VfGH B2318/94

VfGHB2318/9429.6.1995

Keine Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung durch Versagung einer Aufenthaltsbewilligung wegen Ausschöpfung der Quote nach der QuotenV 1994; Gebot der Gleichbehandlung von Fremden durch das BVG-Rassendiskriminierung; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Quotensystem im AufenthaltsG; keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der QuotenV 1994; Rechtskraft eines die Aufenthaltsbewilligung wegen Ausschöpfung der Quote versagenden Bescheides nur hinsichtlich der Beurteilung des Antrags in Beziehung auf die zum Entscheidungszeitpunkt geltende QuotenV

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Allg
B-VG Art18 Abs2
QuotenV 1994, BGBl 72/1994
AufenthaltsG §2
AufenthaltsG §9 Abs3
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Allg
B-VG Art18 Abs2
QuotenV 1994, BGBl 72/1994
AufenthaltsG §2
AufenthaltsG §9 Abs3
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bundesminister für Inneres wies mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 15. September 1994 den Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter Berufung auf §9 Abs3 und §2 Abs1 des (zur Zeit der Bescheiderlassung idF vor der Novelle BGBl. 351/1995 geltenden) Aufenthaltsgesetzes (AufG), BGBl. 466/1992, ab. Diese Berufungsentscheidung begründete der Bundesminister im wesentlichen damit, daß gemäß §9 Abs3 (- Paragraphenangaben ohne Anführung des Gesetzes beziehen sich stets auf das AufenthaltsG in der erwähnten Fassung -) keine weiteren Bewilligungen erteilt werden dürften, wenn die im §2 Abs1 und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei; ab diesem Zeitpunkt seien anhängige Anträge, die sich nicht auf den in §3 verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung BGBl. 72/1994 eine Höchstzahl von

4.300 Bewilligungen festgesetzt, die nunmehr erreicht sei.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher der Beschwerdeführer eine Rechtsverletzung infolge Anwendung der von ihm als gesetzwidrig kritisierten Verordnung BGBl. 72/1994 (d.i. die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1994) behauptet und deswegen die Bescheidaufhebung begehrt.

3. Der Bundesminister für Inneres legte die Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II. Die Beschwerde ist, da sämtliche Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig; sie ist aber nicht gerechtfertigt.

1. Der vom Beschwerdeführer gegen die bezeichnete Verordnung erhobene Vorwurf, welcher später darzustellen und zu erörtern sein wird, führt zur Fragestellung, ob das der (hier und im folgenden sogenannten) Quotenverordnung zugrundeliegende gesetzliche System als solches verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Es ist nämlich offenkundig, daß dieses durch §2 AufG (auf den sich die Verordnung BGBl. 72/1994 im Eingang als ihre gesetzliche Grundlage beruft) im Zusammenhalt mit §9, insbesondere dessen Abs3, konstituierte sogenannte Quotensystem zu solchen Fallgruppen abweisender behördlicher Entscheidungen führt, deren negatives Ergebnis für den Antragsteller bloß auf den Zeitpunkt seiner Antragstellung oder lediglich auf manipulative Umstände zurückzuführen ist, die den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über seinen Antrag (einschließlich einer allfälligen Berufungsentscheidung) bestimmen. Der Verfassungsgerichtshof hegt jedoch diesbezüglich - unter Bedachtnahme auf den Grundsatz der verfassungskonformen Gesetzesauslegung - keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Bevor auf diesen Fragenbereich eingegangen wird, erscheint es geboten, die bezogenen §§2 und 9 des AufG im Wortlaut wiederzugeben sowie den verfassungsrechtlichen Maßstab zu beschreiben, der an sie anzulegen ist.

2.a) Die §§2 und 9 AufG (in der erwähnten Fassung vor der Novelle BGBl. 351/1995) lauten wie folgt:

"§2

(1) Die Bundesregierung hat, im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates, für jeweils ein Jahr mit Verordnung die Anzahl der Bewilligungen festzulegen, die höchstens erteilt werden dürfen. Sie hat dabei die Entwicklung eines geordneten Arbeitsmarktes sicherzustellen und auf den Wohnungsmarkt, die Möglichkeiten, insbesondere im Bereich des Schul- und Gesundheitswesens, auf die allgemeine innerstaatliche demographische Entwicklung sowie auf die Zahl der Fremden, die sich in Österreich bereits niedergelassen haben, auf die Zahl der Asylwerber und auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit Bedacht zu nehmen. Die Zahl der Personen, denen im jeweils vorangegangenen Kalenderjahr Asyl gewährt wurde, und der Personen, denen im Rahmen der Familienzusammenführung der Aufenthalt zu gestatten ist, sind bei der Festlegung der Zahl anzurechnen.

