VfGH V46/95

VfGHV46/9526.11.1996

Zurückweisung des Antrags der Volksanwaltschaft auf Aufhebung eines Erlasses des Bundesministers für Finanzen hinsichtlich der Steuerfreiheit von Mahlzeiten und Essensbons ("Wurstsemmelerlaß") mangels Verordnungscharakters der angefochtenen Enunziation

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Mit einem auf Art148e B-VG gestützten Antrag begehrt die Volksanwaltschaft die Aufhebung des Erlasses des Bundesministers für Finanzen vom 14. Dezember 1994, Z 07 0202/9-IV/7/94, veröffentlicht im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung 1995, Nr. 9, zur Gänze, in eventu bestimmter Abschnitte dieses Erlasses. Die Volksanwaltschaft qualifiziert den Erlaß als Rechtsverordnung und hält ihn aus formellen (mangelnde Publikation im Bundesgesetzblatt) und materiellen Gründen (keine hinreichende gesetzliche Ermächtigung für bestimmte "Anordnungen" des Erlasses) für gesetzwidrig.

2. Der angefochtene Erlaß hat folgenden Wortlaut:

"An alle

Finanzlandesdirektionen

und Finanzämter

Im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise wird ergänzend zu den Ausführungen in den Lohnsteuerrichtlinien 1992 (RZ 71, 72, 97) zur Steuerfreiheit von freien oder verbilligten Mahlzeiten gemäß §3 Abs1 Z17 EStG 1988 folgende Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen mitgeteilt:

1. Steuerfreiheit bei Gewährung von freien oder verbilligten Mahlzeiten

§3 Abs1 Z17 EStG 1988 sieht vor, daß die Gewährung von freien oder verbilligten Mahlzeiten an die nicht in den Haushalt des Arbeitgebers aufgenommenen Arbeitnehmer zur Verköstigung am Arbeitsplatz zu keinem steuerlichen Sachbezug führt. Steuerfrei ist grundsätzlich nur die Gewährung der Mahlzeiten und nicht eines anderen Vorteiles (zB eines Gutscheines) zur Erlangung von Mahlzeiten, sodaß eine Bewertung der Mahlzeiten für Zwecke des Steuerabzuges vom Arbeitslohn nicht erforderlich ist.

2. Steuerfreiheit bei Gewährung von Essensbons

Gemäß RZ 71 der Lohnsteuerrichtlinien 1992 gilt die Befreiungsbestimmung auch bei freier oder verbilligter Abgabe von Mahlzeiten durch einen gastgewerblichen Betrieb, mit dem der Arbeitgeber eine entsprechende Vereinbarung getroffen hat (zB durch Ausgabe von Essensbons). Diese begünstigende Auslegung des Gesetzestextes soll eine steuerfreie Gewährung von Mahlzeiten zur Verköstigung am Arbeitsplatz auch dann ermöglichen, wenn im Betrieb selbst die Voraussetzungen für die Abgabe von Mahlzeiten nicht bestehen. Durch die Abgabe von Essensbons darf daher kein anderer Effekt als durch die Gewährung von freien oder verbilligten Mahlzeiten im Betrieb erreicht werden. Steuerfreiheit steht daher in diesen Fällen nur zu, wenn

Können die vom Arbeitgeber ausgegebenen Essensbons auch zur Bezahlung von Lebensmitteln, die nach Hause mitgenommen werden können, verwendet werden, dann stellt der Wert der ausgegebenen Essensbons einen steuerpflichtigen Sachbezug dar, ausgenommen der Wert der Essensbons übersteigt nicht den Bagatellbetrag von 15 S täglich (Freigrenze).

