VfGH B1056/93

VfGHB1056/931.3.1994

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Kaufvertrags aufgrund der denkmöglichen Annahme einer erheblichen Übersteigung des ortsüblichen Verkehrswertes iSd §3 Abs2 lith Nö GVG 1989; keine Bedenken gegen diese Bestimmung

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Nö GVG 1989 §3 Abs2 lith
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Nö GVG 1989 §3 Abs2 lith

 

Spruch:

Der beschwerdeführende Bund (Österreichische Bundesforste) ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der beschwerdeführende Bund (Österreichische Bundesforste) erwarb mit Kaufvertrag die aus mehreren Grundstücken bestehende Liegenschaft EZ 296, Grundbuch 04308 Fahrafeld, im Gesamtausmaß von 58.737 m2 zu einem Preis von 1,585.899 S.

Die Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirksbauernkammer Pottenstein am Sitz der Bezirkshauptmannschaft Baden versagte dem Kaufvertrag unter Berufung auf §3 Abs1 und 2 lita des NÖ Grundverkehrsgesetzes 1989, LGBl. 6800-0 (im folgenden: NÖ GVG 1989), die Zustimmung.

Der vom Käufer gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung gab die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung unter Berufung auf §66 Abs4 AVG iVm §2 Abs1, §3 Abs1 und 2 lita, c und h sowie §11 Abs9 NÖ GVG 1989 keine Folge.

2. Gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission richtet sich die ausschließlich vom Käufer erhobene, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung insbesondere der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3. Die Grundverkehrs-Landeskommission hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Der beschwerdeführende Bund (Österreichische Bundesforste) hat auf die Ausführungen in der Gegenschrift repliziert.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige -

Beschwerde erwogen:

1. Die für den angefochtenen Bescheid inhaltlich bedeutsamen

Vorschriften des NÖ GVG 1989 lauten:

"§1

Begriffsbestimmungen

...

2. Landwirt (Voll-, Zu- oder Nebenerwerbslandwirt) ist, wer

a) einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb als selbständige Wirtschaftseinheit persönlich (d.h. allein oder zusammen mit Familienangehörigen und/oder landwirtschaftlichen Dienstnehmern) bewirtschaftet und daraus seinen und den Lebensunterhalt seiner Familie zumindest zu einem erheblichen Teil bestreitet;

b) nach Erwerb einer land- oder forstwirtschaftlichen Liegenschaft einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb als

selbständige Wirtschaftseinheit persönlich (allein oder zusammen mit Familienangehörigen und/oder landwirtschaftlichen Dienstnehmern) bewirtschaften und daraus seinen und den Lebensunterhalt seiner Familie zumindest zu einem erheblichen Teil bestreiten will, wenn er

aa) diese Absicht durch ausreichende Gründe belegen und

bb) aufgrund praktischer Tätigkeit oder fachlicher Ausbildung die dazu erforderlichen Fähigkeiten glaubhaft machen kann.

3. Interessenten sind

a) Landwirte, die bereit sind, anstelle des Erwerbers oder des Nutzungsberechtigten ein gleichartiges Rechtsgeschäft unter Lebenden über die land- oder forstwirtschaftliche Liegenschaft abzuschließen, wenn sie glaubhaft machen, daß die Bezahlung des ortsüblichen Verkehrswertes oder Pachtzinses und die Erfüllung sonstiger ortsüblicher und für den Verkäufer (Verpächter) Fruchtgenußgeber u.dgl. lebensnotwendiger Vertragsbedingungen gewährleistet ist;

...

§2

Beschränkungen des Verkehrs mit land-

oder forstwirtschaftlichen Liegenschaften

(1) Rechtsgeschäfte unter Lebenden über land- oder forstwirtschaftliche Liegenschaften bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde, wenn sie zum Gegenstand haben:

- die Übertragung des Eigentums,

...

§3

Voraussetzungen für die Zustimmung

(1) Die Grundverkehrsbehörde hat einem Rechtsgeschäft die Zustimmung zu erteilen, wenn es dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes nicht widerstreitet. Soweit ein solches Interesse nicht besteht, hat die Grundverkehrsbehörde dem Rechtsgeschäft auch dann die Zustimmung zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerstreitet.

(2) Ein solcher Widerstreit ist jedenfalls gegeben, wenn

a) Der Erwerber, Pächter oder Fruchtgenußberechtigte einer Liegenschaft kein Landwirt ist und ein oder mehrere Interessenten vorhanden sind;

...

c) das Interesse an der Stärkung oder Schaffung eines oder mehrerer bäuerlicher Betriebe das Interesse an der Verwendung aufgrund des vorliegenden Vertrages überwiegt und Interessenten vorhanden sind;

...

h) die Gegenleistung den ortsüblichen Verkehrswert, bei Pachtverträgen den ortsüblichen Pachtzins ohne ausreichende Begründung erheblich übersteigt;

..."

2. Die belangte Behörde hat, indem sie der Berufung des beschwerdeführenden Bundes (Österreichische Bundesforste) keine Folge gab, einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen (s. zB VfSlg. 5970/1969, 6016/1969, 8084/1977), mit dem sie der beabsichtigten Eigentumsübertragung die Zustimmung versagte. Während jedoch die Behörde erster Instanz die Versagung der Zustimmung lediglich auf den besonderen Versagungstatbestand des §3 Abs2 lita NÖ GVG 1989 stützte - danach ist ein Widerstreit mit den durch §3 Abs1 NÖ GVG 1989 geschützten Interessen jedenfalls gegeben, wenn der Erwerber einer Liegenschaft kein Landwirt ist und ein oder mehrere Interessenten vorhanden sind -, sah die belangte Behörde überdies die besonderen Versagungstatbestände der litc und der lith des §3 Abs2 NÖ GVG 1989 als gegeben an. Sie ging demnach insbesondere davon aus, daß das Interesse an der Stärkung zweier bäuerlicher Betriebe, deren Eigentümer im Verfahren als Interessenten aufgetreten waren, das Interesse an der Verwendung aufgrund des vorliegenden Vertrages überwiegt (litc) und daß ferner die Gegenleistung den ortsüblichen Verkehrswert ohne ausreichende Begründung erheblich übersteigt (lith).

