VfGH G1/92

VfGHG1/9215.6.1992

Sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen Anrechnungsvorschriften betreffend die Tätigkeit als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband für die Zulassung zur Fachprüfung für (bloße) "Steuerberater" und zur Fachprüfung für "Buchprüfer und Steuerberater"

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Wirtschaftstreuhänder-BerufsO-Nov 1982 ArtII Z11 und Z12 idF Wirtschaftstreuhänder-BerufsO-Nov 1986 ArtII
Wirtschaftstreuhänder-BerufsO §10 Abs1
Wirtschaftstreuhänder-BerufsO §10 Abs2
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Wirtschaftstreuhänder-BerufsO-Nov 1982 ArtII Z11 und Z12 idF Wirtschaftstreuhänder-BerufsO-Nov 1986 ArtII
Wirtschaftstreuhänder-BerufsO §10 Abs1
Wirtschaftstreuhänder-BerufsO §10 Abs2

 

Spruch:

§10 Abs1 und 2 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1955, BGBl. Nr. 125, über das Berufsrecht der Wirtschaftstreuhänder (Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung), in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 380/1986, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B542/91 das Verfahren über eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Der Landeshauptmann von Steiermark wies mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 2. April 1991 das Ansuchen des Beschwerdeführers um Zulassung zur Fachprüfung für Steuerberater gemäß §10 Abs1 der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, BGBl. 125/1955, idF der Novelle BGBl. 380/1986, (im folgenden kurz: WTBO), ab. Es mangle dem Beschwerdeführer an einem unabdingbaren Erfordernis für die Zulassung zur erwähnten Fachprüfung, nämlich einer mindestens 2 1/2-jährigen Berufsanwartschaft. Der Beschwerdeführer habe durch die sechsjährige Tätigkeit bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband und die 1 1/2-jährige Tätigkeit in einer Steuerberatungskanzlei die Voraussetzungen für die Zulassung zur Fachprüfung für Steuerberater nicht erfüllt.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die eingangs erwähnte Verfassungsgerichtshofbeschwerde.

2.a) Der Verfassungsgerichtshof beschloß am 12. Dezember 1991, aus Anlaß dieser Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit des §10 Abs1 und 2 WTBO zu prüfen.

b) Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Gemäß §2 Abs1 WTBO untergliedern sich die Wirtschaftstreuhänder in drei Berufsgruppen:

Die Befugnisse der jeweiligen Berufsgruppe sind in den §§31 bis 33 WTBO geregelt.

Voraussetzung für die Zulassung zur Fachprüfung (für die jeweilige Berufsgruppe) ist u.a. der Nachweis einer bestimmten Berufspraxis. Für jede der drei Berufsgruppen ist diese Voraussetzung unterschiedlich.

§10 WTBO bestimmt hiezu auszugsweise:

"§10. (1) Für die Zulassung zur Fachprüfung für Steuerberater ist eine mindestens vierjährige Tätigkeit als Berufsanwärter in einer Wirtschaftstreuhandkanzlei erforderlich; auf diese sind

  1. 1. eine praktische Tätigkeit in Wirtschaft oder Verwaltung, in der sich der Bewerber die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen eines Wirtschaftstreuhänders aneignen konnte, im Höchstausmaß von eineinhalb Jahren und

  1. 2. ein Hochschulstudium gemäß §9 Abs1 und 2, falls es im Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgeschlossen war, im Höchstausmaß von einem Jahr und

  1. 3. die Tätigkeit als Prüfer in der Prüfungsstelle des Sparkassen-Prüfungsverbandes (§24 des Sparkassengesetzes 1979 in der Fassung des Bundesgesetzes 326/1986) im Höchstausmaß von eineinhalb Jahren

anzurechnen, wobei deckungsgleiche Zeiten gemäß Z1, 2 und 3 nur einfach und Zeiten, in denen der Zulassungswerber als Berufsanwärter tätig war, überhaupt nicht zu berücksichtigen sind; die Anrechnung darf insgesamt eineinhalb Jahre nicht überschreiten.

