VfGH G76/92

VfGHG76/9213.3.1993

Abweisung des von einem Drittel der Mitglieder des Wiener Landtags gestellten Antrags auf Aufhebung von Bestimmungen der Wr Stadtverfassung über amtsführende Stadträte; amtsführende Stadträte als eigene, vom Organ Stadtsenat mit seinen Stadträten verschiedene Gemeindeorgane; Bestellung dieser zusätzlichen Gemeindeorgane nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verfassungsgesetzlich nicht geboten; Geltung der Proporzregel nur für den Gemeindevorstand (Stadtsenat); keine Verletzung des Gleichheitsgebotes

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art117 Abs1
B-VG Art117 Abs5
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
VfGG §62 Abs1
Wr Stadtverfassung §8
Wr Stadtverfassung §36 ff
Wr Stadtverfassung §91 Abs3
Wr Stadtverfassung §131a
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art117 Abs1
B-VG Art117 Abs5
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
VfGG §62 Abs1
Wr Stadtverfassung §8
Wr Stadtverfassung §36 ff
Wr Stadtverfassung §91 Abs3
Wr Stadtverfassung §131a

 

Spruch:

Dem Antrag wird, soweit er die teilweise Aufhebung der §§8, 9, 15, 15c, 19, 22, 29, 36, 37, 38, 43, 47, 50, 52, 54, 55a, 56a, 57, 67, 71, 72, 72a, 73, 78, 86, 91, 96, 101, 102, 104, 106 und 120 WStV begehrt, nicht stattgegeben.

Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1.1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehren einundvierzig Mitglieder des Wiener Landtags,

"alle Bestimmungen der Verfassung der Bundeshauptstadt Wien (Wiener Stadtverfassung - WStV) in der Fassung der Wiederverlautbarung LGBl. für Wien Nr. 28/1968, der Kundmachung LGBl. für Wien Nr. 11/1970 und der Gesetze LGBl. für Wien Nr. 33/1976, 19/1977, 12/1978, 30/1979, 30/1983, 33/1984, 34/1984, 11/1987, 32/1987 und 22/1992 (...), all jene Bestimmungen, in denen von 'Amtsführenden Stadträten' die Rede ist, das Wort 'amtsführende' als verfassungswidrig aufzuheben, das (seien) insbesondere 1. in §8 Abs1 Z4 das Wort 'amtsführenden'; 2. in §9 Abs1 das Wort 'amtsführenden'; 3. in §15 Abs2 das Wort 'amtsführenden'; 4. in §15c Abs1 das Wort 'amtsführenden'; 5. in §19 Abs1 das Wort 'Amtsführende' sowie die Worte 'nicht amtsführende' und 'amtsführenden'; 6. in §22 Abs1 das Wort 'amtsführende'; 7. in §22 Abs2 das Wort 'amtsführenden'; 8. in §22 Abs3 das Wort 'amtsführenden'; 9. in §29 Abs2 das 'amtsführenden'; 10. in §36 aus der Überschrift das Wort 'Amtsführende' sowie die letzten Worte: 'und dem der Titel 'amtsführender Stadtrat' zukommt.' 11. In §37 aus der Überschrift 'amtsführender', in Abs1 die Worte 'amtsführenden', 'amtsführende', in Abs2 das Wort

'amtsführenden'; 12. in §38 aus der Überschrift das Wort 'amtsführenden', aus dem Text die Worte 'amtsführenden', 'amtsführenden', 'amtsführende', 'amtsführender', 'amtsführenden';

  1. 13. in §43 Abs1 die Worte 'amtsführenden' und 'amtsführenden';
  2. 14. in §47 Abs2 das Wort 'amtsführenden'; 15. in §50 Abs1 'amtsführenden', in Abs2 das Wort 'amtsführende'; 16. in §52 Abs1 das Wort 'amtsführenden' und in Abs2 'amtsführende';

    17. in §54 das Wort 'amtsführenden'; 18. in §55a Abs1 das Wort 'amtsführende' und Abs2 das Wort 'amtsführende'; 19. in §56a Abs2 das Wort 'Amtsführende' und in Abs4 das Wort