(2) Die Bundesregierung hat in dieser Verordnung im Interesse einer den Möglichkeiten und Erfordernissen (Abs1) der einzelnen Länder entsprechenden Verteilung von Fremden im Bundesgebiet die Bewilligungen auf die Länder aufzuteilen. Der Landeshauptmann eines Landes, in dem die Zahl der in diesem Land bereits niedergelassenen Fremden den Bundesdurchschnitt erheblich übersteigt, kann die Ausschöpfung der für dieses Bundesland vorgesehenen Zahl von Bewilligungen unter Bedachtnahme auf §3 und die in Abs1 angeführten Möglichkeiten und Erfordernisse mit Verordnung regeln.

(3) Die Bundesregierung kann in dieser Verordnung

1. die Zahl von Bewilligungen bestimmen, die gemäß §7 Abs1 unter den dort festgelegten Voraussetzungen im Wege der Arbeitsmarktverwaltung erteilt werden dürfen und

2. entsprechend den Erfordernissen der österreichischen Wirtschaft Gruppen von Fremden bezeichnen, die insbesondere im Hinblick auf ihre Ausbildung, Kenntnisse oder Erfahrung oder im Hinblick auf den Transfer von Investitionskapital in bestimmten Wirtschaftszweigen nach Österreich bei der Erteilung von Bewilligungen bevorzugt zu berücksichtigen sind, sowie allgemein oder für bestimmte Gruppen von Fremden Altersgrenzen festsetzen.

(4) Vor Erlassung der Verordnung gemäß Abs1 sind die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, der Österreichische Gemeindebund, der Österreichische Städtebund, der österreichische Gewerkschaftsbund, die Österreichische Industriellenvereinigung und das Österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut zu hören. Den Ländern ist die Möglichkeit zu geben, konkrete Vorschläge, insbesondere was die Zahl der Bewilligungen betrifft, zu machen, auf die bei Erlassung der Verordnung Bedacht zu nehmen ist.

(5) Die Verordnung gemäß Abs1 ist jeweils so rechtzeitig zu erlassen, daß sie mit Beginn des folgenden Jahres in Kraft treten kann. Wird diese Verordnung nicht rechtzeitig erlassen, so ist die bisher geltende Verordnung bis zur Erlassung einer neuen Verordnung weiter anzuwenden.

(6) Sofern eine wesentliche Änderung der Umstände dies notwendig macht, hat die Bundesregierung diese Verordnung auch während ihrer Geltungsdauer unter Beachtung der Abs1 bis 4 abzuändern."

"§9

(1) Der Bundesminister für Inneres hat dafür zu sorgen, daß die gemäß §2 festgelegte Anzahl von Bewilligungen nicht überschritten wird. Zu diesem Zweck hat er ein erforderlichenfalls auch automationsunterstütztes Register zu führen, in das alle in dem betreffenden Jahr erteilten Bewilligungen unverzüglich mit Angabe des Geschlechts, Alters, Berufes und Staatsangehörigkeit der Fremden, denen eine Bewilligung erteilt wurde, einzutragen sind. Wird die für dieses Jahr festgelegte Anzahl erreicht, so hat der Bundesminister für Inneres den Bundesminister für Arbeit und Soziales und alle Landeshauptmänner unverzüglich fernschriftlich oder im Wege der Datenfernübertragung zu verständigen.

(2) Die gemäß §6 Abs4 und §7 Abs1 zuständigen Behörden haben den Bundesminister für Inneres unverzüglich und laufend fernschriftlich oder im Wege der Datenfernübertragung über die von ihnen erteilten Bewilligungen mit Angabe des Geschlechts, Alters, Berufes und Staatsangehörigkeit der Fremden, denen eine Bewilligung erteilt wurde, zu informieren.

(3) Sobald die gemäß §2 Abs1 festgelegte Anzahl erreicht ist, dürfen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß §3 ist auf das folgende Jahr zu verschieben; andere anhängige Anträge sind abzuweisen."

b) Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits in seinem Erk. B1911/93 vom 2. Juli 1994, auf dessen Entscheidungsgründe hingewiesen wird, mit dem BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, auseinandergesetzt und hat aus dessen ArtI Abs1 das (auch an den Gesetzgeber gerichtete) Verbot abgeleitet, sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Regelungen für Staatsangehörige verschiedener Staaten zu treffen. Über diesen Standpunkt hinaus (den der Gerichtshof in der soeben zitierten Entscheidung bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung eines Sichtvermerksabkommens eingenommen hat) ist der Verfassungsgerichtshof unter Berücksichtigung der im ersten Satz der eben angeführten Verfassungsvorschrift enthaltenen Bezugnahme auf Art7 B-VG der Meinung, daß ArtI Abs1 (auch) das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot enthält, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Mit anderen Worten ausgedrückt: ArtI Abs1 des BVG BGBl. 390/1973 enthält - über Art7 B-VG hinausgehend und diesen gleichsam erweiternd - ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden; deren Ungleichbehandlung ist (wie schon im rechtswissenschaftlichen Schrifttum dargetan wurde) also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist (s. dazu Korinek,

Der gleichheitsrechtliche Gehalt des BVG gegen rassische Diskriminierung, in FS Rill (1995) S. 183 ff, hier S. 187 f, mit weiteren Literaturangaben, so den Hinweis auf Adamovich/Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3, S. 366f, wonach "... der Gleichheitsgrundsatz wenigstens zu einem gewissen Grad auch auf Ausländer ausgedehnt worden (ist), insbesondere auf das Verhältnis der Ausländer zueinander" (Hervorhebung im Original)).