(2) Für die Zulassung zur Fachprüfung für Buchprüfer und Steuerberater ist eine mindestens sechsjährige Tätigkeit als Berufsanwärter in einer Wirtschaftstreuhandkanzlei erforderlich; auf diese sind Zeiten anzurechnen,

  1. 1. in denen der Zulassungswerber bereits als Steuerberater bestellt und tätig war, in doppeltem Ausmaß,

  1. 2. in denen der Zulassungswerber als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband tätig war, mit ihrer tatsächlichen Dauer, und

  1. 3. in denen sich der Zulassungswerber bei einer praktischen Tätigkeit in Wirtschaft oder Verwaltung die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen eines Wirtschaftstreuhänders aneignen konnte, bis zum Höchstausmaß von zwei Jahren; als solche Tätigkeit ist auch eine hauptberufliche facheinschlägige Tätigkeit als Universitätslehrkraft oder als Lehrer für kaufmännische Fächer an mittleren und höheren Schulen anzusehen.

(3) Für die Zulassung zur Fachprüfung für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ist eine mindestens dreijährige Tätigkeit als Steuerberater oder als Buchprüfer und Steuerberater erforderlich.

(4) ..."

c) Der Verfassungsgerichtshof äußerte im Einleitungsbeschluß zwar keine Bedenken dagegen, daß das Gesetz für den Antritt einer Erwerbstätigkeit eine sachlich gerechtfertigte Ausbildung (so auch eine bestimmte Praxis) vorsieht; Art und Dauer der (praktischen) Ausbildung könnten der verschiedenen Erwerbstätigkeit entsprechend unterschiedlich sein; dem Gesetzgeber sei bei der Beurteilung, welche Praxis erforderlich ist, ein weiter Rahmen eingeräumt. Der Gesetzgeber habe aber auch in diesem Zusammenhang den Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG) und das sich aus dem Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit (Art6 StGG) ergebende Gebot zu beachten, daß die zur Zielerreichung eingesetzten Mittel adäquat sein müssen.

Sodann wird im Einleitungsbeschluß ausgeführt:

"Dieses Verfassungsgebot scheint der Gesetzgeber hier mißachtet zu haben:

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß die Tätigkeit des Buchprüfers und Steuerberaters die Tätigkeit des (bloßen) Steuerberaters zur Gänze umfaßt, (auch wenn in den §§32 und 33 WTBO die Befugnisse der beiden Berufsgruppen unabhängig voneinander aufgezählt sind), daß also die Befugnisse eines Buchprüfers und Steuerberaters jedenfalls auch alle jene umfassen, die einem (bloßen) Steuerberater zukommen.

Dann aber erscheint eine Differenzierung zwischen den beiden Berufsgruppen nur derart zulässig zu sein, daß für die erstgenannte Berufsgruppe strengere Berufsantrittsvoraussetzungen vorgesehen werden als für die zweitgenannte. Jedenfalls dürften praktische Vorbereitungszeit und -arten, die für die Buchprüfer und Steuerberater als hinreichend erachtet werden, auch für die (mit weniger Befugnissen ausgestatteten) Steuerberater genügen.

Nun akzeptiert aber die WTBO u.a. die Zeit, in der der Zulassungswerber als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband tätig war, im vollen Ausmaß als praktische Vorbereitungszeit für die Berufsgruppe 'Buchprüfer und Steuerberater' (§10 Abs2 Z2); hingegen ist für die Berufsgruppe 'Steuerberater' eine derartige Anrechnungsregel nicht vorgesehen (§10 Abs1), zumindest nicht ausdrücklich. Sollte unter der in §10 Abs1 Z1 erwähnten 'praktischen Tätigkeit in Wirtschaft und Verwaltung, in der sich der Bewerber die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen eines Wirtschaftstreuhänders aneignen konnte,' auch die Tätigkeit als Revisor in einem genossenschaftlichen Prüfungsverband zu verstehen sein, wäre anscheinend noch immer eine sachlich ungerechtfertigte, unadäquate Regelung deshalb gegeben, weil im Fall einer solchen Subsumtion die Anrechnung dieser Tätigkeit für 'Steuerberater' nur im Höchstausmaß von eineinhalb Jahren erfolgen dürfte, für 'Buchprüfer und Steuerberater' aufgrund der ausdrücklichen Regelung in §10 Abs2 Z2 hingegen unbeschränkt möglich ist.