3.a) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zur Übertragung des Eigentums an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken vom bisherigen Eigentümer auf den Erwerber wird sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber in der Ausübung privater, den Schutz des Art5 StGG genießender Rechte beschränkt und somit ein Eingriff in das Eigentum bewirkt (vgl. zB VfSlg. 7539/1975 und die dort zitierte Vorjudikatur; VfSlg. 10565/1985 mwH, 11756/1988).

Ein solcher Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 9790/1983, 11413/1987, 12119/1989, S. 14) dann verfassungswidrig, wenn der Bescheid entweder ohne jede gesetzliche Grundlage oder unter Heranziehung eines verfassungswidrigen Gesetzes erlassen worden wäre, wobei die denkunmögliche Anwendung des Gesetzes als Gesetzlosigkeit anzusehen ist. Ein derartiger Fall läge nur dann vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. etwa VfSlg. 9693/1983, 10566/1985).

b) Der angefochtene Bescheid stützt sich, wie erwähnt, unter anderem auf den besonderen Versagungstatbestand des §3 Abs2 lith NÖ GVG 1989: Die belangte Behörde ging davon aus, daß die Gegenleistung den ortsüblichen Verkehrswert ohne ausreichende Begründung erheblich übersteigt.

Gegen diese Vorschrift bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (s. in diesem Zusammenhang etwa das zur wortgleichen Bestimmung des §8 Abs2 liti des (NÖ) Grundverkehrsgesetzes 1964 ergangene Erkenntnis VfSlg. 5831/1968; vgl. etwa auch die Erkenntnisse VfSlg. 6572/1971 und 7539/1975; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des §1 Z2 lita und b sowie des §3 Abs1 und 2 lita und c NÖ GVG 1989 vgl. das Erkenntnis vom 23.3.1993, B635/92, und die dort zitierte Judikatur und Literatur).

c) Die belangte Behörde hat diese Vorschrift aber auch nicht denkunmöglich angewendet:

Bereits die Grundverkehrsbehörde erster Instanz ging in der Begründung ihres Bescheides - wenngleich in einem anderen als dem hier maßgeblichen Zusammenhang - davon aus, daß der im gegenständlichen Kaufvertrag mit S 27.-/m2 festgelegte Kaufpreis den (mit 10.- bis 15.- S/m2 geschätzten) ortsüblichen Verkehrswert "weit" übersteige. Die belangte Behörde, die das Ermittlungsverfahren durch Einholung eines Gutachtens eines landwirtschaftlichen und eines forstwirtschaftlichen Amtssachverständigen ergänzt hatte, gelangte zum selben Ergebnis, wobei sie, diesem Gutachten folgend, von einem durchschnittlichen ortsüblichen Verkehrswert von S 17,16/m2 (unter Berücksichtigung der inzwischen erfolgten Einzäunung des Kaufgrundstückes von einem Verkehrswert von S 20,04/m2) ausging und die Auffassung vertrat, daß das Interesse des Käufers (an der durch den Erwerb bewirkten Arrondierung) den überhöhten Kaufpreis nicht (iS des §3 Abs2 lith NÖ GVG 1989 ausreichend) zu begründen vermöge.

Wenn die Beschwerde auf der Grundlage des von der belangten Behörde angenommenen ortsüblichen Verkehrswertes von S 20,04/m2 dessen Überschreitung um S 6,96/m2 im Gegensatz zu der im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung als "durchaus begründet" bezeichnet, wird damit eine allenfalls unrichtige, nicht aber eine denkunmögliche - der Gesetzlosigkeit gleichkommende - Gesetzesanwendung dargetan.

Der beschwerdeführende Bund (Österreichische Bundesforste) wurde somit durch den angefochtenen Bescheid, soweit mit ihm die grundverkehrsbehördliche Zustimmung unter Berufung auf §3 Abs2 lith NÖ GVG 1989 versagt wurde, nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

4. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des §3 Abs2 lith NÖ GVG 1989 und da es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß die belangte Behörde dieser Bestimmung fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat - was auch in der Beschwerde nicht behauptet wird -, konnte der beschwerdeführende Bund (Österreichische Bundesforste) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides, soweit sich dieser auf die erwähnte gesetzliche Bestimmung stützt, Willkür geübt hätte (s. etwa VfSlg. 8428/1978, 9127/1981). Daß dies nicht der Fall gewesen ist, ergibt sich bereits aus den Ausführungen unter II.3.c).

5. Da die belangte Behörde, wie sich aus dem bisher Dargelegten ergibt, die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auf die - verfassungsrechtlich unbedenkliche - Vorschrift des §3 Abs2 lith NÖ GVG 1989 stützen konnte, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob allenfalls auch die Versagungsgründe nach §3 Abs2 lita und nach §3 Abs2 litc NÖ GVG 1989 in denkmöglicher Weise herangezogen wurden.

6. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der beschwerdeführende Bund (Österreichische Bundesforste) in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist.

Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art133 Z4 B-VG nicht zulässig ist (s. zB VfSlg. 11754/1988).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte