Normen
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
Tir GVG 1983 §13
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
Tir GVG 1983 §13
Spruch:
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Kaufvertrag vom 5. Dezember 1990 und 17. Jänner 1991 sowie mit Kaufvertrag vom 17. Jänner 1991 erwarb die beschwerdeführende Gesellschaft mit beschränkter Haftung jeweils Miteigentumsanteile an einer Liegenschaft in Seefeld, mit denen das Wohnungseigentum an zwei Wohnungen eines Appartementhauses im Ausmaß von 187 m2 und 207 m2 untrennbar verbunden ist.
Die Grundverkehrsbehörde Seefeld stellte mit zwei Bescheiden vom 24. Juni 1991 gemäß §2 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 (für den Bescheid II. Instanz ist auch das Landesgesetz LGBl. für Tirol 74/1991 von Belang; im folgenden: GVG 1983), antragsgemäß fest, daß diese Rechtserwerbe den Bestimmungen des GVG 1983 nicht unterliegen.
2. Über fristgerechte Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten behob die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung die genannten Bescheide wegen Unzuständigkeit und wies die Anträge auf Ausstellung einer Negativbestätigung bzw. auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung mit Bescheid vom 10. Mai 1993 gemäß §6 Abs1 AVG iVm. §3 Abs1 GVG 1983 mit der Begründung zurück, die Rechtserwerbe seien als nichtige Umgehungsgeschäfte anzusehen, um einem der Gesellschafter der beschwerdeführenden Gesellschaft, einem deutschen Staatsangehörigen, de facto Wohnungseigentum zu verschaffen. Da Rechtserwerbe iSd. §3 Abs1 GVG 1983 nicht vorlägen, mangle es der Grundverkehrsbehörde "an der Zuständigkeit zur Fällung jeglicher Entscheidung."
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
4. Die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.
5. In einer Replik bekräftigte die beschwerdeführende Gesellschaft ihre Rechtsstandpunkte.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften trägt die Beschwerde keine Bedenken vor; solche sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden (vgl. zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des §3 Abs1 lita GVG 1983 zuletzt etwa VfSlg. 13032/92, VfGH 29.9.1992, B380/92, 22.3.1993, B1006/92, uva.).
Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.
2.1. Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art83 Abs2 B-VG erachtet sich die beschwerdeführende Gesellschaft in erster Linie deswegen verletzt, weil die belangte Behörde nach Schluß der mündlichen Verhandlung in geänderter Zusammensetzung beraten und ihre Entscheidung gefaßt habe.
2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG (auch) durch unrichtige Zusammensetzung einer an sich zuständigen Kollegialbehörde verletzt (VfSlg. 11336/1987, 12280/1990, 12957/1991). Daran anknüpfend sprach der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt aus, daß sogenannte "Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag" iSd. Art133 Z4 B-VG angesichts ihrer gerichtsähnlichen Stellung in der Frage der Zusammensetzung zur Durchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln wie kollegial besetzte Gerichte unterworfen sind. Ihre Mitglieder dürfen also jedenfalls in diesem Verfahrensstadium nicht mehr ausgewechselt werden. Das bedeutet zugleich, daß zur Sachentscheidung nur jene Kommissionsmitglieder berufen sind, die an der letzten Verhandlung teilgenommen haben. Eine Auswechslung des einen oder anderen Mitgliedes nach Schluß der Verhandlung bloß zur Mitwirkung an der Entscheidungsfindung ist jedenfalls unzulässig, also auch dann, wenn nicht in der Verhandlung oder im Anschluß daran, sondern erst in einer späteren nichtöffentlichen Sitzung entschieden wird (vgl. VfSlg. 11336/1987).
2.3. Die belangte Behörde brachte nun in ihrer Gegenschrift vor, daß sie die angefochtene Entscheidung erst nach Neudurchführung der Verhandlung am 22. Oktober 1992 gefällt habe und führte hiezu ihre diesbezügliche Niederschrift ins Treffen. Aus dieser geht hervor, daß die Landesgrundverkehrsbehörde gegenüber der Sitzung vom 21. Mai 1992 eine geänderte Zusammensetzung aufwies und daß das Fernbleiben von Parteien damit begründet wurde, daß es sich um eine nichtöffentliche Sitzung handle. Hinzu tritt, daß sich für diesen Sitzungstermin - anders als für jenen vom 21. Mai 1992 - aus dem Akt weder ergibt, daß ein Verhandlungstermin ausgeschrieben wurde, noch daß eine Ladung der Parteien erfolgte. Es findet sich im Verwaltungsakt (Blatt 120f.) unter dem 2. Juni 1993 nur eine als "Antrag" bezeichnete Eingabe des Rechtsvertreters der beschwerdeführenden Gesellschaft an die belangte Behörde, wonach unter Hinweis auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 1992 und die inzwischen erfolgte Urkundenvorlage auf eine Entscheidung gedrängt wird.
Der Verfassungsgerichtshof wertet deshalb die Sitzung der Landesgrundverkehrsbehörde vom 22. Oktober 1992 als eine allein der Beratung und Beschlußfassung dienende. Angesichts dessen kommt dem Umstand keine Bedeutung zu, daß - wie in besagter Niederschrift ua. festgehalten ist - auf Antrag des Berichterstatters (der überdies in der Niederschrift - anders als im angefochtenen Bescheid - nicht als anwesendes Mitglied geführt ist) die "Neudurchführung der Verhandlung wegen geänderter Zusammensetzung der Kommission" beschlossen und der Sachverhalt sowie die im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholten Gutachten und Stellungnahmen verlesen wurden.
2.4. Daraus folgt, daß die hier entscheidende Kollegialbehörde - die aus Sicht dieser Beschwerdesache auf verfassungsrechtlich unbedenklichen gesetzlichen Grundlagen beruht - in unrichtiger personeller Besetzung einschritt.
Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde deshalb im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Der angefochtene Bescheid war sohin schon allein aus diesem Grunde als verfassungswidrig aufzuheben, ohne daß der Verfassungsgerichtshof darüberhinaus in die Prüfung der weiteren in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen eintreten mußte.
III. 1. Die Kostenentscheidung
stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind S 2.500,-- an Umsatzsteuer enthalten.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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