VfGH B422/90

VfGHB422/9025.2.1991

Keine denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Ausländergrunderwerbs aufgrund der Annahme drohender Überfremdung und mangels eines dauernden Wohnbedarfs des Erwerbers

Normen

StGG Art5
Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita
Tir GVG 1983 §4 Abs2 litb
StGG Art5
Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita
Tir GVG 1983 §4 Abs2 litb

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

Der Antrag der Beschwerdeführer, die Rechtssache an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Gegenstand eines am 13. Dezember 1988 zwischen C K und H S abgeschlossenen Tauschvertrages sind die in ihrem jeweiligen Eigentum stehenden Liegenschaften EZ 1 II KG Vorderhornbach und 112,85/1000stel Miteigentumsanteile am Grundstück "Flst. Nr. 15494/2, Rablstraße 39, Wohnhaus, Hofraum zu 0/0410 ha verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 13 laut Aufteilungsplan" im Grundbuch des Amtsgerichtes München.

Beide Vertragsteile sind ausländische Staatsangehörige.

2.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Vorderhornbach bei der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 22. Februar 1989 wurde diesem Rechtsgeschäft die grundverkehrsbehördliche Genehmigung gemäß §3 Abs1 iVm §4 Abs2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. für Tirol Nr. 69 idF LGBl. Nr. 45/1988 (im folgenden: GVG 1983), versagt, weil die EZ 1 II KG Vorderhornbach im landwirtschaftlichen Mischgebiet liege und für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit besonders geeignet sei und der Erwerb durch eine Person, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, nicht zur Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes benötigt werde.

2.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 28. November 1989, Z LGv - 696/7-89, als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:

"... Wie die Landesgrundverkehrsbehörde ... wiederholt ausgesprochen hat, findet sich im Gesetz kein Anhaltspunkt für eine restriktive Rechtsanwendung, daß ein Widerspruch zu den im §4 Abs2 1.Satz GVG 1983 genannten Interessen nur dann vorliegen könne, wenn eine 'weitere' Überfremdung drohe, also eine Erhöhung des Ausmaßes des schon vorhandenen ausländischen Grundbesitzes bzw. der Zahl der ausländischen Grundbesitze eintrete. Aus der Wortfolge 'einzutreten droht' ist vielmehr unter Zugrundelegung einer grammatikalischen wie auch teleologischen Interpretation abzuleiten, daß §4 Abs2 lita GVG 1983 nicht auf die Staatsbürgerschaft des Veräußerers abstellt und dieser Tatbestand auch dann anzunehmen ist, wenn infolge der Versagung der Zustimmung die bloße Möglichkeit begründet wird, einer aus welchen Gründen immer bereits eingetretenen Überfremdungsgefahr entgegenzuwirken. ...

... Wenn man ... bedenkt, daß sich der Anteil der

ausländischen Grundbesitzer in der Gemeinde Vorderhornbach nach

dem Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens der 5 %-Marke

nähert und das Ausmaß ausländischen Grundbesitzes bereits 10 ha

übersteigt, so kann im Hinblick auf die ständige Rechtssprechung

des Verfassungsgerichtshofes ... nicht in Abrede gestellt werden,

daß in dieser Gemeinde eine Überfremdung einzutreten droht. Dies

umso mehr, als nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes

... Überfremdungsgefahr bereits dann vorliegt, wenn sich der

Ausländeranteil in der Struktur der jeweiligen Gemeinde oder Ortschaft bemerkbar macht. In Ansehung des Umstandes, daß in einer Gemeinde mit nicht einmal 300 Einwohnern eine inmitten des Ortsgebietes gelegene Liegenschaft im Ausmaß von immerhin 22 a 37 m2 (erneut) ins Eigentum eines ausländischen Erwerbers kommen soll, ist daher nach Meinung der erkennenden Behörde eine Beeinflussung der gemeindlichen Infrastruktur durchaus gegeben

...

...