    'amtsführenden'; 20. in §57 Abs2 das Wort 'amtsführende'; 21. in §67 Abs1 das Wort 'amtsführenden'; 22. in §71 Abs4 Z4 das Wort 'amtsführenden' und in Z6 das Wort 'amtsführenden'; 23. in §72 das Wort 'amtsführenden'; 24. in §72a das Wort 'amtsführenden'; 25. in §73 Abs6 das Wort 'amtsführenden' und in Abs7 das Wort 'amtsführenden'; 26. in §78 das Wort 'amtsführenden'; 27. in §86 Abs1 das Wort 'amtsführende'; 28. in §91 Abs3 das Wort 'amtsführenden'; 29. in §96 das Wort 'amtsführenden'; 30. in §101 Abs1 das Wort 'amtsführenden';

    31. in §102 Abs1 das Wort 'amtsführende'; 32. in §104 das Wort 'amtsführenden'; 33. in §106 Abs3 das Wort 'amtsführender' und in Abs4 das Wort 'amtsführenden'; 34. in §120 das Wort 'amtsführenden';".

1.1.1.2. Sie begründen ihren Antrag - zusammengefaßt - wie folgt:

Die Verfassung der Bundeshauptstadt Wien "ermögliche ... zwei

... Klassen von Stadträten: Amtsführende und sonstige". Nach der

WStV habe der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art117 Abs5 B-VG) nur für die dem Gemeinderat obliegende Wahl der Stadträte (Stadtsenat) Geltung, nicht aber für die ebenfalls dem Gemeinderat übertragene Wahl der "amtsführenden Stadträte" über Vorschlag des Stadtsenats, für die eine einfache Stimmenmehrheit ausreiche. Aufgrund des Art112 B-VG und aus den Materialien zur B-VG-Novelle 1962 ergebe sich, daß "die Stadt Wien ... als Gemeinde dieselbe Stellung wie jede andere Gemeinde auch (habe), das heiß(e): Die Verhältnismäßigkeitsregel des Art117 Abs5 B-VG (müsse - inhaltlich verstanden -) nicht nur für die Zusammensetzung des Stadtsenats, sondern auch für die verhältnismäßige Teilnahme jedes einzelnen Mitglieds des Stadtsenats, also jedes Stadtrats, an den Verwaltungsgeschäften der Stadt Wien" gelten, gewähre somit allen Stadträten in "qualitativer Gleichheit" sog. "Ämter mit Amtsführung". Der Landesgesetzgeber habe in der WStV das Institut der amtsführenden Stadträte offenkundig nicht an den mit der Gemeinde-Verfassungsnovelle 1962 neu geschaffenen Art117 Abs5 B-VG angepaßt.

"Für die Differenzierung in zwei Klassen von Stadträten und die

damit verbundene Diskriminierung der 'Minderheitsstadträte' (gebe)

es keine sachliche Rechtfertigung", weshalb "alle Bestimmungen (der

WStV), die 'einfache Stadträte' den 'amtsführenden Stadträten'

nicht gleichsetz(t)en, ... gleichheits- und damit verfassungswidrig

(seien)".

"Schließlich fehl(e) es auch an einer inhaltlichen Bestimmtheit

der WStV ... im Bezug auf Kriterien für den Vorschlag des

Stadtsenats und im Bezug auf die Wahl der amtsführenden Stadträte

durch den Gemeinderat. Stadtsenat und Gemeinderat (seien) aber

Verwaltungsorgane, die ihre Tätigkeit nur aufgrund

inhaltsbestimmter Gesetze ausüben dürf(t)en".

1.1.2.1. Die Wiener Landesregierung erstattete (aufgrund ihres Beschlusses vom 2. Juni 1992) eine Äußerung, in der sie für eine Zurückweisung, in eventu für die Abweisung des Antrags eintrat.

