschwerdefrist gefaßter Beschluß des zuständigen Gemeinderates die Zulässigkeit der bereits erfolgten Beschwerdeerhebung durch den Bürgermeister nachträglich nicht mehr zu begründen vermag (VfSlg. 13792/1994).

3. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf §60 Abs1 OÖ GemO 1990 beruft, nach der in jenen Fällen, in denen bei Gefahr im Verzug der Beschluß des zuständigen Kollegialorganes nicht ohne Nachteil für die Sache oder ohne Gefahr eines Schadens für die Gemeinde eingeholt werden kann, der Bürgermeister diese Maßnahmen anstelle des sonst zuständigen Kollegialorganes zu treffen hat, ist sie zwar insoweit im Recht, als in diesen Fällen die Genehmigung des Kollegialorgans nachträglich - jedoch ohne unnötigen Aufschub - eingeholt werden kann (§60 Abs1 zweiter Halbsatz OÖ GemO 1990). Aus den Ausführungen der beschwerdeführenden Gemeinde ist aber in keiner Weise ersichtlich, aus welchen Gründen die Möglichkeit der Einberufung einer Sitzung des Gemeinderates zur Fassung eines Beschlusses zur Beschwerdeerhebung innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist nicht bestanden hätte. Die bloße Behauptung der Beschwerdeführerin, während der Beschwerdefrist hätte ein Gemeinderatsbeschluß "kurzfristig" nicht herbeigeführt werden können, vermag für sich allein die Anwendbarkeit des §60 Abs1 OÖ Gem0 1990 nicht zu bewirken.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits hinsichtlich mehrerer Länder festgestellt hat, bieten die gesetzlichen Regelungen der Einberufung von Sitzungen des Gemeinderates - auch in Zeiten vermehrter Feiertage oder Krankheitsfälle -, im Regelfall Vorsorge für eine ausreichend rasche Einberufung des Gemeinderates (VfSlg. 10646/1985, 13161/1992, 13792/1994; die in diesen Entscheidungen maßgeblichen landesgesetzlichen Vorschriften sind mit der hier maßgeblichen Regelung der §§45, 50 GemO 1990 durchaus vergleichbar). Daß im vorliegenden Fall besondere Umstände die rechtzeitige Einberufung verhindert hätten, ist aber nicht hervorgekommen.

4. Da somit der Beschwerde kein (innerhalb der Beschwerdefrist gefaßter) Beschluß des hiefür zuständigen Gemeinderates zugrundeliegt und die Voraussetzungen für eine Beschwerdeerhebung in Form einer Notanordnung im Sinne des §60 Abs1 OÖ Gem0 1990 seitens des Bürgermeisters nicht gegeben waren, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen (siehe auch die gleichartige Entscheidung VfSlg. 13792/1994 mwN).

5. Auf den Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war nicht einzugehen, da dieser Antrag nur für den Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder einer Ablehnung der Behandlung der Beschwerde gestellt wurde.

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