Mit Rücksicht auf die Festlegungen des gemeindlichen Flächenwidmungsplanes für den gegenständlichen Bereich (Bauland im Sinne des §14 Abs1 Tiroler Raumordnungsgesetz 1984) kann sich die erkennende Behörde auch nicht dem Argument der Erstinstanz verschließen, daß nämlich der vorliegende Grunderwerb auch im Widerspruch zur Vorschrift des §4 Abs2 litb GVG 1983 steht. Die vorzitierte Gesetzesstelle des Tiroler Raumordnungsgesetzes verweist bezüglich der Zulässigkeit von Wohnbauten auf §12 Abs1 TROG 1984 ..., sodaß ein solches Gebiet für die heimische Wohn- und Siedlungstätigkeit wenn schon nicht prädestiniert, so jedenfalls aber als 'besonders geeignet' im Sinne des §4 Abs2 GVG 1983 angesehen werden muß, zumal ...

die Liegenschaft ... - unbestrittenermaßen - in einem mit

Wohnobjekten inländischer Staatsangehöriger verbauten, vollkommen

erschlossenen Gebiet im Ortskern der Gemeinde liegt ... Wenn die

Berufungswerber in diesem Zusammenhang vorbringen, daß 'das gegenständliche Objekt schon auf Grund der Ausstattung tatsächlich nicht für Siedlungszwecke der einheimischen Bevölkerung dienlich ist' ..., ist ihnen zu erwidern, daß der

1. Halbsatz des §4 Abs2 litb GVG 1983 auf ... die abstrakte Eignung eines Gebietes zur Befriedigung der heimischen sozialen Wohn- und Siedlungstätigkeit und nicht auf ein allfenfalls errichtetes Gebäude abstellt.

Ausgehend von diesen Erwägungen müßten nun aber gemäß §4 Abs2 litb GVG 1983 die Grundstücke bzw. das darauf errichtete Wohnhaus der Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes des Zweitberufungswerbers dienen ... Nun wurde aber vom Zweitberufungswerber in diesem Zusammenhang lediglich behauptet, daß er seinen Beruf als Rechtsanwalt in München im Jahre 1991 aufgeben und endgültig nach Vorderhornbach verziehen werde. Weder im erstinstanzlichen Verfahren noch auf Berufungsebene ergaben sich Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Überzeugungskraft dieser Erklärung ... zu unterstützen ... (Es) erscheint nach Meinung der Landesgrundverkehrsbehörde schon im Hinblick auf den Umstand, daß der Zweitberufungswerber zu dem von ihm für die Auflassung seiner beruflichen Tätigkeit ins Auge gefaßten Zeitpunkt ein Alter von lediglich 44 Jahren erreicht hätte, die Besorgnis begründet, daß es nicht zur Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzung der (Dauer-)Wohnsitzbegründung kommen wird. Daß auch die Ehegattin des Zweitberufungswerbers ihren Wohnsitz auf dem Vertragsobjekt errichten will, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidungswesentlich ...

Nichts zu gewinnen ist für die Berufungswerber mit dem Vorbringen, daß kein inländisches Interesse am Erwerb der gegenständlichen Liegenschaft bestehe, weil derartige Umstände bei der nach §4 Abs2 GVG 1983 vorzunehmenden Entscheidung ohne Relevanz sind ..."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1.1. Die Beschwerdeführer behaupten, die belangte Behörde habe das Gesetz denkunmöglich angewendet. Die Tatsache allein, daß eine Beeinflussung der gemeindlichen Infrastruktur eintreten könne, stelle keinen im Gesetz normierten Versagungstatbestand dar. Die belangte Behörde lasse dabei unberücksichtigt, daß sich das Tauschobjekt schon bisher in ausländischem Eigentum befunden habe. Daß von 142 Liegenschaften sechs Ausländern gehören, lasse Schlüsse auf eine Überfremdung tatsächlich nicht zu; soweit der angefochtene Bescheid darauf Bezug nehme, daß der ausländische Grundbesitz 10 ha übersteige, enthalte der angefochtene Bescheid nicht einmal die Relation zum gesamten Grundbesitz. Objektiv betrage der Ausländeranteil nur 4,2 %, sodaß von einer drohenden Überfremdung keine Rede sein könne.