Diese vorläufige Meinung des Verfassungsgerichtshofes dürfte nicht im Gegensatz zum Erkenntnis VfSlg. 5968/1969 stehen: Nach der damals geltenden Rechtslage war in Zusammenhang mit der Zulassung zur Fachprüfung für Buchprüfer und Steuerberater eine Anrechnung bestimmter Ersatzzeiten nur bezüglich einer von zwei - alternativ geforderten - Vorbereitungstätigkeiten vorgesehen. Der Verfassungsgerichtshof gelangte zur Ansicht, diese Vorbereitungstätigkeiten seien nicht ein 'Gleiches', weshalb eine differenzierende Regelung der genannten Art zulässig sei.

Der Verwaltungsgerichtshof lehnte es mit Erkenntnis vom 29. April 1970, Zl. 1345/69, ab, einen Größenschluß etwa derart zu ziehen, daß eine Gleichstellung von verschiedenartigen, im Rahmen der für die verschiedenen Fachprüfungen nach der WTBO erforderlichen Vorbereitung zurückgelegten Tätigkeiten erzielt wird. Eine solche Interpretation komme - wie es in der Begründung dieses Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisses lautet - nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht in Betracht. Der Verfassungsgerichtshof schließt sich vorläufig dieser Meinung an; es scheint daher ausgeschlossen zu sein, §10 WTBO verfassungskonform derart auszulegen, daß Abs2 Z2 auch hinsichtlich der Zulassung zur Fachprüfung für (bloße) Steuerberater anzuwenden ist."

Abschließend wird im Einleitungsbeschluß darauf hingewiesen, daß im Gesetzesprüfungsverfahren zu erörtern sein werde, ob die "praktische Tätigkeit in Wirtschaft und Verwaltung" in der Bedeutung des §10 Abs1 Z1 WTBO auch die Tätigkeit als Genossenschaftsrevisor iS des §10 Abs2 Z2 WTBO umfaßt; vor allem eine systematische Interpretation - so die vorläufige Annahme im Einleitungsbeschluß - dürfte dies allerdings eher ausschließen.

3. Die Bundesregierung erstattete im Gesetzesprüfungsverfahren eine Äußerung, in der sie beantragt, die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken träfen nicht zu.

Die Bundesregierung begründet dies folgendermaßen:

"Da die Ausübung der gemäß §10 Abs2 Z2 WTBO anrechenbaren Tätigkeit als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband vorwiegend in der Revision von (Geschäfts-)Büchern besteht, werden durch die in Rede stehende Tätigkeit in erster Linie berufliche Erfahrungen auf dem Gebiet der Buchprüfung und damit für die Tätigkeit als Buchprüfer und Steuerberater erworben. Hingegen ist als Kernbereich der Tätigkeit der (bloßen) Steuerberater die Beratung in Steuer(-rechts)angelegenheiten und die Vertretung der Abgabepflichtigen vor den Abgabenbehörden, also nicht die Buchprüfung anzusehen, weshalb eine Tätigkeit als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband für (bloße) Steuerberater nicht als Berufsvorbereitung wie für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater (gemeint wohl: Buchprüfer und Steuerberater) angesehen werden kann.

Daher ist es sachlich durchaus gerechtfertigt, daß die Tätigkeit als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband als Zulassungsvoraussetzung für die Fachprüfung für Buchprüfer und Steuerberater, wie dies im §10 Abs2 Z2 WTBO der Fall ist, berücksichtigt wird, während demgegenüber eine Berücksichtigung der Tätigkeit als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband hinsichtlich der Zulassung zur Fachprüfung für (bloße) Steuerberater im §10 Abs1 WTBO nicht erfolgt.

