Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
BAO §212 Abs2
BAO §212a Abs9
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
BAO §212 Abs2
BAO §212a Abs9
Spruch:
§212a Abs9 Bundesabgabenordnung, BGBl. 194/1961 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. 312/1987 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 1993 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit dem im Verfahren B823/91 angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. Mai 1991 verfügte die Finanzlandesdirektion für Tirol gemäß §212a Abs5 BAO den Ablauf der mit Bescheid vom 18. Dezember 1989 bewilligten Aussetzung der Einhebung der Einkommensteuer für 1986; dies infolge Erledigung der für die Aussetzung maßgebend gewesenen Berufung vom 15. November 1989 gegen den Einkommensteuerbescheid für 1986. In einem wurden gemäß §212a Abs9 BAO von dem Abgabenbetrag von 5,872.214 S, für den auf Grund der Aussetzung der Einhebung Zahlungsaufschub eingetreten war, Aussetzungszinsen in der Höhe von 892.635 S festgesetzt.
II. Mit Beschluß vom 16. Oktober 1992 hat der Verfassungsgerichtshof auf Grund folgender Erwägungen gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §212a Abs9 BAO eingeleitet:
"2. Die zu prüfende Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
'(9) Soweit für Abgabenschuldigkeiten infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt, sind Aussetzungszinsen unter Anwendung des sich aus §212 Abs2 für Stundungszinsen ergebenden Zinsfußes zu entrichten. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Aussetzungszinsen sind vor der Verfügung des Ablaufes (Abs5) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen.'
Wie in den Erläuterungen zur RV (108 Blg. NR. XVII. GP) ausgeführt wird, sollte die (neue) Bestimmung des §212 a BAO dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11196/1986 dahingehend nachkommen, daß unter bestimmten Voraussetzungen für den Fall anhängiger Berufungen ein Anspruch auf Einräumung einer faktisch aufschiebenden Wirkung im Wege eines Zahlungsaufschubes erfolgt.
Durch die Verweisung des §212 a Abs9 auf §212 Abs2 wurde der Zinsfuß für Aussetzungen - wenn es zu einer Zinsenbelastung des Steuerpflichtigen auf Grund des Ergebnisses des Verwaltungsverfahrens kommt - jenem für Stundungen gleichgesetzt. Die Stundungszinsen, und damit die Aussetzungszinsen, betrugen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des §212 a BAO 4 % über dem im Zeitpunkt des Zahlungsaufschubes jeweils geltenden Zinsfuß für Eskontierungen der Oesterreichischen Nationalbank pro Jahr. Eine Erhöhung von 4 % auf 6 % erfolgte durch die BAO-Novelle 1988 (BGBl. 412/1988). Diese Erhöhung ist nach ArtII Z2 1.c. auf Zahlungserleichterungen insoweit anzuwenden, als der Zahlungsaufschub Zeiträume nach Ablauf des 31. Dezember 1988 betrifft.
3. Durch die BAO wurde die Rechtslage gegenüber §8 Abs1 AbgabenEG geändert. Die Stundungszinsen betrugen vor Inkrafttreten der BAO 2 % über der jeweiligen Bankrate jährlich. Sie betrugen zuletzt (vor Inkrafttreten der BAO) in der Zeit vom 1.4.1960 bis 31.12.1967 7 % p.a. jährlich. Die nach der BAO geänderte Rechtslage nahm darauf Bedacht,
'daß die Zinssätze wegen der monateweisen Berechnung der Stundungszinsen leicht durch die Zahl 12 teilbar sind.'
(Reeger-Stoll S. 717, TZ 12)
§212 Abs2 BAO sah in der Stammfassung keine Koppelung der jeweiligen Höhe der Stundungszinsen mit dem Zinsfuß für Eskontierungen der Oesterreichischen Nationalbank vor. Stundungszinsen waren zu berechnen, wenn die Abgabenschuldigkeit 30.000 S überstieg, und zwar bei Übersteigen der Abgabenschuldigkeit von 30.000 S 6 % und bei Übersteigen der Abgabenschuldigkeit von 100.000 S 8,4 % jährlich. Reeger-Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, 1966, führen dazu aus (S. 717, TZ 12):
'Das Institut der Stundungszinsen ist rein wirtschaftlich zu beurteilen. Es stellt nicht eine Art Strafe für eine Säumnis dar, sondern ist ein wirtschaftliches Äquivalent für den Zinsenverlust, den der Fiskus dadurch erleidet, daß er die geschuldete Steuerleistung nicht bereits am Tag ihrer Fälligkeit erhalten hat. Ist doch auch sonst im Wirtschaftsleben der Schuldner gehalten, bei nicht pünktlicher Zahlung der Schuld Verzugszinsen (vgl. §1333 ABGB, §353 HGB) zu leisten (VwGH v. 22.9.1961, Zl. 382/59).'
Die Koppelung der Höhe der Stundungszinsen mit dem Zinsfuß für Eskontierungen der Oesterreichischen Nationalbank erfolgte erst durch ArtI des Bundesgesetzes BGBl. 787/1974. Die Neufassung des §212 Abs2 BAO durch dieses Gesetz war eine Folge der Aufhebung des §212 Abs2 durch den Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 7331/1974). Hiezu führen die Erläuterungen zur RV (1299 Blg. NR. XIII. GP) aus:
'Artikel I sieht abweichend von der bisherigen Regelung, wonach nur im Falle der Bewilligung von Zahlungserleichterungen für aushaftende Abgabenschuldigkeiten von mehr als 30.000 S Stundungszinsen anzufordern sind, eine Stundungszinsenpflicht für alle jene Fälle vor, in denen auf Grund einer erteilten Zahlungserleichterungsbewilligung für Abgabenschuldigkeiten, die insgesamt den Betrag von 50.000 S übersteigen, ein Zahlungsaufschub eintritt. Anstelle der bisherigen gestaffelten starren Zinssätze von 6 % und 8,4 % soll aus Vereinfachungsgründen nur mehr ein einziger, 3 % über der Höhe des jeweiligen Zinsfußes für Eskontierungen der Oesterreichischen Nationalbank (Bankrate) liegender Zinssatz zur Anwendung gelangen. Falls in der Höhe der Bankrate, die sich seit 15. Mai 1974 auf 6,5 % beläuft, bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes keine Änderung eintritt, würde dieser einheitliche Zinssatz für Stundungszinsen 9,5 % jährlich betragen. Die Steigerung des Zinssatzes gegenüber den bisherigen starren Zinssätzen erscheint im Hinblick auf die gegenüber dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bundesabgabenordnung eingetretene Steigerung des im Wirtschaftsleben üblichen Zinsniveaus angemessen sowie im Interesse der Vermeidung des Anwachsens größerer Abgabenrückstände gerechtfertigt. Zur Vermeidung von Härten, die sich aus der Einführung eines einheitlichen, über den bisher anzuwendenden Stundungszinssätzen liegenden Zinssatzes ergeben könnten, wurde die bisher bei 30.000 S gelegene Freigrenze in einen Freibetrag von 50.000 S umgewandelt, wodurch im Regelfall bei einer Bewilligung von Zahlungserleichterungen für Abgabenschuldigkeiten bis zu einer Größenordnung von annähernd 500.000 S gegenüber der bisherigen Rechtslage eine mit steigender Schuldhöhe geringer werdende Ermäßigung der Stundungszinsen die Folge ist.