1.1.2.2. Die Landesregierung führt darin - gerafft wiedergegeben - aus:

"Bei den amtsführenden Stadträten hand(le) es sich nicht um eine Klasse von Stadträten, sondern um eigene - in einem eigenständigen Verfahren zu wählende - Organe der Gemeinde (§8 Abs1 Z4 WStV)". Der Bundes-Verfassungsgesetzgeber habe dem Gemeindevorstand weder "einen bestimmten Anteil an der Besorgung der Gemeindeaufgaben zugewiesen" noch dem Gemeinderechtsgesetzgeber die Schaffung weiterer, "im Minimalprogramm" des Art117 Abs1 B-VG nicht erwähnter Gemeindeorgane verwehrt. Solche (weiteren) Organe seien die amtsführenden Stadträte nach der WStV. Der Landesgesetzgeber habe weitestgehend "freie Hand bei der Aufgabenzuteilung" an die einzelnen von ihm vorgesehenen Gemeindeorgane. Aus der Verpflichtung zur Einrichtung des Gemeindevorstands sei aber abzuleiten, daß diesem Organ ein gewisser "Kernbereich von Zuständigkeiten" (vor allem für jene auch vom Gemeinderat zu behandelnden "Angelegenheiten, bei denen die Meinungsvielfalt aufgrund des Proporzprinzips gleichsam geboten erscheint") zugewiesen werden müsse, was für den Stadtsenat nach der WStV jedenfalls zutreffe. Das Proporzgebot des Art117 Abs5 B-VG beziehe sich schon nach dem klaren Wortlaut dieser Verfassungsbestimmung nur auf den Gemeindevorstand (allenfalls den Stadtsenat), nicht aber auf andere Gemeindeorgane. Dieses Ergebnis könne auch aus der Entstehungsgeschichte der B-VG-Novelle 1962 abgeleitet werden sowie schließlich aus einer gesetzessystematischen Betrachtung.

Die "vermeintlichen Ungleichheiten" (zwischen amtsführenden und sonstigen Stadträten) entstünden dadurch, daß die amtsführenden Stadträte "eigene Organe" seien, deren Aufgaben "andere Verantwortlichkeiten und Repräsentationen in weiteren Gemeindeorganen" erforderten.

Für die Rechtslage nach der WStV sei schließlich zu sagen, daß "das Bestimmtheitsgebot des B-VG ..., soweit es für Wahlen und Vorschlagsrechte bestehe ..., erfüllt (sei). Insbesondere (seien die zuständigen) Organe ... und das Verfahren der Willensbildung eindeutig festgelegt".

1.2. Der in den Abschnitt C ("Gemeinden") des Vierten Hauptstücks des B-VG eingereihte Art117 Abs1 lautet:

" Als Organe der Gemeinde sind jedenfalls vorzusehen:

a) der Gemeinderat, das ist ein von den Wahlberechtigten der Gemeinde zu wählender allgemeiner Vertretungskörper;

b) der Gemeindevorstand (Stadtrat), bei Städten mit eigenem Statut der Stadtsenat;

c) der Bürgermeister."

Gemäß Art117 Abs5 B-VG haben im Gemeinderat vertretene Wahlparteien nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand.

Art112 B-VG bestimmt:

"Nach Maßgabe der Artikel 108 bis 111 gelten für die Bundeshauptstadt Wien im übrigen die Bestimmungen des Abschnittes C dieses Hauptstückes mit Ausnahme des Artikels 119 Abs4 und des Artikels 119a. Artikel 142 Abs2 litd findet auch auf die Führung des vom Bund der Bundeshauptstadt Wien übertragenen Wirkungsbereiches Anwendung."

§8 Abs1 Verfassung der Bundeshauptstadt Wien - WStV, LGBl. 1968/28 idF 1992/22, hat folgenden Wortlaut:

"Zur Besorgung der Aufgaben der Gemeinde sind als Organe berufen:

  1. 1. der Gemeinderat,
  2. 2. der Stadtsenat,
  3. 3. der Bürgermeister,
  4. 4. die amtsführenden Stadträte,
  5. 5. die Gemeinderatsausschüsse,
  6. 6. die Kommissionen des Gemeinderates,
  7. 7. die Bezirksvertretungen,
  8. 8. die Bezirksvorsteher,
  9. 9. die Ausschüsse der Bezirksvertretungen,
  10. 10. der Berufungssenat,
  11. 11. der Magistrat."

