Spruch:
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit 18.000.- S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres wurde der Antrag der sich seit dem Jahr 1991 rechtmäßig in Österreich aufhaltenden Beschwerdeführerin auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung unter Berufung auf §5 Abs1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG, BGBl. 466/1992, idF vor der Novelle BGBl. 351/1995, abgewiesen. Die Behörde begründete die Versagung der Aufenthaltsbewilligung im wesentlichen damit, daß das Einkommen der - Lehrlingsentschädigung beziehenden - Beschwerdeführerin nicht ausreiche, um ihren Lebensunterhalt für die angestrebte Aufenthaltsdauer zu gewährleisten. Zur weiteren Begründung des Vorliegens des Versagungstatbestandes des für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten Lebensunterhalt iS des §5 Abs1 AufG wird wie folgt ausgeführt:
"Gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, macht es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Ist der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, so darf gemäß §5 Abs1 des Aufenthaltsgesetzes eine Bewilligung nicht erteilt werden."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
Der Bundesminister für Inneres als jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, legte die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.a) Der angefochtene, eine Aufenthaltsbewilligung nach dem AufG versagende Bescheid greift in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin, die sich seit mehreren Jahren rechtmäßig in Österreich aufhält, ein.
b) Ein Eingriff in dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Recht ist dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage erging, auf einer dem Art8 EMRK widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise anwendete. Ein solcher Fall liegt nur vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler beging, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist, oder wenn sie der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art8 Abs1 EMRK widersprechenden und durch Art8 Abs2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellte (vgl. VfSlg. 11638/1988).
c) Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16.3.1995, B2259/94, mit näherer Begründung dargelegt hat, ist die Behörde auch bei Anwendung der in §5 Abs1 AufG besonders hervorgehobenen Versagungstatbestände der für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten ortsüblichen Unterkunft oder des nicht gesicherten Lebensunterhaltes in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen wird, verhalten, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den in Art8 Abs2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die familiären und sonstigen privaten Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen.
d) Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall, dem ein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung einer Fremden zugrundelag, die sich bereits seit mehreren Jahren rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat, die Versagung der Aufenthaltsbewilligung auf den in §5 Abs1 AufG normierten Versagungstatbestand des für die angestrebte Aufenthaltsdauer nicht gesicherten Lebensunterhaltes gestützt und die Versagung - in offensichtlicher Verkennung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes - ausschließlich mit einem Hinweis auf die Notwendigkeit der sorgfältigen Steuerung der weiteren Zuwanderung von Fremden begründet. Sie hat damit die im Sinne des Art8 EMRK gebotene Interessenabwägung in Wahrheit nicht vorgenommen.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer von je 3.000,-- S enthalten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
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