In diesem Zusammenhang sei ergänzend festgehalten, daß die Bankrate, an die auch in diversen anderen Bundesgesetzen angeknüpft wird (vgl. zB ArtVI Abs1 Z1 litb des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1974, BGBl. Nr. 1/1974, §1 Abs2 litd des Energieanleihegesetzes 1973, BGBl. Nr. 578/1973, und §15 a Abs1 des Wohnbauförderungsgesetzes 1968, BGBl. Nr. 280/1967, in der Fassung BGBl. Nr. 232/1972), im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bundesabgabenordnung am 1. Jänner 1962 5 % betragen hat, der höhere der beiden starren Zinssätze somit bereits damals mehr als 3 % über der Bankrate gelegen ist und sich diese Differenz im Hinblick auf das in der Folge eingetretene vorübergehende Absinken der Bankrate, die beispielsweise in der Zeit vom 27. Oktober 1967 bis 10. September 1969 nur 3,75 % betragen hat, zeitweilig noch bedeutend vergrößerte.'
Durch das Abgabenänderungsgesetz 1985 (BGBl. 557/1985, Abschnitt IX., ArtI Z7) wurde der Prozentsatz von 3 % auf 4 % jährlich erhöht. Diese Bestimmung trat für Zeiträume des Zahlungsaufschubes nach dem 1.1.1986 in Kraft. Begründet wurde dies (715 Blg. NR. XVI. GP) wie folgt:
'In Anbetracht der hohen Abgabenrückstände erscheint es angebracht, den Zinssatz für Stundungszinsen von 3 vH über der Bankrate auf 4 vH über der Bankrate zu erhöhen und ihn damit an das allgemeine Niveau der Zinssätze für Kredite anzunähern.'
Das 2. AbgÄG 1987 (welches die Bestimmung des §212 a einführte) brachte keine Änderung in der Zinsenhöhe.
Die BAO-Novelle 1988, BGBl. 412/1988, erhöhte die Stundungszinsen auf 6 % über dem im Zeitpunkt des Zahlungsaufschubes jeweils geltenden Zinsfuß für Eskontierungen der Oesterreichischen Nationalbank pro Jahr. Die Erhöhung erfaßte Zahlungserleichterungen insoweit, als der Zahlungsaufschub Zeiträume nach Ablauf des 31. Dezember 1988 betraf (ArtII Z2). Begründet wird dies im Bericht und Antrag des Finanzausschusses (688 Blg. NR. XII. GP) wie folgt:
'Wenn die Finanzverwaltung wegen einer bewilligten Zahlungserleichterung davon absieht, trotz Eintritts der Vollstreckbarkeit Vollstreckungsmaßnahmen vorzunehmen und deshalb Stundungszinsen anfallen, erscheint es zur Abdeckung des wirtschaftlichen Nachteils für den Abgabengläubiger gerechtfertigt, Stundungszinsen mit einem höheren Prozentsatz als bisher und ohne Bedachtnahme auf einen Freibetrag zu erheben. Für Bagatellfälle soll eine Freigrenze von 10 000 S vorgesehen werden.'
3. Aus dem statistischen Monatsheft der ÖNB 9/1992 ergeben sich die folgende Entwicklung des Diskontsatzes (Bankrate), das ist der Zinsfuß für Eskontierungen im Sinne des §212 Abs2 BAO und daher auch des §212 a Abs9 BAO und damit die folgenden Belastungen des Steuerpflichtigen für Stundungen und Aussetzungen:
in % p.a.
Gültig ab Diskontsatz Erhöhung Gesamtbelastung des
(Bankrate) gemäß BAO Steuerpflichtigen
________________________________________________________________
1985 19.8. 4 % + 3 % = 7 % 1986 1.1. 4 % + 4 % = 8 % 1987 23.1. 3,5 % + 4 % = 7,5 % 1987 4.12. 3 % + 4 % = 7 % 1988 1.1. 3 % + 6 % = 9 %
1988 1.7. 3,5 % + 6 % = 9,5 %
1988 29.7. 3,5 % + 6 % = 9,5 %
1988 26.8. 4 % + 6 % = 10 %
1988 16.12. 4 % + 6 % = 10 % 1989 20.1. 4,5 % + 6 % = 10,5 % 1989 21.4. 5 % + 6 % = 11 % 1989 30.6. 5,5 % + 6 % = 11,5 % 1989 6.10. 6,5 % + 6 % = 12,5 % 1991 1.2. 7 % + 6 % = 13 % 1991 16.8. 7,5 % + 6 % = 13,5 % 1991 20.12. 8 % + 6 % = 14 % 1992 17.7. 8,5 % + 6 % = 14,5 % 1992 15.9. 8,25 % + 6 % = 14,25 %
Für Zahlungserleichterungen nach §212 BAO und Aussetzungen der Einhebung einer Abgabe nach §212 a BAO ist daher der jeweilige Diskontsatz maßgebend, zuzüglich zuletzt starrer 6 %.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 11281/1987 dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung des §212 Abs2, in dem die Höhe der Stundungszinsen geregelt wird, mit der Begründung keine Folge gegeben, daß unter dem Blickwinkel der vom Verwaltungsgerichtshof allein geltend gemachten Bedenken ein Verstoß gegen Art18 B-VG deshalb nicht vorliegt, weil es unerheblich ist, mit welchem rechtlichen Instrumentarium die Nationalbank den Eskontzinssatz festzusetzen oder zu beeinflussen hat.
Die Bundesregierung hat in dem erwähnten Verfahren die wirtschaftliche Bedeutung des Eskontzinssatzes folgendermaßen umschrieben:
'Das Eskontgeschäft einer Notenbank stellt ein währungspolitisches Instrument dar. Durch den vom Generalrat festzusetzenden Diskontsatz (Bankrate) wird nun die Oesterreichische Nationalbank in die Lage versetzt, durch eine Anhebung oder Senkung des Zinsfußes beim Wechseleskont die 'Politik des billigen oder teuren Geldes' im herkömmlichen Sinne zu betreiben. Die Nationalbank zieht beim Ankauf von Wechseln (Eskontierung) die Zinsen für die Zeit vom Ankaufstag bis zum Fälligkeitstag nach einem bestimmten Satz (Diskontsatz) ab. Der Diskontsatz ist somit der von der Nationalbank festgesetzte Zinssatz, zu dem sie Wechsel ankauft. Zur Konjunkturbelebung wird daher die Nationalbank in währungspolitisch vertretbarem Ausmaß der Volkswirtschaft durch niedrigeren Diskontzinsfuß 'billiges Geld' gegen Hereinnahme von Wechseln zur Verfügung stellen. Bei nötiger Konjunkturbremsung wird das Notenbankgeld wieder teurer, dh. der Eskontzinsfuß hinaufgesetzt werden. Die Nationalbank kann somit mit Hilfe des Diskontsatzes die Bargeldinanspruchnahme und damit die umlaufende Bargeldmenge beeinflussen. Der allgemeine Kapitalmarktzinssatz, zu dem alle anderen Kreditunternehmungen Kredite vergeben, richtet sich daher jeweils nach der von der Nationalbank festgelegten Bankrate.'