Gemäß §34 Abs1 WStV haben im Gemeinderat vertretene Wahlparteien

"nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Stadtsenat."

Nach der mit "Amtsführende Stadträte" überschriebenen Vorschrift des §36 WStV wählt der Gemeinderat

"über Vorschlag des Stadtsenates für jede Verwaltungsgruppe einen Stadtrat, der hinsichtlich des eigenen Wirkungsbereiches die Geschäftsgruppe des Magistrates zu leiten hat und dem der Titel 'amtsführender Stadtrat' zukommt."

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Zu den Prozeßvoraussetzungen:

2.1.1. Gemäß §131a WStV (iVm Art140 Abs1 Satz 3 B-VG) steht einem Drittel der Mitglieder des Landtags das Recht zu, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art140 Abs1 B-VG auf Prüfung eines Landesgesetzes wegen Verfassungswidrigkeit zu stellen.

Gemäß §10 Abs2 WStV besteht der Wiener Gemeinderat aus einhundert Mitgliedern. Nach Art108 B-VG (iVm §113 Abs1 WStV) hat der Gemeinderat der Stadt Wien für die Bundeshauptstadt Wien als Land auch die Funktion des Landtags.

Da der vorliegende Antrag von einundvierzig Abgeordneten eingebracht wurde, sind die Voraussetzungen des §131a WStV (iVm Art140 Abs1 Satz 3 B-VG) erfüllt.

2.1.2. Die Landesregierung führt zur Zulässigkeitsfrage aus, der gegenständliche Antrag sei zu eng gefaßt, weil der Gemeinderat auch im Fall einer Aufhebung der bekämpften Bestimmungen der WStV gemäß den im Rechtsbestand verbleibenden §§49 Abs1 und 106 Abs2 WStV eine Anzahl von Verwaltungsgruppen festlegen könnte, die nicht der gemäß §34 Abs2 und 3 WStV zu bestimmenden Anzahl der Stadträte entspreche, so daß auch weiterhin nicht alle Stadträte eine Verwaltungsgruppe leiten müßten.

Dazu langte eine Replik der Antragsteller ein, in der sie dieser Auffassung der Landesregierung zu Recht entgegentreten:

Entfiele nämlich nach den verfassungsrechtlichen Vorstellungen der Antragsteller die Differenzierung zwischen amtsführenden und nicht amtsführenden Stadträten, müßte nach dem so gedachten System die Anzahl der Stadträte mit der Anzahl der Geschäfts- bzw. Verwaltungsgruppen notwendig übereinstimmen.

2.1.3.1. Der Antrag - dem die Rechtsauffassung zugrundeliegt, daß die durch Aufhebung der bekämpften Bestimmungen entstehende Rechtslage die verfassungsgesetzlich einzig mögliche sei - ist zulässig, soweit er die teilweise Aufhebung der §§8, 9, 15, 15c, 19, 22, 29, 36, 37, 38, 43, 47, 50, 52, 54, 55a, 56a, 57, 67, 71, 72, 72a, 73, 78, 86, 91, 96, 101, 102, 104, 106 und 120 WStV begehrt.

2.1.3.2. Soweit aber darüber hinaus beantragt wird, "alle Bestimmungen der Verfassung der Bundeshauptstadt Wien ..., all jene Bestimmungen, in denen von 'Amtsführenden Stadträten' die Rede ist, das Wort 'amtsführende' als verfassungswidrig aufzuheben", erweist sich der Antrag als unzulässig, weil er entgegen der Vorschrift des §62 Abs1 Satz 1 VerfGG 1953 jene Vorschriften, deren Aufhebung als verfassungswidrig die Antragsteller begehren, nicht bestimmt bezeichnet; der Verfassungsgerichtshof ist nämlich nicht befugt, Gesetzesvorschriften aufgrund bloßer Vermutungen darüber, welche Normen die Antragsteller ins Auge gefaßt haben könnten, in Prüfung zu ziehen (VfSlg. 8552/1979, 11152/1986; VfGH 26.11.1987 B584/87, G136/87 = VfSlg. 11514/1987 (Rechtssatz) ua).