Beträgt der Wert der ausgegebenen Essensbons nicht mehr als 15 S pro Arbeitstag, ist aus Vereinfachungsgründen vom Arbeitgeber eine Prüfung, ob die hiefür erworbenen Lebensmittel mit nach Hause genommen werden können, nicht vorzunehmen. Essensgutscheine mit einem Wert bis zu 15 S täglich können daher auch zur Einlösung bei Lebensmittelgeschäften, Fleischereien, Fast-Food-Ketten oder Würstelständen, steuerfrei abgegeben werden.

War es dem Arbeitnehmer bisher möglich, mit Essensbons erworbene Lebensmittel mit nach Hause zu nehmen, ist dies im Rahmen von Lohnsteuerprüfungen für Lohnzahlungszeiträume bis Ende 1994 nicht zu beanstanden. Der Arbeitgeber haftet für die Gewährleistung der Verwendung der ausgegebenen Essensbons im Sinne der Ausführungen dieses Erlasses.

3. Freie Mahlzeiten bei Dienstreisen

Werden an Arbeitnehmer, die sich auf Dienstreise befinden, Essensgutscheine für die Verpflegung außer Haus ausgegeben, sind diese Gutscheine wie Tagesgeld zu behandeln. Übersteigt die Summe aus augezahltem Tagesgeld und dem Wert der Gutscheine 360 S pro Tag bzw. den jeweils aliquoten Teil, liegt ein steuerpflichtiger Bezug vor.

Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten können aus diesem Erlaß nicht abgeleitet werden. Der Erlaß vom 20. Juli 1994, Z 07 0202/2-IV/7/94, ist nicht anzuwenden.

14. Dezember 1994

Für den Bundesminister

Mag. T"

(Der Erlaß ist - unter Weglassung der Nennung seiner Adressaten und der Fertigung - in AÖFV 9/1995 abgedruckt.)

3. Der Bundesminister für Finanzen legte die den Erlaß betreffenden Akten vor und nahm zum Antrag der Volksanwaltschaft Stellung. Dabei trat er der Qualifikation des Erlasses als Rechtsverordnung entgegen, legte den Anlaß für die Ausarbeitung des Erlasses dar und verteidigte inhaltlich dessen Rechtmäßigkeit. Von einer Antragstellung im verfassungsgerichtlichen Verfahren nahm der Bundesminister Abstand.

II. 1. Entgegen der Ansicht der Volksanwaltschaft ist der von ihr angefochtene Erlaß keine Verordnung. Er ist weder als Rechtsverordnung noch auch als Verwaltungsverordnung (vgl. VfSlg. 13635/1993 mwH), zu deren Anfechtung die Volksanwaltschaft - was der Bundesminister für Finanzen übersieht - zuständig wäre, zu qualifizieren, da dem Erlaß normative Bedeutung überhaupt nicht zukommt. Das wird nicht nur im Einleitungssatz zum Ausdruck gebracht, in dem klargestellt wird, daß mit dem Erlaß bloß die Rechtsauffassung des Bundesministers für Finanzen mitgeteilt wird, sondern kommt auch darin zum Ausdruck, daß sich der Erlaß als Ergänzung der Lohnsteuerrichtlinien 1992 versteht. Im Einleitungssatz zu diesen Lohnsteuerrichtlinien wird deren rechtliche Qualifikation mit der Formulierung umschrieben, die Richtlinien stellten einen "Auslegungsbehelf" zum EStG 1988 dar, der im Interesse einer einheitlichen Verwaltungspraxis mitgeteilt werde.

Der Verfassungsgerichtshof hat zu insoweit vergleichbaren Erlässen des Bundesministers für Finanzen stets den Standpunkt eingenommen, daß keine Verordnung vorliege, wenn der Bundesminister bloß seine Rechtsansicht mitteile (vgl. zB VfSlg. 8613/1979, 8858/1980, 9256/1981); er bleibt auch im vorliegenden Fall bei dieser Ansicht.

Da es sich somit bei der angefochtenen Enunziation um keine Verordnung handelt, die Volksanwaltschaft aber bloß zur Anfechtung von Verordnungen berufen ist, war ihr Antrag wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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