Der Umstand, daß der Tätigkeitsbereich der Berufsgruppe Buchprüfer und Steuerberater weiter gefaßt ist als jener der (bloßen) Steuerberater, scheint entgegen den Bedenken im zitierten Beschluß des Verfassungsgerichtshofes gerade dafür zu sprechen, daß als Ausbildungserfordernis für die Ausübung von Tätigkeiten der erstgenannten Berufsgruppe durchaus andere praktische Vorbereitungszeiten oder -arten in Frage kommen als für die Ausübung von Tätigkeiten der zweitgenannten Berufsgruppe. Dies deshalb, weil durch bestimmte praktische Vorbereitungszeiten oder -arten - wie eben jene als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband - Kenntnisse und Erfahrungen für Tätigkeiten vermittelt werden, die zwar im weiteren Berechtigungsumfang für Buchprüfer und Steuerberater enthalten, nicht aber oder nicht in demselben Ausmaß dem Tätigkeitsbereich der (bloßen) Steuerberater zuzuordnen sind."

Zur Auslegung von §10 Abs1 Z1 WTBO bemerkt die Bundesregierung:

"Aus der Formulierung des §10 Abs1 Z1 WTBO 'eine praktische Tätigkeit in Wirtschaft oder Verwaltung, in der sich der Bewerber die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen eines Wirtschaftstreuhänders aneignen konnte' ist nicht zu entnehmen, daß der Gesetzgeber eine bestimmte Tätigkeit von vornherein ausschließen oder eine bestimmte Tätigkeit in jedem Fall einbezogen wissen wollte. Maßgeblich ist einzig, daß die Tätigkeit geeignet sein muß, die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen zu vermitteln; dies wird vom Prüfungswerber darzulegen sein. Es erscheint somit nicht ausgeschlossen, daß bei Zutreffen der erforderlichen Kriterien der grundsätzlichen Eignung auch eine Tätigkeit als Genossenschaftsrevisor im Sinne des §10 Abs2 Z2 WTBO als 'praktische Tätigkeit in Wirtschaft und Verwaltung' im Sinne des §10 Abs1 Z1 WTBO in Frage kommen kann. Von einer ausdrücklichen Anführung dieser Tätigkeit im Gesetz jedoch wurde im Hinblick auf ihre in jedem Fall nur beschränkte Eignung zur Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen für den Beruf des Steuerberaters abgesehen.

Im Lichte der obigen Ausführungen könnte auch eine Berücksichtigung der Tätigkeit als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband auf der Grundlage des §10 Abs1 Z1 WTBO lediglich im Höchstausmaß von eineinhalb Jahren durchaus als sachlich geboten und somit verfassungskonform angesehen werden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß gemäß ArtII Z11 der WTBO-Novelle 1982, BGBl. Nr. 352 in der Fassung des ArtII der WTBO-Novelle 1986, BGBl. Nr. 380, Ansuchen um Zulassung zur Fachprüfung für Buchprüfer und Steuerberater bis spätestens 31. Dezember 1986 einzubringen waren. ArtII Z12 leg.cit. bestimmt weiters, daß Bewerber, die zur Fachprüfung für Buchprüfer und Steuerberater zugelassen wurden oder noch zugelassen werden, diese Prüfungen einschließlich allfälliger Wiederholungsprüfung bis spätestens 30. Juni 1991 ablegen müssen, widrigenfalls die Zulassung verfällt.

Aus den zitierten Bestimmungen geht hervor, daß es sich bei der die Zulassung zur Fachprüfung für Buchprüfer und Steuerberater betreffenden Bestimmung des §10 Abs2 WTBO praktisch um nicht mehr anwendbares Recht handelt. Es erscheint daher fraglich, ob aus einer Gegenüberstellung des §10 Abs1 WTBO mit der nicht mehr anwendbaren Regelung des §10 Abs2 Z2 WTBO, eine Verfassungswidrigkeit einer dieser Bestimmungen abgeleitet werden kann. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die zuletzt genannte Bestimmung im Hinblick auf die genannte Übergangsregelung als Vergleichsmaßstab ungeeignet."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Anlaßbeschwerde ist zulässig. Der Verfassungsgerichtshof wird daher über sie meritorisch zu entscheiden haben. Hiebei hätte er u.a. §10 Abs1 und 2 WTBO, die in der Sache untrennbar zusammenhängen, anzuwenden. Diese Bestimmungen sind daher präjudiziell.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Das Gesetzesprüfungsverfahren hat ergeben, daß die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken nicht zutreffen:

