VfGH V6/92

VfGHV6/925.10.1992

Gesetzwidrigkeit einer Gemeindeverordnung wegen Begründung des Gemeingebrauches an einem privaten Weg durch Öffentlicherklärung mangels Eigentumserwerb durch die Gemeinde

Normen

Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 11.12.90. ZOÖ 418/79/90, über die Öffentlicherklärung eines privaten Weges
Krnt StraßenG 1978 §2 Abs3
Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 11.12.90. ZOÖ 418/79/90, über die Öffentlicherklärung eines privaten Weges
Krnt StraßenG 1978 §2 Abs3

 

Spruch:

1. Die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 11. Dezember 1990, Z ÖO 418/79/90, mit der eine im Lageplan der Verordnung farblich dargestellte Fläche zum Verbindungsweg erklärt wird, wird, soweit sie die Grundstücke GP 635, 638 und 640, EZ 8, KG Neudorf betrifft, als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Kärntner Landesregierung ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

2. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

3. Die Landeshauptstadt Klagenfurt ist schuldig, der Antragstellerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit

S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 8 KG Neudorf, zu welcher unter anderem die Grundstücke GP 635, 638 und 640 gehören.

Am 11. Dezember 1990 beschloß der Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt gemäß den §§3 Abs1 Z6 und 19 Abs1 des Kärntner Straßengesetzes 1978, LGBl. 33, idF LGBl. 44/1988, eine Verordnung folgenden Wortlauts:

"§1

Die im beiliegenden Lageplan farblich dargestellte Fläche wird zum Verbindungsweg erklärt.

§2

Der angeführte Plan bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

§3

Die Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft."

Diese Verordnung wurde am 8. November 1990 durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht.

Der Beschlußfassung des Gemeinderates war ein Antrag der Abteilung Tiefbau des Magistrates der Landeshauptstadt Klagenfurt vorausgegangen, eine dem Antrag beiliegenden Lageplan farblich dargestellte Fläche, darunter Teile der Grundstücke GP 635, 638 und 640, alle KG Neudorf, im Ausmaß von insgesamt 474 m2, zum Verbindungsweg zu erklären, da dies vor Einleitung weiterer Grundeinlöseverhandlungen erforderlich sei.

2. Der am 30. Jänner 1992 eingebrachte Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG begehrt die Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates vom 11. Dezember 1990. Mit der angefochtenen Verordnung werde kein anderer Zweck verfolgt, als derjenige, massiv im Wege einer "stillen Enteignung" in die sachenrechtliche volle Dispositionsfähigkeit der Antragstellerin in Ansehung der bezeichneten Weggrundstücke einzugreifen. Es stehe ihr kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um sich gegen die rechtswidrige Verordnung zur Wehr setzen zu können, weshalb die Antragstellerin ihre Antragslegitimation für gegeben erachtet. Die Verordnung sei gesetzwidrig, da Verordnungen gemäß §3 Abs1 Z4 bis 6 Kärntner Straßengesetz 1978, welche in der Natur bereits vorhandene Straßen oder Wege betreffen, an denen - wie vorliegend - kein Gemeingebrauch bestehe, frühestens mit dem Tag in Kraft gesetzt werden dürften, an dem die Gemeinde aufgrund von Verträgen oder durch Enteignung Eigentum an den in Betracht kommenden Grundstücken erworben habe. Die gegenständlichen Grundstücke, an welchen kein Gemeingebrauch bestehe, stünden jedoch nach wie vor im Eigentum der Antragstellerin. Die in der Verordnung enthaltene Inkrafttretensbestimmung erweise sich daher als gesetzwidrig; die Verordnung finde in §3 Abs2 Kärntner Straßengesetz 1978 keine Deckung. Abschließend stellt die Antragstellerin den Antrag, die Verordnung zur Gänze, in eventu ihre Inkrafttretensbestimmung, aufzuheben.

3. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt weist in seiner Äußerung zum Verordnungsprüfungsantrag darauf hin, daß die "Beschwerdeführerin" ausschließlich den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung, nicht jedoch die sachliche Notwendigkeit für die Herstellung des öffentlichen Weges und dessen Verlaufs bestreite; die Verordnung liege überdies "im Interesse der Beschwerdeführerin". Es wird jedoch eingeräumt, daß weder Gemeingebrauch noch Eigentum der Stadt Klagenfurt an den gegenständlichen Grundstücken bestünde und daß die Verordnung zu früh in Kraft gesetzt worden sei.

Die Kärntner Landesregierung sah von der Erstattung einer schriftlichen Äußerung zum Gegenstand ab.

II. 1. Der Antrag ist, soweit er die im Eigentum der Antragstellerin stehenden - planlich abgrenzbaren (VfSlg. 11592/1987) - Grundstücke GP 635, 638 und 640 KG Neudorf betrifft, zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. VfSlg. 9375/1982 und die dort zitierte Vorjudikatur) greift eine Verordnung, die einen in der Natur bereits vorhandenen und daher benützbaren Weg zur öffentlichen Verkehrsfläche erklärt, in die Rechtssphäre des betreffenden Grundeigentümers aktuell und nicht bloß potentiell ein; zur Konkretisierung dieser Wirkung der Verordnung bedarf es keines weiteren behördlichen Aktes.

2. Die Wirkungen der angefochtenen Verordnung, von denen sich die Antragstellerin unmittelbar betroffen erachtet, erstrecken sich jedoch nur auf ihre Grundstücke. Soweit sich der Antrag über die im Eigentum der Antragstellerin stehenden Liegenschaften hinaus auf alle von der Verordnung erfaßten Grundstücke erstreckt, ist er als unzulässig zurückzuweisen (vgl. zu Flächenwidmungsplänen VfSlg. 11850/1988 mwH).

III. 1. Der Antrag ist - soweit er zulässig ist - auch begründet.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach (VfSlg. 9375/1982, 9377/1982, 9877/1983) dargelegt hat, wird (dies gilt auch für die Rechtslage nach dem Kärntner Straßengesetz 1978) durch die Öffentlicherklärung eines in der Natur schon bestehenden privaten Weges in gesetzwidriger Weise Gemeingebrauch begründet, solange die Gemeinde nicht das Eigentum an den in Betracht kommenden Straßengrundstücken - oder allenfalls ein Verfügungsrecht kraft eines anderen Privatrechtstitels - erworben hat.

2. Da im vorliegenden Fall feststeht, daß weder ein Eigentumserwerb noch der Erwerb eines sonstigen dinglichen Rechtes stattgefunden hat, genügt es, auf die Vorjudikatur zu verweisen (vgl. insb. das Erkenntnis VfSlg. 9877/1983, welches ebenfalls eine Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt betraf). Die bekämpfte Verordnung ist daher - soweit der Antrag zulässig ist - als gesetzwidrig aufzuheben. Eine Aufhebung nur der Inkrafttretensbestimmung kommt nicht in Betracht, da dies keine Auswirkungen auf die Geltung der (bereits in Kraft getretenen) Verordnung hätte.

IV. 1. Der Ausspruch über die Kundmachungspflicht stützt sich auf Art139 Abs5 erster Satz B-VG.

2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §61a VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,-- enthalten.

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