Hinzugefügt wird, daß die Rechtslage, die für die im genannten Verfahren getroffene Entscheidung maßgeblich war, Stundungszinsen in der Höhe von nur 3 % über dem Eskontsatz vorsah (vgl. hiezu die Tabelle zu Z3.).
5. Indem der Gesetzgeber in der zu prüfenden Bestimmung des §212 a Abs9 hinsichtlich der Aussetzungszinsen auf §212 Abs2, der für Stundungszinsen gilt, verweist, hat er die Höhe der Stundungszinsen und der Aussetzungszinsen gleichgeschaltet. (Für Aussetzungszinsen ist insofern eine Verschlechterung vorgesehen, als die Bagatellgrenze von 10.000 S n i c h t anwendbar ist.)
Ellinger hat in einem Vortrag vor der Wiener Juristischen Gesellschaft (ÖJZ 1987, S 555) auf einige der wichtigen Unterschiede zwischen der Stundung und der beabsichtigten Aussetzung der Einhebung hingewiesen.
Stundung: Aussetzung der Einhebung:
Bei Vorliegen aller Voraussetzungen Bei Vorliegen aller Voraus-
Ermessensentscheidung setzungen Rechtsanspruch
Bedingungen (zB pünktliche Keine Bedingungen
Entrichtung selbst zu berechnender
Abgaben) im Hinblick auf
Ermessensentscheidung zulässig
(wichtig für Terminverlust)
Bedachtnahme auf in der Entrichtung Keine Bedachtnahme auf in
gelegene Härte der Entrichtung gelegene
Härte
Bedachtnahme auf Gefährdung der Keine Bedachtnahme auf
Einbringlichkeit Gefährdung der
Einbringlichkeit, lediglich
auf ein auf die Gefährdung
der Einbringlichkeit
gerichtetes Verhalten
Minderung gestundeter Beträge Keine Minderung
durch sonstige Gutschriften ausgesetzter Beträge durch
sonstige Gutschriften
Guthaben neben gestundeten Beträgen Guthaben neben ausgesetzten
nicht möglich Beträgen möglich
(vgl. auch inhaltlich gleich Ellinger-Wetzel-Mairinger, BAO, 1988, zu §212 a S 130).
6. Aus dem Gleichheitsgrundsatz ist das allgemeine Gebot der Sachlichkeit von Gesetzen abzuleiten. Der Gesetzgeber ist damit verpflichtet, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen (VfSlg. 12292/1990). Der Gleichheitssatz fordert demnach auch, daß wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich unterschiedliche Regelungen nach sich ziehen (vgl. VfSlg. 8217/1977, 11641/1988, Erk. vom 12. Dezember 1991, G188,189/91).
Der Verfassungsgerichtshof vermeint zunächst, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Instrument der Stundung und dem der Aussetzung besteht. Bei der Stundung hat der Abgabenpflichtige in der Regel keinen Einwand gegen den Inhalt bzw. die Richtigkeit des Abgabenbescheides (wenn man nur die Situation des Steuerpflichtigen nach Einführung der Aussetzungsmöglichkeit durch §212 a BAO betrachtet). Es fehlt dem Abgabensteuerpflichtigen nach seiner Behauptung im Zeitpunkt des Stundungsantrages entweder überhaupt die Möglichkeit zu bezahlen, oder er beantragt die Zahlung in Raten. Bei der Aussetzung liegt im Regelfall ein Streit zwischen dem Abgabenpflichtigen und der Behörde über die Rechtsrichtigkeit des Abgabenbescheides vor. Der Abgabenpflichtige bekämpft inhaltlich den Bescheid der ersten Instanz. Damit geht er jedoch das Risiko ein, für den Zeitraum des Laufes des Rechtsmittels im Falle seines Unterliegens Zinsen für die Abgabenschuld in beträchtlicher Höhe bezahlen zu müssen.
Es erscheint dem Verfassungsgerichtshof nicht sachgerecht, daß Zinsen für Aussetzungen und Stundungen - also für zwei völlig unterschiedliche Tatbestände - gleich hoch sind, wobei es in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint, daß die Rechtslage bei Aussetzungen sogar insoferne für den Steuerpflichtigen ungünstiger ist als die für Stundungen vorgesehene Bagatellgrenze nicht gilt.
Unter diesem Aspekt ist zu prüfen, ob es gerechtfertigt ist, Zinsen für Aussetzungen und Stundungen in gleicher Höhe (wenn man wieder die fehlende Bagatellgrenze bei Aussetzungen unberücksichtigt läßt) festzusetzen.
7. Es ist darüberhinaus zu prüfen, ob die Erhöhung des Stundungszinsfußes, dem der Aussetzungszinsfuß der Höhe nach entspricht, von 3 % auf 6 % sachgerecht ist.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg. 11196/1986 (mit dem §254 BAO - im damaligen normativen Zusammenhang - als verfassungswidrig befunden und aufgehoben wurde) unter anderem ausgeführt:
'Der VfGH kann von seiner im Prüfungsbeschluß bezogenen ständigen Judikatur zum rechtsstaatlichen Prinzip ausgehen, die nicht bestritten wurde. Ihr zufolge gipfelt der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips darin, daß alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet, daß nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz als dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden. Der Gerichtshof bleibt auch bei der im Einleitungsbeschluß an diese Umschreibung geknüpften Annahme, daß die hier unabdingbar geforderten Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Mindestmaß an f a k t i s c h e r Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen. Zunächst ist hiezu die Klarstellung geboten, daß von faktischer Effizienz deshalb die Rede ist, weil unter Effizienz allein unter Umständen bloß das letzten Endes bewirkte Erreichen einer Entscheidung rechtsrichtigen Inhalts durch das Ergreifen von Rechtsbehelfen verstanden werden könnte, nicht aber auch die mitgemeinte Umsetzung einer solchen Entscheidung in den Tatsachenbereich. 'Schutz' als Teilaspekt des Ausdrucks 'Rechtsschutz' ist auf den Rechtsunterworfenen bezogen und meint nicht zuletzt die - rechtzeitige - Wahrung und Gewährleistung einer faktischen Position, weshalb Rechtsschutzeinrichtungen diesen Zweck notwendig in sich schließen. Der VfGH hält im Hinblick auf diesen Inhalt des Begriffes Rechtsschutzeinrichtung, mithin insbesondere des Begriffes Rechtsbehelf, auch an der Ansicht fest, daß es nicht angeht, den Rechtsschutzsuchenden g e n e r e l l einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang allerdings nicht nur seine Position, sondern auch - Zweck und Inhalt der Regelung, ferner die Interessen Dritter sowie schließlich das öffentliche Interesse. Der Gesetzgeber hat unter diesen Gegebenheiten einen Ausgleich zu schaffen, wobei aber dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfs der Vorrang zukommt und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig ist. Auf welche Weise dieser Ausgleich vom Gesetzgeber vorgenommen wird, läßt sich - wie aus den vorstehenden Ausführungen folgt - nicht allgemein sagen.'