Aus ArtII Z11 und 12 der WTBO-Novelle 1982, BGBl. 352, idF des ArtII der WTBO-Novelle 1986 ergibt sich, daß die Berufsbefugnis als "Buchprüfer und Steuerberater" nicht mehr erworben werden kann. Der Bundesregierung ist daher beizupflichten, daß im Hinblick auf die eben genannte Regelung die Bestimmung des § 10 Abs2 WTBO unanwendbares Recht geworden ist und deshalb nunmehr aus dem Vergleich des §10 Abs2 Z2 mit §10 Abs1 WTBO eine Gleichheitswidrigkeit nicht (mehr) direkt abgeleitet werden könnte.

Allerdings ist §10 Abs2 Z2 WTBO dessenungeachtet für die Beurteilung der Sachlichkeit der - nach wie vor anwendbaren - Anrechnungsvorschriften für (bloße) Steuerberater weiterhin bedeutsam. Aus dieser Bestimmung ist nämlich zu erkennen, daß der Gesetzgeber der Meinung war, jede Tätigkeit als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband sei derart beschaffen, daß sie in vollem Ausmaß als praktische Vorbereitungstätigkeit für die Zulassung zur Fachprüfung für die Berufsgruppe "Buchprüfer und Steuerberater" akzeptiert werden könne. Nichts spricht dagegen, daß diese Annahme des Gesetzgebers seinerzeit (bei Erlassung dieser Regelung) zutreffend war. Daran hat sich seither nichts geändert.

Zwar ist der Bundesregierung einerseits darin beizupflichten, daß bei (bloßen) "Steuerberatern" in der Praxis der Kernbereich der Tätigkeit in der Beratung in Steuer(-rechts)angelegenheiten liegt und nicht etwa (auch) in Buchprüfungen, andererseits, daß die Tätigkeit als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband nicht so sehr in der Bearbeitung von Steuerfällen, sondern in der Revision von (Geschäfts-)Büchern besteht. Schon im Hinblick darauf, daß die gesetzlichen Befugnisse der (bloßen) "Steuerberater" geringer sind als jene der "Buchprüfer und Steuerberater" und in keinem Fall darüber hinausgehen (vgl. §§32 und 33 WTBO), kann gleichwohl nicht davon gesprochen werden, die Tätigkeit der (bloßen) "Steuerberater" unterscheide sich in der hier maßgebenden Hinsicht dermaßen von jener der "Buchprüfer und Steuerberater", daß eine Regelung sachlich zu rechtfertigen wäre, die die Anerkennung jeder Tätigkeit als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband als praktische Vorbereitungstätigkeit für (bloße) "Steuerberater" absolut ausschlösse.

Wohl aber würden die aufgezeigten Umstände eine sachliche Rechtfertigung für eine Regelung bilden, wonach eine solche Revisoren-Tätigkeit bei (bloßen) "Steuerberatern" zwar nicht zur Gänze, aber bis zu einem bestimmten Zeitausmaß (etwa eineinhalb Jahre) und (nur) unter bestimmten Umständen auf die erforderliche Tätigkeit als Berufsanwärter in einer Wirtschaftstreuhandkanzlei anzurechnen ist.

Tatsächlich enthält nun §10 Abs1 Z1 WTBO eine derartige Regelung; auch die Bundesregierung ist dieser Meinung. Auch die Tätigkeit als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband ist nämlich dann als "praktische Tätigkeit in Wirtschaft oder Verwaltung" iS dieser Gesetzesbestimmung anzusehen und daher im Höchstausmaß von eineinhalb Jahren anzurechnen, wenn sich der Bewerber dabei "die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen eines Wirtschaftstreuhänders aneignen konnte", und zwar - wie sich aus dem Sinn des Gesetzes ergibt - insbesondere jene, die für einen (bloßen) "Steuerberater" nötig sind.

Damit aber sind die im Einleitungsbeschluß angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken entkräftet.

§10 Abs1 und 2 WTBO war mithin nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

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