VfGH G223/91

VfGHG223/9124.2.1992

Zurückweisung des Antrags des Oberlandesgerichtes Linz auf Aufhebung des Art28 Abs4 Sbg Landes-VerfassungsG 1945 über die Untersuchungsausschüsse mangels Legitimation; mangelnde Eigenschaft des OLG Linz als zur Entscheidung in zweiter (oder höherer) Instanz berufenes Gericht

Normen

B-VG Art89 Abs2 zweiter Satz
B-VG Art140 Abs1 / Allg
Sbg Landes-VerfassungsG 1945 Art28 Abs4
StPO §114 Abs1
StPO §114 Abs3
B-VG Art89 Abs2 zweiter Satz
B-VG Art140 Abs1 / Allg
Sbg Landes-VerfassungsG 1945 Art28 Abs4
StPO §114 Abs1
StPO §114 Abs3

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1.1.1. Beim Landesgericht Salzburg behängt gegen Dipl.Ing. J R ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem §288 Abs1 StGB iVm Art28 Abs4 Salzburger Landesverfassungsgesetz 1945, LGBl. 1/1947 idF LGBl. 66/1989, begangen laut Strafantrag der Staatsanwaltschaft Salzburg (vom 14. November 1990) am 1. Februar 1990 in Salzburg als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuß des Salzburger Landtags.

Der Einbringung des Strafantrags waren auf Antrag des öffentlichen Anklägers Vorerhebungen des Untersuchungsrichters vorausgegangen.

1.1.2. Mit einem am 15. Jänner 1991 beim Landesgericht Salzburg eingelangten Schriftsatz erhob Dipl.Ing. J R gegen Verfügungen des seinerzeitigen Untersuchungsrichters das Rechtsmittel der Beschwerde, das die Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg mit Beschluß vom 13. März 1991, 30 Ns 3/91-11, zurückwies.

1.1.3. Gegen den Ratskammerbeschluß ergriff Dipl.Ing. J R eine Beschwerde an das Oberlandesgericht Linz.

1.2.1.1. Dieses Gericht stellte aus Anlaß dieser Beschwerde gemäß Art89 Abs2 (iVm Art140 Abs1) B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge den Art28 Abs4 Salzburger Landesverfassungsgesetz 1945 (Sbg. L-VG), LGBl. 1/1947 idF LGBl. 66/1989, als verfassungswidrig aufheben.

1.2.1.2. In diesem Antrag heißt es ua. wörtlich:

"Dem Rechtsmittel des Beschwerdeführers mangelt es zunächst an der Zulässigkeit, da Entscheidungen der Ratskammer, abgesehen von den Fällen des §114 Abs1 StPO, nicht beim Gerichtshof zweiter Instanz - dem Oberlandesgericht - angefochten werden können. Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich - der Katalog des §114 Abs1 StPO ist taxativ - hier nicht. Allerdings ist das Oberlandesgericht aufgrund des §114 Abs3 StPO gehalten, schon eingetretene oder zumindest mögliche materiell-rechtliche Verletzungen, die zum Nachteil des Beschwerdeführers ausschlugen oder ausschlagen könnten, auch in Ansehung verspäteter oder unzulässiger Rechtsmittel wahrzunehmen. Zu Unrecht hat nämlich das Erstgericht eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der eingebrachten Beschwerde mit der Begründung abgelehnt, es fehle dem Beschwerdeführer ab dem Zeitpunkt der Erhebung eines Strafantrags an der 'Beschwer', ist doch die gemäß dem §113 Abs1 StPO unmittelbar bei der Ratskammer einzubringende Beschwerde an keine Frist gebunden."

1.2.2. Die Salzburger Landesregierung erstattete eine schriftliche Stellungnahme. Darin trat sie für die Zurückweisung, hilfsweise für die Abweisung des Antrages des Oberlandesgerichtes Linz ein.

1.2.3. Dipl.Ing. J R pflichtete in einer als Beteiligter des verfassungsgerichtlichen Verfahrens abgegebenen schriftlichen Äußerung der Sache nach dem Antrag des Oberlandesgerichtes Linz bei.

2. Über den Antrag wurde erwogen:

2.1. Gemäß Art140 Abs1 Satz 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. auf Antrag eines zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichtes über die Verfassungswidrigkeit eines (für das anfechtende Gericht präjudiziellen) Bundes- oder Landesgesetzes (s. aber VfGH 13.12.1991 G280,281/91 und G325/91: Die Antragslegitimation des Obersten Gerichtshofs hängt nicht davon ab, daß dieses Gericht zur Entscheidung "in zweiter Instanz" berufen ist).

2.2. Ob nun die Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg als Rechtsmittelgericht (vgl. VfSlg. 9276/1981, 10177/1984) die Bestimmungen des Art28 Abs4 Sbg. L-VG bei der Entscheidung über die Beschwerde des Dipl.Ing. R überhaupt (iSd Art89 Abs2 B-VG) anzuwenden hatte, kann hier auf sich beruhen. Ausschlaggebend ist nur, daß sie sich damals zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofs gemäß Art89 Abs2 B-VG (Art140 Abs1 B-VG) nicht veranlaßt sah.

Denn das - auf die weitere Beschwerde des Dipl.Ing. R hin - mit der Rechtssache befaßte Oberlandesgericht Linz kann einen solchen Antrag der Ratskammer schon deshalb nicht nachholen, weil ihm im konkreten Fall die Eigenschaft eines zur Entscheidung in zweiter (oder höherer) Instanz berufenen Gerichtes fehlt:

Der Beschuldigte hatte zwar gegen den Beschluß der Ratskammer eine an das Oberlandesgericht Linz gerichtete Beschwerde eingelegt, doch ist dieses Rechtsmittel - da es sich hier um keinen der in § 114 Abs1 StPO aufgezählten Fälle handelt und eine Beschwerde in anderen (gesetzlichen) Bestimmungen nicht ausdrücklich zugelassen wurde - jedenfalls unzulässig. Daß dem Oberlandesgericht Linz - das im übrigen bei der laut Anfechtungsschriftsatz offenbar in Aussicht genommenen Zurückweisung dieser unzulässigen Beschwerde keine der Vorschriften der Salzburger Landesverfassung anzuwenden hat - gemäß §114 Abs3 Halbsatz 2 StPO die Befugnis zukommt, die Beseitigung unterlaufener "Gebrechen des Verfahrens" selbst dann anzuordnen, wenn eine Beschwerde dagegen nicht ergriffen werden konnte oder nicht ergriffen wurde, ist im gegebenen Zusammenhang rechtlich bedeutungslos. In Ausübung dieses Rechtes handelt das Oberlandesgericht nämlich nicht als zur Entscheidung in zweiter (oder höherer) Instanz berufenes, dh. im Rechtsmittelverfahren gesetzlich zuständiges Gericht; es wird dadurch auch nicht zu einem solchen Gericht (vgl. dazu: VfSlg. 11248/1987, 11315/1987, 11480/1987 uam.). Dies aber wäre unabdingbare Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art89 Abs2 iVm Art140 Abs1 B-VG.

2.3. Der Gesetzesprüfungsantrag war sohin mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.

2.4. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

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