Der Verfassungsgerichtshof hat nunmehr das Bedenken, daß die derzeitige und im Anlaßfall anzuwendende Regelung über die Höhe der Zinsen für eine bewilligte Aussetzung der Einhebung einer Abgabe im praktischen und wirtschaftlichen Ergebnis überschießend ist und die Grundgedanken des erwähnten Erkenntnisses unwirksam machen kann. Die Grundgedanken dieses Erkenntnisses wurden in der folgenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bekräftigt (28.6.1990, G315/89, 67/90, 13.3.1991, G199/90, 28.2.1992, G293/91 u.a.).
Hiezu kommt, daß der Rechtsunterworfene die Dauer des Berufungsverfahrens nicht beeinflussen kann. Bei längerer Dauer des Berufungsverfahrens (es kann dies je nach der Schwierigkeit der Materie in Beweis- und Rechtsfragen einerseits und der Inanspruchnahme des bearbeitenden Beamten andererseits erfahrungsgemäß auch Jahre in Anspruch nehmen) kann der Betrag der Aussetzungszinsen eine Höhe erreichen, die bei wirtschaftlicher Überlegung des Risikos den Steuerpflichtigen praktisch zur Zahlung vor dem Vorliegen der Berufungsentscheidung zwingen kann und dadurch die Grundgedanken der Rechtsprechung des VfGH zur Frage der Effizienz eines Rechtsbehelfes unterlaufen werden."
III. 1. Die Bundesregierung hat auf Grund ihres Beschlusses vom 2. Feber 1993 folgende Äußerung erstattet:
"1. Zu den gleichheitsrechtlichen Bedenken:
Für die Auffassung, daß es sich bei der Stundung und der Aussetzung um Vergleichbares im Sinne des Gleichheitssatzes handelt, ist ins Treffen zu führen, daß beide Instrumente rechtlich und wirtschaftlich betrachtet einen Zahlungsaufschub für den Abgabepflichtigen darstellen. Im Hinblick auf beide Instrumente ist die Erhebung von Zinsen darin begründet, daß Nachteile für den Staat (indem Einnahmen noch nicht zinsbringend angelegt werden können bzw. Einnahmen noch nicht verfügbar sind und Fremdkapital unter Entrichtung von Zinsen aufgenommen werden muß) bzw. Vorteile für den Abgabepflichtigen (zinsenloser Kredit, wenn keine Zinsen für die Stundung oder Aussetzung gefordert würden bzw. keine Kosten einer Darlehensaufnahme) verhindert bzw. ausgeglichen werden sollen. Die Situation im Hinblick auf die angeführten Vor- und Nachteile für den Abgabepflichtigen bzw. den Staat ist sowohl bei der Stundung wie bei der Aussetzung die gleiche.
Eine Gleichbehandlung der beiden genannten Instrumente in Bezug auf die Höhe der Zinsen erscheint aber auch im Hinblick auf ihre enge Wechselbeziehung geboten, da im Fall, daß die Aussetzungszinsen niedriger wären als die Stundungszinsen, ein nicht unbeträchtlicher Anreiz gegeben würde, daß die Abgabepflichtigen zur Erlangung eines kostengünstigeren Zahlungsaufschubes, vermehrt Berufungen und in deren Folge Anträge auf Aussetzung der Einhebung einbringen würden. Dies wäre vor allem auch deshalb möglich, weil das zentrale Kriterium für die Gewährung der Aussetzung ist, daß die Berufung nach Lage des Falles nicht wenig erfolgversprechend ist. Dies wird nur in dem Fall nicht als vorliegend angenommen, wenn die Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels offenkundig ist. Eine Tendenz, vermehrt Berufungen zu erheben, wird noch dadurch unterstützt, daß mit der Erhebung einer Berufung im Abgabenverfahren - abgesehen von den Zinsen - keinerlei Verfahrenskostenrisiko verbunden ist.
Für die Höhe der Stundungszinsen ergibt sich nun daraus eine maßgebliche Richtlinie, daß die Stundung nicht ermöglichen soll, daß der, der eine sofortige Entrichtung von Abgabenschulden nur durch Aufnahme eines Darlehens finanzieren könnte, sich auf Kosten der Allgemeinheit (durch Stundung des Betrages gemäß §212 BAO) den Kredit beim Staat nimmt. Die Höhe der Stundungszinsen soll daher im Rahmen durchschnittlicher Kosten einer Darlehensaufnahme bei einer Bank liegen. Bei niedrigeren Stundungszinsen wäre dies - wie bereits angeführt - ein großer Anreiz, den billigeren Kredit durch Ansuchen auf Stundung des Abgabenbetrages anzustreben.
2. Zu den rechtsstaatlichen Bedenken:
Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, VfSlg. 11196/1986, ist es im Hinblick auf ein Mindestmaß von faktischer Effizienz von Rechtsschutzeinrichtungen nicht zulässig, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch erledigt ist.
Diesem Gebot wollte der Gesetzgeber dadurch entsprechen, indem er die MÖglichkeit einer Aussetzung vorgesehen hat, wenn die Berufung nicht wenig erfolgsversprechend ist. Daraus ergibt sich, daß in dem Fall, daß das Rechtsmittel zur Gänze oder teilweise erfolgreich ist, der Rechtsschutzsuchende nicht mit den Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung belastet ist.
Das in §212a BAO geschaffene System wird auch der Überlegung des Verfassungsgerichtshofes in dem zitierten Erkenntnis gerecht, daß das 'Rechtsschutzrisiko im echt fraglichen Bereich dem Rechtsunterworfenen nicht vorbehaltlos' aufgelastet werden darf. Gemäß §212a BAO trägt der Abgabepflichtige das Rechtsschutzrisiko in all den Fällen nicht, in denen der Berufung ganz oder teilweise entsprochen wird. Daß in allen Fällen, in denen Tatsachen - oder Rechtsfragen echt strittig sind, der Bescheid aber vollinhaltlich bestätigt wird, der Abgabepflichtige das Risiko einer Zinsenbelastung trägt, hat seinen Grund darin, daß der Gesetzgeber im Abgabenbereich die ohne Frage sehr starke Tendenz zu lediglich aus wirtschaftlichen Überlegungen eingebrachten Rechtsmitteln soweit als möglich einschränken will. Eine Regelung der Aussetzung, die in allen Fällen echt strittiger Tatsachen- und Rechtsfragen eine solche gewähren würde, ohne daß bei Bestätigung des Bescheides Zinsen anfielen, würde lediglich aus wirtschaftlichen Überlegungen eingebrachte Rechtsmittel geradezu provozieren. Dies wiederum könnte zur Gefährdung des Staatshaushaltes führen. Der Verfassungsgerichtshof hat nun aber in dem zitierten Erkenntnis gerade ausgesprochen, daß in dem neu zu schaffenden System sehr wohl das Interesse der Gebietskörperschaften an regelmäßig fließenden Einnahmen gebührend zu berücksichtigen sei, und dem gegenüber die Interessensposition des Abgabenschuldners Einschränkungen auf sich nehmen muß.