3. Es ist nun keineswegs sachfremd, die Einwanderungspolitik auch in der Weise zu steuern, daß jährlich bloß einer beschränkten Zahl von Fremden die Bewilligung erteilt wird, in Österreich den ordentlichen Wohnsitz (im Hinblick auf ArtVIII des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. 505/1994, fortan: den Hauptwohnsitz) zu begründen. Dieses System der zahlenmäßigen Beschränkung (Quotensystem) bringt es geradezu notwendig mit sich, daß ein bestimmter Teil grundsätzlich gleichgelagerter Einwanderungsfälle unterschiedlich behandelt, also je nachdem positiv oder negativ erledigt wird, ob die nach dem jeweiligen Bundesland in Betracht kommende Quote schon ausgeschöpft ist oder nicht. Es erschiene jedoch im Hinblick auf die gleiche Lagerung von Immigrationsfällen als sachfremd, das endgültige Schicksal des Begehrens um Bewilligung der Einwanderung nach Österreich an den bloßen Umstand der Ausschöpfung der Quote zum Entscheidungszeitpunkt zu knüpfen: Ein verfassungskonformes Verständnis des §9 Abs3, demzufolge (die nicht nach §3 privilegierten) anhängigen Anträge abzuweisen sind, führt zur Auffassung, daß sich die Rechtskraft des abweisenden, die Bewilligung also versagenden Bescheides nur auf die Beurteilung des Bewilligungsantrags in Beziehung auf die konkrete, zum Entscheidungszeitpunkt geltende und daher maßgebende Verordnung erstreckt; maW es dem Bewilligungswerber anheimgestellt ist, sich neuerlich um die Bewilligungserteilung im Rahmen einer anderen, durch eine spätere Verordnung festgelegte Quote zu bewerben (wobei die Behörde gehalten ist, insbesondere jene Umstände zu berücksichtigen, die schon im früheren Verfahren vorlagen und grundsätzlich für die Bewilligungserteilung gesprochen hätten). In diesem Zusammenhang ist in Ansehung des Falls eines Bewilligungswerbers, dessen Ansuchen zu Unrecht abgewiesen und darob der abweisende Bescheid aufgehoben wurde, noch anzumerken, daß ein solcher Antragsteller gleichwohl nach der zum Zeitpunkt der neuen Entscheidung geltenden Quotenverordnung zu behandeln, aber in deren Rahmen bevorzugt zu berücksichtigen wäre.

Auch im übrigen sind - aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalls - verfassungsrechtliche Bedenken gegen das AufG, soweit es der hier maßgebenden Quotenverordnung zugrundeliegt, ebensowenig entstanden wie Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der den angefochtenen Bescheid inhaltlich bestimmenden Verordnung BGBl. 72/1994.

4. Der in die zuletzt erwähnte Richtung zielende Beschwerdevorwurf kann nicht überzeugen und bietet daher keinen Anlaß zur amtswegigen Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens.

Der Beschwerdeführer kritisiert, daß die (ursprünglich) den Zeitraum 1. Juli 1993 bis 30. Juni 1994 betreffende Verordnung der Bundesregierung BGBl. 402/1993, welche eine Höchstzahl von 20.000 Bewilligungen festlegte, durch die das (Kalender-)Jahr 1994 betreffende Verordnung BGBl. 72/1994 ersetzt wurde, derzufolge höchstens 14.900 Bewilligungen erteilt werden durften. Sein Vorbringen, die in §2 Abs6 AufG für eine Abänderung der Verordnung während ihrer Geltungsdauer erforderliche "wesentliche Änderung der Umstände" sei nicht eingetreten, ist jedoch nachweislos geblieben und vermag daher eine gesetzwidrige Verordnungserlassung nicht darzutun. Dies gilt sowohl für die in völlig allgemeiner Weise aufgestellte Behauptung, daß ein wirtschaftlicher Aufschwung einen zusätzlichen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften zur Folge habe, als auch für den nicht weiter erörterungsbedürftigen Vorwurf, daß eine restriktive Einwanderungspolitik katastrophale Auswirkungen auf die österreichische Volkswirtschaft" habe und "den Stillstand jeglicher Bautätigkeit, aber auch den Zusammenbruch vieler anderer Branchen nach sich ziehen würde".

5. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß dem angefochtenen Bescheid keine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung zur Last fällt. Die Beschwerde war sohin abzuweisen, wobei im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer ausschließlich eine Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend machte, im Sinne der ständigen Rechtsprechung (zB VfSlg. 10981/1986) eine weitergehende Prüfung des bekämpften Bescheides zu entfallen hatte.

III. Diese Entscheidung wurde

gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte