VfGH V72/93

VfGHV72/9315.12.1993

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnung über das Verbot der Anbahnung und Ausübung der Prostitution an bestimmten Orten; Verwaltungsrechtsweg zumutbar

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ProstitutionsV des Magistrates der Stadt St. Pölten vom 16.10.84
Nö ProstitutionsG §4
AVG §13
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ProstitutionsV des Magistrates der Stadt St. Pölten vom 16.10.84
Nö ProstitutionsG §4
AVG §13

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. a) Mit dem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten (Individual-)Antrag begehrt die Einschreiterin mit näherer Begründung, die Verordnung des Magistrates der Stadt St. Pölten vom 16. Oktober 1984, GZ. 118/20, über das Verbot der Anbahnung und Ausübung der Prostitution an bestimmten Orten innerhalb des Stadtgebietes, zur Gänze wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben.

Zur Antragslegitimation führt die Einschreiterin aus, daß sie im Standort 3100 St. Pölten, Viehofner Straße 15 - dieses Haus wird vom Verbot der zitierten Verordnung erfaßt -, ein Gastgewerbe mit den Berechtigungen nach §189 Abs1 Z2 - 4 GewO betreibe. Sie beabsichtige, an dieser Adresse die Prostitution auszuüben.

b) Die verordnungserlassende Behörde erstattete eine Äußerung, in der sie begehrt, den Antrag wegen der Zumutbarkeit, einen bekämpfbaren Bescheid zu erwirken, als unzulässig zurückzuweisen, in eventu den Antrag als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

Der Antrag ist nicht zulässig.

a) Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

b) Der Antragstellerin steht ein solcher Weg offen:

Gemäß §4 NÖ Prostitutionsgesetz, LGBl. 4005-0, haben über Gebäude oder Gebäudeteile verfügungsberechtigte Personen der Gemeinde anzuzeigen, daß darin die Prostitution angebahnt oder ausgeübt werden soll. Die Einschreiterin übt nach ihren eigenen Angaben das Gastgewerbe an jenem Standort aus, an dem sie der Prostitution nachgehen will. Sie ist also über diesen Gebäudeteil verfügungsberechtigt. Wie die verordnungserlassende Behörde in der von ihr erstatteten Äußerung zutreffend ausführt, sind gemäß §13 AVG Anzeigen als Anbringen an die Behörde zu qualifizieren. Langt daher bei der Gemeinde eine solche Anzeige ein, und ist die Ausübung und Anbahnung der Prostitution aufgrund einer Verordnung der Gemeinde unzulässig, so hat die Behörde der Partei, welche die Anzeige einbringt, dies mit Bescheid zu untersagen.

Sohin hat die Antragstellerin die Möglichkeit, einen Bescheid zu erwirken. Gegen einen negativen, auf die bezughabende Verordnung des Magistrates der Stadt St. Pölten gestützten Bescheid stünde der Antragstellerin nach Ausschöpfung des administrativen Instanzenzuges die (Bescheid-)Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof offen.

III. Der Individualantrag war somit wegen fehlender Antragsberechtigung zurückzuweisen, ohne daß die vom Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten begehrten Kosten zuzusprechen waren (vgl. zB VfGH 9.10.1984 V22,23/83; VfSlg. 9947/1984).

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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