Zu der Überlegung, daß der Abgabepflichtige durch §212a Abs9 BAO gezwungen sein kann, vor Erledigung der Berufungsentscheidung die Steuerschuld zu bezahlen, ist zum einen darauf zu verweisen, daß sich die Stundungszinsen - wie unter Punkt 1 dargelegt - im Rahmen durchschnittlicher Kreditzinsen halten müssen. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, daß diese Zinsen grundsätzlich niedriger sind als der Aufwand, den ein Bankkunde für einen ungesicherten Kredit bei einer Bank (zB Überziehung des Gehaltskontos) zu tragen hat. Die Aussetzungs- und Stundungszinsen sind mit dem Fall der Aufnahme eines ungesicherten Kredites zu vergleichen, weil die Situation der Aussetzung und der Stundung nur mit der Gewährung eines ungesicherten Kredites vergleichbar ist, da beide ohne jede Sicherstellung gewährt werden. Bei der Aussetzung spielt sogar das Argument der Gefährdung der Einbringlichkeit der ausgesetzten Abgaben keine Rolle. Auch die Erlassung eines Vollstreckungsbescheides ist gegenüber einem ausgesetzten Betrag in den Fällen unzulässig, in denen nachträglich Umstände hervorkommen, die die Einbringung einer Abgabe gefährden oder zu erschweren drohen (§230 Abs7 BAO). Die Heranziehung von Kosten für gesicherte Kredite als Vergleichsmaßstab erscheint daher nicht zulässig.
Wie sich aus Mitteilungen zweier repräsentativer Banken ergibt (CA-BV und Österr. Spar-Casse-Bank; Beilage 1 und 2) beträgt der Zinssatz für Kontoüberziehungen 14,825 % p.a. (CA-BV) bzw. 14,75 % p.a. (Österr. Spar-Casse-Bank). Der Zinssatz für Kontoüberziehungen innerhalb des Überziehungsrahmens bei der Bank Austria p.a. beträgt ebenfalls 14,75 % (vgl. Übersichtstabelle im 'Trend' 7/92, Beilage 3). Die Zinsen für ungesicherte Kredite bei der Bank liegen somit über jener Belastung, die dem Abgabepflichtigen bei Inanspruchnahme einer Aussetzung bei nicht erfolgreicher Berufung entsteht. Dies galt auch in jener Phase des Vorjahres, in der der Diskontsatz besonders hoch war (nämlich 8,5 % in der Zeit vom 17. Juli 1992 bis 14. September 1992).
3. Abschließend wird noch zu der vom Verfassungsgerichtshof unter Pkt. II.2.-4. eingehend dargestellten Entwicklung der einschlägigen Rechtslage und zu der besonderen Bezugnahme zum Eskontsatz festgestellt, daß es im Hinblick auf die Funktion der Aussetzungszinsen, - wie dargelegt - Zinsvor- und -nachteile auszugleichen, sachgerecht und im Lichte des Gleichheitssatzes zulässig erscheint, die Höhe dieser Zinsen vom jeweils bestehenden Zinsniveau (etwa durch Anknüpfen an den Eskontsatz) abhängig zu machen. Starre Zinssätze hätten zwar den Vorteil, daß der Abgabepflichtige (zumindest bei unveränderter Rechtslage) die künftige Zinsbelastung kennt und bei seiner Entscheidung, ob er eine Aussetzung der Erhebung beantragt, berücksichtigen kann. Allerdings wären diesfalls Zinsen (wenn ihre Höhe von einem durchschnittlichen Zinsniveau ausgeht) in Zeiten eines niedrigeren Zinsniveaus überhöht (und damit für den Abgabenpflichtigen eine kaum vertretbare Belastung) und in Zeiten eines höheren Zinsniveaus zu niedrig (und damit für die Allgemeinheit zu Lasten einzelner Abgabepflichtiger nachteilig). Der Zielsetzung, Zinsvor- bzw. -nachteile auszugleichen, könnte ein gesetzlich festgelegter starrer Zinssatz somit nicht gerecht werden."
2. Der Beschwerdeführer im Anlaßverfahren B823/91, Dipl.Ing. Dr. M S hat folgende Stellungnahme zur Äußerung der Bundesregierung erstattet, die am 4. März 1993 beim Verfassungsgerichtshof einlangte:
"I. Zu den gleichheitssatzrechtlichen Bedenken
Die Bundesregierung geht davon aus, daß es sich bei der Stundung und Aussetzung um Vergleichbares im Sinne des Gleichheitssatzes handelt. Sie begründet dies damit, daß beide Instrumente rechtlich und wirtschaftlich betrachtet einen Zahlungsaufschub für den Abgabepflichtigen darstellten. Daher wäre eine Gleichbehandlung der beiden Instrumente in Bezug auf die Höhe der Zinsen geboten. Ansonsten könnten die Abgabepflichtigen vermehrt Berufungen einbringen, um sich durch Aussetzung einen Zinsvorteil zu verschaffen. Die Höhe der Stundungs- und damit auch der Aussetzungszinsen wäre durch die Höhe durchschnittlicher Kosten einer Darlehensaufnahme bei einer Bank gerechtfertigt.
Schon der Ausgangspunkt der Überlegungen der Bundesregierung, wonach Stundung und Aussetzung vergleichbare Tatbestände wären, ist unzutreffend. Gleiches, das im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gleich zu behandeln wäre, ist nämlich nicht schon dann gegeben, wenn an zwei Tatbestände gleiche Rechtsfolgen geknüpft werden; es müssen vielmehr die zwei Tatbestände der betreffenden Regelung vergleichbar sein. Es ist daher unrichtig, die Aussetzung deshalb als mit der Stundung Vergleichbares im Sinne des Gleichheitssatzes anzusehen, weil sowohl für den Stundungstatbestand in §212 Abs1 BAO als auch für den Aussetzungstatbestand in §212a Abs5 BAO gleiche Rechtsfolgen des Zahlungsaufschubes und in den §§212 Abs2 und 212a Abs9 BAO gleiche Rechtsfolgen der Zinsentrichtung vorgesehen sind (sieht man von der in §212a Abs9 BAO fehlenden Bagatellgrenze ab). Die Stundungs- und Aussetzungsvoraussetzungen, auf die es hier ankommt, sind vielmehr grundverschieden. Stundung kann gemäß §212 Abs1 BAO gewährt werden, wenn die sofortige (volle) Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Hingegen ist die Aussetzung gemäß §212a Abs1 BAO grundsätzlich dann zu bewilligen, wenn und insoweit als die Abgabe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt.
Diese Voraussetzungen sind, wie der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß B823/91-7 unter den Punkten 5 und 6 ausführlich dargelegt hat, nicht vergleichbar. Darauf ist die Bundesregierung überhaupt nicht eingegangen. Insbesondere hat sie sich mit den vom Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf die Literatur aufgezeigten Unterschieden überhaupt nicht auseinandergesetzt. Der Verfassungsgerichtshof hat aber schon in seinem Erkenntnis VfSlg. 11196 klar erkennen lassen, daß ein Zahlungsaufschub infolge Stundung etwas ganz anderes ist als ein Zahlungsaufschub zur Beseitigung der aus §254 BAO resultierenden Konsequenzen. Ansonsten hätte der Verfassungsgerichtshof ja §254 BAO nicht aufzuheben gehabt.