2.2. Zur Sache selbst:

2.2.1. Vorausgeschickt sei, daß der Verfassungsgerichtshof das in der WStV geschaffene System der "amtsführenden Stadträte" nicht unter allen denkbaren verfassungsrechtlichen Aspekten zu untersuchen hat; die Prüfungsbefugnis des Gerichtshofs beschränkt sich vielmehr nach ständiger Rechtsprechung auf die konkret angefochtenen gesetzlichen Vorschriften und die hiezu in der Anfechtungsschrift vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit sie hinlänglich substantiiert dargelegt wurden (s. §62 Abs1 VerfGG 1953; vgl. VfSlg. 5636/1967, 6563/1971, 8253/1978 uvm.).

2.2.2. Die Stellung der Bundeshauptstadt Wien wird in den Art108 bis 111 B-VG nur soweit geregelt, als sie sich von jener der sonstigen Gemeinden unterscheidet, "im übrigen" aber verweist der von den Antragstellern bezogene Art112 B-VG auf Abschnitt C im Vierten Hauptstück des B-VG. Die dort für die Gemeinden allgemein getroffenen Regelungen gelten "nach Maßgabe der Artikel 108 bis 111", d.h. insoweit auch für Wien, als diese Sonderbestimmungen das zulassen (vgl. Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, 1977, 343). Diese Voraussetzung trifft auf die im Abschnitt C enthaltene Regelung des Art117 Abs1 und 5 B-VG idF der B-VG-Novelle 1962, BGBl. 205, zu, die folglich auch für die Bundeshauptstadt Geltung besitzt.

Nach Art117 Abs1 B-VG hat der Landesgesetzgeber als Organe der Gemeinden "jedenfalls", d.h. mindestens den Gemeinderat, den Gemeindevorstand/Stadtrat (bei Städten mit eigenem Statut (wie etwa Wien; vgl. Art116 Abs3 B-VG; s. Walter- Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7, Rz 867, 872):

Stadtsenat) und den Bürgermeister vorzusehen; ob er darüber hinaus noch weitere (Gemeinde-)Organe schaffen will, steht nach dem klaren Verfassungswortlaut in seinem Belieben (s. dazu die Materialien zur B-VG-Novelle 1962, BGBl. 205, insbesondere die Ausführungen in den EB zur RV 639 BlgNR IX. GP 15, wonach es Aufgabe des Bundes-Verfassungsgesetzgebers ist, dafür Sorge zu tragen, daß ein Minimum von Gemeindeorganen geschaffen wird; vgl. auch VfSlg. 6921/1972).

In Entsprechung des Gebots der Bundesverfassung (Art117 Abs5 B-VG) schreibt §34 Abs1 WStV vor, daß die im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien Anspruch auf proportionale Vertretung im Stadtsenat (§8 Abs1 Z2 WStV) - bestehend aus den Stadträten (§34 Abs2 WStV) - haben.

2.2.3.1. Die Antragsteller leiten aus Art117 Abs5 B-VG die Verfassungswidrigkeit des mit der WStV zusätzlich eingeführten Instituts der "amtsführenden Stadträte" (s. §8 Abs1 Z4 WStV) im wesentlichen mit der Begründung ab, daß die Bestellung (Wahl) dieser Funktionsträger nach dem Mehrheitsprinzip vor sich gehe, obwohl Art117 Abs5 B-VG vorsehe, daß alle Stadträte nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wählen seien; den im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien müsse auch ein Anspruch auf verhältnismäßige Besetzung der "Ämter mit Amtsführung" eingeräumt werden. Sie sind mit dieser Auffassung aber nicht im Recht.