Die belangte Behörde habe aber auch das Vorliegen des Untersagungstatbestandes nach §4 Abs2 litb GVG 1983 denkunmöglich angenommen. Aus der Stellungnahme der Gemeinde ergebe sich kein Anhaltspunkt für die Annahme einer besonderen Eignung für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit. Die besondere Eignung für die heimische s o z i a l e Wohn- und Siedlungstätigkeit werde aber vom Gesetz ausdrücklich gefordert. Daß nach dem Erhebungsbericht die Anlegung eines Spielplatzes für die Schule beabsichtigt sei, erfülle nicht die Voraussetzungen des §4 Abs2 litb GVG 1983. Die belangte Behörde habe aber auch denkunmöglich verneint, daß das Tauschobjekt dem Zweitbeschwerdeführer (aber auch und zunächst vor allem seiner Ehegattin) zur Befriedigung eines dauernden Wohnbedürfnisses dienen solle; wenn sie dies im Hinblick auf eine erst künftige Beendigung der beruflichen Tätigkeit des Zweitbeschwerdeführers im Jahr 1991 und die Reparaturbedürftigkeit des Tauschobjektes bezweifle, berücksichtige sie nicht, daß die umfangreichen und kostenaufwendigen Renovierungsarbeiten erst nach der Genehmigung des Tauschvertrages durch die Grundverkehrsbehörde zumutbar seien. Die belangte Behörde irre auch, wenn sie ausschließlich auf den Wohnbedarf des Rechtserwerbers abstelle, weil das Gesetz lediglich allgemein davon spreche, daß das Objekt der Befriedigung eines dauernden Wohnbedürfnisses diene.

4.1.2. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen, insbesondere des §4 Abs2 GVG 1983 (vgl. insbesondere VfSlg. 8436/1978, 8501/1979, 10688/1985, 11728/1988 und VfGH vom 26.9.1988, B526/88, und vom 11.6.1990, B830/89) käme eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur im Falle einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes in Frage, die nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 10356/1983, 10482/1985).

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß der belangten Behörde ein solcher Vorwurf zu machen wäre.

Hiezu genügt es, was das Vorliegen des Untersagungstatbestandes nach §4 Abs2 lita GVG 1983 betrifft, insbesondere auf die Erkenntnisse VfSlg. 7274/1974 und VfGH vom 26.9.1988, B18/88, sowie vom 11.6.1990, B830/89, zu verweisen. Gerade in einer kleinen Gemeinde ist es nicht denkunmöglich, daß jeder Neuerwerb eines Grundstückes durch Ausländer die - soziale - Struktur einer Gemeinde beeinflußt; der belangten Behörde kann daher nicht angelastet werden, denkunmöglich auf eine drohende Überfremdung geschlossen zu haben. Auch was den Untersagungstatbestand nach §4 Abs2 litb GVG 1983 betrifft, worauf nach dem bisher Gesagten nicht mehr eingegangen werden müßte, kann der belangten Behörde jedenfalls kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler vorgeworfen werden. Das Tauschobjekt ist - unbestrittenermaßen - im Ortskern im Bauland gelegen. Die Überlegungen der belangten Behörde, daß (auch) der Untersagungstatbestand nach §4 Abs2 litb GVG 1983 vorliegt, sind keineswegs unvertretbar. Hiezu ist insbesondere auf die Erkenntnisse des VfGH vom 12.6.1989, B1482/88, und VfSlg. 11728/1988 zu verweisen.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit offenkundig nicht vor.

4.2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war abzuweisen, weil es sich bei der belangten Behörde um eine Kommission nach Art133 Z4 B-VG handelt und die Möglichkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes im Gesetz nicht vorgesehen ist.

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