Liegt aber bei Stundung und Aussetzung im wesentlichen Ungleiches vor, so wäre die Gleichbehandlung durch Zahlungsaufschub und Zinsentrichtung nur dann verfassungsrechtlich einwandfrei, wenn sie sich sachlich rechtfertigen ließe. Die Bundesregierung führt dazu den angeblichen Anreiz und die Tendenz ins Treffen, bei niedrigeren Zinsen für Aussetzungen als für Stundungen vermehrt Berufungen einzubringen und weiters, daß die Höhe der Stundungszinsen durch durchschnittliche Kosten der Darlehensaufnahme gerechtfertigt wären. Die Bundesregierung berücksichtigt dabei aber nicht, daß die sachliche Rechtfertigung der Gleichbehandlung nicht allein in verwaltungsökonomischen und budgetären Zweckmäßigkeitsüberlegungen gefunden werden darf. Es ist zwar dem Gesetzgeber aufgegeben, das Interesse der Gebietskörperschaften an regelmäßig fließenden Einnahmen gebührend zu berücksichtigen (VfSlg. 11196), sodaß die Vorschreibung von Zinsen für einen Zahlungsaufschub grundsätzlich gerechtfertigt ist (VfSlg. 8468); es muß aber im Wege einer Interessensabwägung eine einseitige Belastung des rechtsuchenden Abgabepflichtigen vermieden werden (VfSlg. 11196). Zu einer einseitigen Belastung des rechtsuchenden Abgabepflichtigen kommt es aber dadurch, daß der Abgabepflichtige, der aufgrund des Abgabenbescheides die Abgabe entrichtet - zB weil er über die entsprechenden Mittel verfügt und das Risiko von Aussetzungszinsen in Höhe von 6 % über dem Diskontsatz vermeiden möchte - im Falle des Obsiegens im Rechtsstreit keinerlei Zinsenvergütung erhält, während er im Falle der Aussetzung und des Unterliegens im Rechtsstreit Aussetzungszinsen in Höhe von 6 % über den Diskontsatz zu berücksichtigen hat. Die von der Bundesregierung aufgezeigte Gefahr eines Anreizes und eine Tendenz zu einer vermehrten Einbringung von Berufungen kann daher die Gleichbehandlung von Stundung und Aussetzung nicht begründen.
Dies gilt umso mehr, als es nicht um geringfügige, sondern empfindlich hohe Aussetzungszinssätze geht. Diese entsprechen nach Meinung der Bundesregierung durchschnittlichen Kosten der Darlehensaufnahme. Wie aber die in der Äußerung angeschlossenen Auflistungen der Kreditkonditionen im Vergleich mit der Auflistung der Aussetzungszinssätze im Punkt 3 des Einleitungsbeschlusses zeigen, liegen die Aussetzungszinsen tatsächlich am oberen Ende von Kreditkonditionen. Es werden somit im Berufungsfalle sehr erhebliche Zinsrisken dem rechtsuchenden Abgabepflichtigen aufgehalst, wenn er die Aussetzung begehrt. Entrichtet der Steuerpflichtige aber die Abgabe und gewinnt er den Rechtsstreit, so erhält er überhaupt keine Zinsen vergütet. Die Ungleichbehandlung von Abgabenbeträgen in ihrer Verzinsung, je nachdem ob der Abgabenbetrag dem Abgabengläubiger oder dem Abgabenschuldner zugesprochen wird, entbehrt aber der sachlichen Rechtfertigung (vgl. den Prüfungsbeschluß B162/73). Ist aber die Gewährung von Zinssätzen im Aussetzungsfall unverhältnismäßig zugunsten des Abgabengläubigers gewichtet, dann ist die gleiche Zinshöhe im Stundungs- und Aussetzungsfall eine Gleichbehandlung ungleicher Tatbestände (vgl. Punkt IV/6 meiner Beschwerde). Weder verwaltungsökonomische Gründe noch Überlegungen der Gleichstellung von Stundungen und Aussetzungen können dies rechtfertigen. Wie der Verfassungsgerichtshof im Punkt III des Einleitungsbeschlusses dargestellt hat, lassen sich auch der Rechtsentwicklung, die zur laufenden Anhebung der Zinshöhe geführt hat, keine Rechtfertigungsgründe entnehmen.
II. Zu den rechtsstaatlichen Bedenken
Die Bundesregierung folgt dem Verfassungsgerichtshof darin, daß sie die Notwendigkeit eines Mindestmaßes faktischer Effizienz von Rechtsschutzeinrichtungen bejaht und die generell einseitige Belastung des Rechtschutzsuchenden mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung bis zur Erledigung seines Rechtsschutzgesuches für unzulässig erachtet. Die Möglichkeit einer Aussetzung entspricht dem jedoch, weil der Abgabepflichtige das Rechtsschutzrisiko in allen Fällen nicht zu tragen hätte, in denen der Berufung ganz oder teilweise entsprochen wird. Wird der Bescheid aber vollinhaltlich bestätigt, dann wäre es durch die vom Gesetzgeber verfolgte Absicht, die sehr starke Tendenz zu lediglich aus wirtschaftlichen Überlegungen eingebrachten Rechtsmitteln soweit als möglich einzuschränken, gerechtfertigt, daß der Abgabepflichtige das Risiko einer Zinsenbelastung trägt. Ansonsten würden lediglich aus wirtschaftlichen Überlegungen eingebrachte Rechtsmittel geradezu provoziert, was zur Gefährdung des Staatshaushaltes führen könnte. Gegen die Überlegung, daß der Abgabepflichtige durch §212a Abs9 BAO gezwungen sein könnte, vor Erledigung der Berufungsentscheidung die Steuerschuld zu bezahlen, wurde darauf verwiesen, daß sich die Stundungszinsen im Rahmen durchschnittlicher Kreditzinsen halten müssen und sie grundsätzlich niedriger wären als der Aufwand eines Bankkunden für einen ungesicherten Kredit. Die Bindung der Zinshöhe an den Diskontsatz wäre sachgerecht, um Zinsvor- bzw. -nachteile gegenüber dem durchschnittlichen Zinsniveau auszugleichen.
Es ist der Bundesregierung einzuräumen, daß bei Stattgabe der Berufung Aussetzungszinsen letztlich nicht zu tragen sind. Darum geht es jedoch gar nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob die faktische Effizienz des Rechtsschutzes durch die Regelung der Aussetzungszinsen und deren Höhe beeinträchtigt wird. Dies ist ganz klar der Fall. Fühlt sich der Abgabepflichtige im Recht und rechnet er sich Chancen im Berufungswege aus, so hat er immer noch zu bedenken, daß er im Falle der Entrichtung des Abgabenbetrages und Stattgabe der Berufung um die Erträge einer Alternativveranlagung umgefallen ist, ohne vom Abgabengläubiger für dessen Kapitalnutzung eine Vergütung zu erhalten. Begehrt er hingegen die Aussetzung, so hat er empfindlich hohe Aussetzungszinsen zu entrichten. Das damit gegebene zusätzliche Risiko des Verlustes der Erträge der Alternativveranlagung oder der Vorschreibung hoher Aussetzungszinsen läßt sich dabei vom Abgabepflichtigen überhaupt nicht steuern, weil es von der Verfahrensdauer abhängt, die wiederum weitgehend von behördeninternen Umständen beeinflußt ist. Es ist daher die Annahnme der Bundesregierung unzutreffend, daß der Wegfall der Aussetzungszinsen bei Stattgabe der Berufung allein schon dem Rechtsstandpunkt des Verfassungsgerichtshofes Rechnung trage, eine generell einseitige Belastung des Rechtsschutzsuchenden zu vermeiden.