Nach §36 WStV wählt der Gemeinderat über Vorschlag des (gemäß §34 Abs1 WStV proportional zusammengesetzten) Stadtsenats für jede Verwaltungsgruppe einen Stadtrat, "der hinsichtlich des eigenen Wirkungsbereiches die Geschäftsgruppe des Magistrates zu leiten hat und dem der Titel 'amtsführender Stadtrat' zukommt" (Der "amtsführenden Stadträte" in Wien gedenkt im übrigen auch die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 des Bundesgesetzes über Unvereinbarkeiten für oberste Organe und sonstige öffentliche Funktionäre (Unvereinbarkeitsgesetz 1983)). Diese Organe (§8 Abs1 Z4 WStV) sind neben anderen, so auch dem Stadtsenat, bestehend aus den Stadträten (§8 Abs1 Z2 WStV), zur Besorgung der Aufgaben der Gemeinde berufen: Gemäß §67 Abs1 WStV besteht der Magistrat aus dem Bürgermeister, dem Magistratsdirektor und der entsprechenden Anzahl von Bediensteten, aber auch aus den amtsführenden Stadträten, die dem Bürgermeister untergeordnet sind und sich seinen Weisungen unter seiner Verantwortung zu fügen haben (§91 Abs3 WStV).

Angesichts dieser Rechtslage ist aus der dem Gemeinderat aufgegebenen Wahl bestimmter Mitglieder des Stadtsenats zu "amtsführenden Stadträten" entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller zunächst nicht zu folgern, daß diese Stadtsenatsmitglieder in ihrer Eigenschaft als amtsführende Stadträte Aufgaben des Stadtsenats selbst wahrnehmen, die ihnen zur selbständigen Erledigung überlassen wurden. Aus §8 Abs1 Z2 und 4 (iVm den §§36, 78, 91 Abs3, 106 Abs3) WStV ergibt sich vielmehr, daß die amtsführenden Stadträte ungeachtet der personellen Verbindung mit dem Stadtsenat landesgesetzlich vorgesehene besondere Organe der Gemeinde sind, die - verfassungsgesetzlich zulässig - zu jenen (Gemeinde-)Organen hinzutreten, die Art117 Abs1 B-VG (arg. "jedenfalls") als organisatorischen Mindestbestand vorschreibt. So sind die amtsführenden Stadträte - ebenso wie zB alle Beamten und sonstigen Angestellten der Gemeinde und ihrer Anstalten - nach der ausdrücklichen Vorschrift des §91 Abs3 WStV dem (gemäß §90 Abs1 WStV "an der Spitze der Gemeindeverwaltung" stehenden) Bürgermeister "untergeordnet"; sie haben seine Weisungen zu befolgen (s. dazu Welan, Der Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien, 1992, 24 f). Dafür, daß die amtsführenden Stadträte - die zum "Magistrat" gehören und seine Aufgaben (mit-)besorgen (§67 Abs1 WStV) - eigene, vom Organ Stadtsenat mit seinen Stadträten verschiedene (Gemeinde-)Organe sind, spricht letzten Endes auch die Entstehungsgeschichte der maßgebenden Vorschriften der WStV, die schon auf das Gesetz vom 10. November 1920, LGBl. für Wien Nr. 1, womit die Verfassung der Bundeshauptstadt Wien erlassen wurde, und auf das Gesetz vom 29. April 1920, LGBl. für das Land Niederösterreich-Land Nr. 307, über Änderungen des Gemeindestatuts und der Gemeindewahlordnung der Stadt Wien zurückgehen. Die besondere Stellung der amtsführenden Stadträte, bezogen auf die übrigen Mitglieder des Stadtsenats, und ihre Befugnis zur Leitung von Geschäftsgruppen des Magistrats unter der Weisung des Bürgermeisters, weiters ihre ausdrückliche Nennung als Organe der Gemeinde wurden bereits in dieses Gesetz aufgenommen (siehe §§19, 28, 50, 97, 99).