Worum es dem Gesetzgeber wirklich geht, ist die Einschränkung der Rechtmittel. Dies bringt auch die Bundesregierung in ihrer Äußerung klar zum Ausdruck und ergibt sich auch aus der vom Verfassungsgerichtshof aufgezeigten Rechtsentwicklung mit der laufenden Anhebung der Zinshöhe (Punkt 4 ff des Einleitungsbeschlusses). Die Einbringung unbegründeter Rechtsmittel ist aber ohnedies für die Aussetzung ein Ausschlußgrund (§212a Abs2 lita BAO). Die Festsetzung der Aussetzungszinsen ist empfindlicher, weil die Aussetzungszinsen gleich hoch wie die Stundungszinsen sind, ohne daß gleichzeitig die Gewährung von Zinsen für strittige entrichtete Abgabenbeträge im Falle stattgebender Berufungsentscheidung vorgesehen wäre. Diese Regelung soll somit offenkundig auch begründete Rechtsmittel durch Auferlegung eines hohen und einseitigen Zinsrisikos einschränken. Dies widerspricht aber der Grundtendenz der Rechtsschutzeinrichtungen der BAO, welche die Rechtsrichtigkeit in den Vordergrund aller Gesetzesziele stellt (VfGH 19.6.1965 G 24/64). Die Zinshöhe erweist sich somit für den Aussetzungsfall, wie der Verfassungsgerichtshof in Punkt 7 des Einleitungsbeschlusses angenommen hat, angesichts der Einseitigkeit der Zinsregelung zugunsten des Abgabengläubigers als im praktischen und wirtschaftlichen Ergebnis überschießend.
Der Grund dafür liegt in der Regelung. Die Bestimmung des §212a BAO entspricht nicht dem Rechtsstaatsprinzip, weil sie entgegen der vom Verfassungsgerichtshof zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (11.196/86; 28.6.1990, G315/89, 67/90; 13.3.1991, G199/90; 28.2.1992, G293/91 ua) die den Gesetzgeber gebotene Interessensabwägung zwischen dem Interesse an einem regelmäßigen Zufluß von Abgaben und dem Interesse an einem effektiven Rechtsschutz unterlassen und den vom Verfassungsgerichtshof notwendig gehaltenen Vorrang des Rechtsschutzes ohne triftigen Grund mißachtet hat. Die gesetzliche Regelung der Höhe der Aussetzungszinsen stellt lediglich auf Gläubigerinteressen der möglichst raschen Einbringung ab, wie sie für die Höhe der Stundungszinsen gerechtfertigt sein mag, und berücksichtigt durch die Anknüpfung an den Diskontsatz der Oesterreichischen Nationalbank Kriterien, die für die Steuerung der Geldmenge und Kreditzinssatzbildung maßgebend sind. Auch werden lediglich die Fälle der Kreditaufnahme und des Zahlungsaufschubes miteinander verglichen und in Übereinstimmung gebracht, der Fall der Entrichtung aus eigenen Mitteln des Steuerpflichtigen hingegen bei der Interessensabwägung überhaupt nicht berücksichtigt. Das bloße Abstellen auf Kreditierungsüberlegungen und geldpolitische Steuerungsmechanismen wird aber der Regelung des §254 BAO und den zu dieser im Erkenntnis VfSlg. 11196 aufgestellten Leitlinie nicht gerecht. Dabei wäre eine rechtspolitische Gestaltung im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leicht zu finden gewesen. Man hätte nur bei ansonsten gleicher Regelung die Aussetzungszinsen erheblich niedriger ansetzen brauchen. Alternativ hätte der Gesetzgeber aber auch die Höhe von Stundungs- und Aussetzungszinsen gleich regeln und an Kreditvorbildern orientieren können; dann hätte er jedoch strittige aber entrichtete Abgabenbeträge im Fall einer stattgebenden Berufungsentscheidung auch zugunsten des rechtsuchenden Steuerpflichtigen verzinsen müssen. Klarstellend wird dazu angemerkt, daß eine derartige Verzinsung strittiger aber entrichteter bzw. ausgesetzter Abgabenbeträge nichts mit der im Schrifttum und in der politischen Diskussion problematisierten Frage der Einführung einer allgemeinen Guthabensverzinsung zu tun hat, da sich diese primär auf nach den Grundsätzen des §4 Abs1 BAO entstandene, aber noch nicht festgesetzte Guthaben bezieht. Selbst dann, wenn man - mit der Rechtssprechung des VwGH (24.6.1970, 975/70) - eine allgemeine Guthabensverzinsung als (rechtspolitisch) 'ungerechtfertigte Forderung' bezeichnete, käme eine Verzinsung der strittigen aber entrichteten Beträge als rechtspolitische Alternative in Betracht. Eine derartige Regelung würde noch keine allgemeine Guthabensverzinsung bewirken. Der Gesetzgeber hat somit verschiedene Möglichkeiten, dem vom VfGH aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Gebot der Berücksichtigung der Interessenslage des Abgabengläubiger und des Abgabenschuldners zu entsprechen (vgl. VfSlg. 11196)."
IV. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind vier gleichgelagerte Beschwerdeverfahren anhängig (B501/93, B799/93, B878/93 und B879/93), deren Gegenstand jeweils ein im Instanzenzug ergangener Bescheid einer Finanzlandesdirektion bildet, mit dem die Finanzlandesdirektion (nachdem sie den Ablauf der bewilligten Aussetzung der Steuereinhebung wegen Erledigung der Berufung gegen den Abgabenbescheid verfügt hatte) gemäß §212a Abs9 BAO Aussetzungszinsen in betragsmäßig bestimmter Höhe festsetzte.
2. Auch aus Anlaß dieser Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 14. Juni 1993 unter Hinweis auf die schon im Beschluß B823/91 vom 16. Oktober 1992 ausgebreiteten Bedenken von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §212a Abs9 BAO in der Fassung der Novelle BGBl. 312/1987 ein (G99-102/93).
V. Der Verfassungsgerichtshof hat - nach Verbindung der Gesetzesprüfungsverfahren zur gemeinsamen Entscheidung - erwogen:
1. Die Beschwerdeverfahren sind zulässig.
Es ist von der Bundesregierung nicht geltend gemacht worden und auch im Verfahren nicht hervorgekommen, daß die angeführte Gesetzesstelle in den Anlaßfällen nicht anzuwenden wäre. Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen liegen vor.
2. §212a Abs9 BAO wurde durch Abschnitt XV, ArtI Z11 des Bundesgesetzes BGBl. 312/1987 in die BAO eingefügt und hat folgenden Wortlaut:
"(9) Soweit für Abgabenschuldigkeiten infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt, sind Aussetzungszinsen unter Anwendung des sich aus §212 Abs2 für Stundungszinsen ergebenden Zinsfußes zu entrichten. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Aussetzungszinsen sind vor der Verfügung des Ablaufes (Abs5) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen."
3. Der Verfassungsgerichtshof hat im Prüfungsbeschluß unter Hinweis auf die dort zitierten Literaturmeinungen auf die grundlegenden Unterschiede zwischen den Instituten der Stundung (§212 BAO) und der Aussetzung der Einhebung (§212a BAO) hingewiesen. Die Bundesregierung hat dem nicht widersprochen, sondern im wesentlichen ausgeführt, "daß beide Instrumente rechtlich und wirtschaftlich betrachtet einen Zahlungsaufschub für den Abgabenpflichtigen darstellen", weshalb die Gleichbehandlung der beiden Instrumente in Bezug auf die Höhe der Zinsen geboten ist. Die Bundesregierung beruft sich hiebei auf "enge Wechselbeziehungen" beider "Instrumente" und vermeint, daß falls die Aussetzungszinsen niedriger wären als die Stundungszinsen, "ein nicht unbeträchtlicher Anreiz gegeben würde, daß die Abgabepflichtigen zur Erlangung eines kostengünstigeren Zahlungsaufschubes, vermehrt Berufungen und in deren Folge Anträge auf Aussetzung der Einhebung einbringen würden". Sie geht also im Ergebnis davon aus, daß es sich zwar um verschiedene Rechtseinrichtungen handelt, diese aber in ihren Auswirkungen im wesentlichen gleich sind. Dies trifft jedoch nicht zu. Es genügt in diesem Zusammenhang, auf die Ausführungen des Prüfungsbeschlusses hinzuweisen, die nicht widerlegt wurden.
Im Gegensatz zur Bundesregierung bleibt der Verfassungsgerichtshof bei seiner Auffassung, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung der Stundung einerseits und der Aussetzung andererseits völlig unterschiedlich sind. Das Instrument der Stundung ist für den Fall konzipiert, daß der Abgabepflichtige keinen Einwand gegen den Inhalt bzw. die Richtigkeit des Abgabenbescheides hat. Ein Antrag auf Stundung wird in der Regel gestellt, weil dem Abgabenpflichtigen im Zeitpunkt des Stundungsantrages und während der Dauer der beantragten Stundung entweder überhaupt die Möglichkeit zu bezahlen fehlt oder er die Zahlung in Raten - verteilt auf einen längeren oder kürzeren Zeitraum - anstrebt. Der Aussetzung hingegen liegt ein Streit zwischen dem Abgabenpflichtigen und der Behörde über die Rechtsrichtigkeit des Abgabenbescheides zugrunde. Der Abgabenpflichtige bekämpft den Bescheid der ersten Instanz und strebt die Aussetzung der Zahlungsverpflichtung für die Gesamtdauer des Berufungsverfahrens - ohne Rücksicht auf dessen Dauer, die der Abgabenpflichtige nicht beeinflussen kann - an. Der Hauptunterschied in der rechtlichen Konsequenz ist der, daß - bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen - die Bewilligung der Stundung im Ermessen der Behörde liegt, während auf Bewilligung der Aussetzung ein Rechtsanspruch besteht, um die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 11196/1986 geforderte "faktische Effizienz eines Rechtsbehelfes" zu gewährleisten (vgl. hiezu die im Prüfungsbeschluß zitierte Rechtsprechung und überdies B601/91 vom 2. Oktober 1992, insbesondere S. 12 und 13).
Wenn die Bundesregierung ausführt, daß Rechtsmittel "geradezu provoziert" würden, wenn die Regelung der Aussetzung dahin gehen würde, daß bei Bestätigung des Bescheides keine Zinsen anfielen, so übersieht sie damit, daß der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß keine Bedenken hinsichtlich der Möglichkeit geäußert hat, daß bei Bestätigung eines Bescheides überhaupt Zinsen vorgeschrieben werden; seine Bedenken gingen in diesem Zusammenhang nur dahin, daß die Zinsenhöhe durch die bloße Verweisung auf die jeweilige Höhe der Stundungszinsen nach der geltenden Rechtslage mit dieser vollkommen konform gestaltet wurde, ja daß sogar bei geringen Abgabenschuldigkeiten die Regelung für Stundungen günstiger ist als jene für Aussetzungen (nur §212 Abs2 BAO, nicht jedoch §212a BAO, enthält für Stundungszinsen eine Geringfügigkeitsgrenze, die zu keiner Stundungszinsenvorschreibung führt).
Es braucht in diesem Verfahren nicht zur Höhe der Stundungszinsen Stellung genommen werden, sondern nur zur Höhe der Aussetzungszinsen. Es braucht daher auch nicht untersucht zu werden, ob Stundungszinsen in der derzeitigen Höhe sachlich gerechtfertigt sind. Denn selbst wenn dies zutreffen sollte, handelt es sich - entgegen der Ansicht der Bundesregierung - bei den Stundungszinsen einerseits und den Aussetzungszinsen andererseits der Funktion nach um zwei verschiedene, in ihren Auswirkungen nicht vergleichbare Rechtseinrichtungen.
Wenn die Bundesregierung vorbringt, daß die Höhe der Aussetzungszinsen deshalb gerechtfertigt ist, weil die Kontoüberziehungszinsen bei ungesicherten Girokonten ebenfalls so hoch sind, übersieht sie, daß dies nicht der einzige Vergleichsmaßstab ist. Denn die Überschreitungen eines "Kreditrahmens" eines Kreditinstitutes, also die daraus resultierende Vorschreibung von sogenannten Überziehungszinsen, kann keineswegs mit dem Begriff Kontokorrentzinsen oder Zinsen für sonstige Ausleihungen (zB Darlehen) verglichen werden, mag es sich nun um Kredite mit oder ohne Besicherung handeln. Wenn die Bundesregierung den Zinssatz für Kontoüberziehungen für ungesicherte Kredite heranzieht, so übersieht sie weiters, daß Steuerverpflichtungen in verschiedener Weise abgedeckt werden können: Keinesfalls nur durch Kredite zu Höchstbedingungen, die durch Überziehungen eines Kontos vorgenommen werden, sondern zB auch durch Heranziehung eigener liquider Mittel (etwa unter Verzicht auf Erträgnisse von Geldanlagen, Gutschriften oder Guthaben des Abgabepflichtigen (§212a Abs6)).
Die Bedenken haben sich somit als zutreffend erwiesen. Die Höhe der Zinsen für beantragte Aussetzungen ist nicht gerechtfertigt; sie verhindert sohin den unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Prinzips gebotenen effektiven Rechtsschutz.
Die geprüfte Bestimmung war daher als verfassungswidrig aufzuheben.
VI. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG. Der Verfassungsgerichtshof hat für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt, um den nahtlosen Anschluß einer allfälligen Neuregelung zu ermöglichen. Der Gesetzgeber könnte den verfassungsrechtlichen Anforderungen dabei nicht nur dadurch Rechnung tragen, daß er die Zinsen reduziert, sondern etwa auch dadurch, daß das Risiko des Steuerpflichtigen in anderer Weise limitiert wird: Beispielhaft sei die Möglichkeit angeführt, dem Steuerpflichtigen das Zinsenrisiko in höherem, wirtschaftlich angemessenen Maße nur für eine bestimmte Dauer des Berufungsverfahrens (auf die der Steuerpflichtige im Regelfall keinen Einfluß hat) aufzuerlegen, danach aber nur in vermindertem Maße bzw. überhaupt nicht; sowie die Möglichkeit, vom Abgabenpflichtigen vorzeitig vorgenommene Zahlungen und Tilgungen (vgl. §212a Abs8) im Falle seines Obsiegens ebenfalls angemessen verzinst zurückzuerstatten.
VII. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.
VIII. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.
IX. Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).
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