Nur auf den in §117 Abs1 litb B-VG angeführten Gemeindevorstand (Stadtrat) bzw. Stadtsenat erstreckt sich das Proporzgebot der Vorschrift des Art117 Abs5 B-VG, die diesen Gemeindevorstand, aber keine anderen (Gemeinde-)Organe nennt. Art117 Abs5 B-VG ordnet daher nicht an, und zwar auch nicht in Verbindung mit anderen verfassungsgesetzlichen Bestimmungen (Art115 bis 120 B-VG), daß die landesgesetzlich als besondere (Gemeinde-)Organe eingeführten sogenannten amtsführenden Stadträte, die - wie dargelegt - zu den bereits bundes-verfassungsgesetzlich vorgeschriebenen (Gemeinde-)Organen hinzukommen (Gemeinderat (Art117 Abs1 lita B-VG), Gemeindevorstand (Art117 Abs1 litb B-VG) und Bürgermeister (Art117 Abs1 litc B-VG)), nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestellt werden müssen. Der Meinung, daß auch bei der Bestellung solcher sonstiger Organe der Gemeinde die im Proporzregime (des Art117 Abs5 B-VG) zum Ausdruck kommende Pluralität notwendig zu verwirklichen sei (s. dazu Oberndorfer, Stadtrechtsreform in Österreich, 1976, 70), vermag sich der Verfassungsgerichtshof nicht anzuschließen, weil Art117 B-VG insgesamt zeigt, daß die Proporzregel nicht für alle Gemeindeorgane gilt: Nach dem klaren Wortlaut der besonderen Vorschrift des Art117 Abs5 B-VG müssen die im Gemeinderat vertretenen Parteien nur im Gemeindevorstand (Stadtsenat) proportional repräsentiert sein.

2.2.3.2. Soweit die Antragsteller in der landesgesetzlichen Unterscheidung zwischen Stadträten und amtsführenden Stadträten einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art7 Abs1 B-VG erblicken, lassen sie außer Acht, daß alle Mitglieder des Stadtsenats in dieser Funktion die gleiche Rechtsstellung haben. In Wahrheit scheint die Antragsbegründung in Ansätzen offenbar darauf hinauszulaufen, daß die landesgesetzliche Aufgabenverteilung zwischen verschiedenen Gemeindeorganen, nämlich insbesondere dem Stadtsenat (§8 Abs1 Z2 WStV), dem Bürgermeister (§8 Abs1 Z3 WStV) und den amtsführenden Stadträten (§8 Abs1 Z4 WStV), unsachlich und damit verfassungswidrig sei. Eine solche Sicht setzt allerdings ua. voraus, daß der Landesgesetzgeber den nach Art117 Abs1 B-VG zwingend vorzusehenden Organen - hier zB dem Gemeindevorstand (Stadtsenat) - mit der Schaffung neuer Gemeindeorgane (im konkreten Fall: der amtsführenden Stadträte) keine oder doch nur völlig unbedeutende Aufgaben beließe. Diesem Fragenkomplex kann hier aber nicht weiter nachgegangen werden, weil die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften gar nicht Gegenstand der vorliegenden Anfechtung sind und die Anfechtungsschrift demgemäß auch keine Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit der Normen über die Aufgabenzuweisung an den Stadtsenat, den Bürgermeister und die amtsführenden Stadträte sprechenden Bedenken "im einzelnen" enthält.

2.2.3.3. Soweit die Antragsteller, obschon ohne ausdrückliche Bezugnahme auf Art18 Abs1 B-VG, verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Aspekt des verfassungsgesetzlichen Determinierungsgebots darzutun suchen, entzieht sich ihr Vorbringen bereits deshalb jeder weiteren Erörterung, weil der Antrag nicht klar und unmißverständlich erkennen läßt, welchen Vorschriften der WStV dieser nur unzulänglich substantiierte Vorwurf gelten soll.

2.2.4. Somit war der Antrag, soweit zulässig, - da die gegen die darin bezeichneten Gesetzesvorschriften geltend gemachten, die Grenzen der verfassungsgerichtlichen Prüfung absteckenden (s. VfSlg. 8253/1978, 9185/1981, 9287/1981, 9911/1983, 11569/1987; VfGH 12.3.1992 G346/91, G5,6/92; 2.12.1992 G17/92) verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zutreffen - als unbegründet abzuweisen.

2.3. Diese Entscheidung konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc sowie gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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