VfGH B663/90

VfGHB663/9016.10.1991

Keine willkürliche Verhängung einer Zwangsstrafe über einen Ziviltechniker durch eine Abgabenbehörde zur Durchsetzung der Auskunftserteilung bezüglich abgabenbezogener Daten; keine absolute Verschwiegenheitspflicht der Ziviltechniker; keine verfassungswidrige Abwägung der Interessen des Auftraggebers an der Geheimhaltung der ihn betreffenden Daten zugunsten des öffentlichen Interesses an der Auskunftserteilung bezüglich der für die Abgabenerhebung relevanten Daten; kein Recht auf Verweigerung der Aussage für einen Ziviltechniker in einem ihn betreffenden Finanzverfahren unter Berufung auf seine Verschwiegenheitspflicht; keine Verletzung im Recht auf Datenschutz

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art8 Abs2
DSG §1 Abs2
ZiviltechnikerG §5 Abs1 litg
ZiviltechnikerG §18
BAO §119
BAO §143
BAO §171 Abs2
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art8 Abs2
DSG §1 Abs2
ZiviltechnikerG §5 Abs1 litg
ZiviltechnikerG §18
BAO §119
BAO §143
BAO §171 Abs2

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Der Beschwerdeführer ist Zivilingenieur für Bauwesen. Im Zuge einer in seiner Kanzlei nach den Vorschriften der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, in der maßgeblichen Fassung, durchgeführten, den Zeitraum von 1982 bis 1984 betreffenden Betriebsprüfung richtete das Finanzamt für den

I. Wiener Gemeindebezirk an ihn wiederholt die Aufforderung, "alle Buchhaltungsunterlagen samt Belegen und sonstigen Unterlagen im Original für die Jahre 1982 bis 1984" vorzulegen. Überdies wurde ihm ua. die Beantwortung des folgenden Fragenkataloges innerhalb einer bestimmten Frist aufgetragen:

"1. Auftraggeber gegliedert nach öffentlichen und privaten Auftraggebern mit Namen und Anschriften,

2. Bezeichnung und Lage (Ort) der Projekte (einschließlich etwaiger betriebsinterner Bezeichnung bzw. Nummerierung),

3. Beginn und Ende der Arbeiten,

4. Name und Anschrift der Projektleiter,

5. maßgebliche in- und ausländische Subunternehmerleistungen zu den einzelnen Projekten unter Angabe der Namen und Anschriften (Architekten, Ingenieure, Baumeister, etc.),

6. Aufbewahrungsort der Pläne und dazugehörigen Bauordner."

b) Nachdem der Beschwerdeführer sich lediglich bereit erklärt hatte, näher bezeichnete Unterlagen unter Abdeckung der Namen und Projektbezeichnungen in Kopie vorzulegen, richtete das Finanzamt für den I. Wiener Gemeindebezirk an ihn ein mit 28. Juli 1989 datiertes Schreiben folgenden Wortlauts:

"Da bis dato unter Hinweis auf die berufliche Verschwiegenheitspflicht als Angehöriger des Berufsstandes der Ziviltechniker/Architekten der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gem. §119 BAO (Mitwirkungspflicht) nicht im vollen Umfange nachgekommen wurde, ergeht nochmals die Aufforderung gem. §119 BAO, die für die Durchführung des Betriebsprüfungsverfahrens, d.h. zur Sachverhaltsermittlung und Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen sowie zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte, notwendigen Unterlagen vollständig und im Original bis zum 23. August 1989 vorzulegen.

In dem Zusammenhang wird auf die Vorhalte vom 31. Okt. 1988 und 13. Jän. 1989, auf die Niederschriften vom 31. Okt. 1988 und 21. Nov. 1989 sowie auf die Besprechungen vom 24. Okt. 1988 und 1. Feb. 1989 hingewiesen.

Falls der Aufforderung bis zum oben angeführten Zeitpunkt nicht Folge geleistet wird, wird gem. §111 BAO eine Zwangsstrafe von S 3.000,-- festgesetzt werden. Gegen die Androhung der Zwangsstrafe ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig."

Schließlich wurde mit Bescheid des Finanzamtes für den I. Wiener Gemeindebezirk vom 7. September 1989 unter Berufung auf §111 BAO die angedrohte Zwangsstrafe festgesetzt und der Beschwerdeführer unter Androhung einer Zwangsstrafe von 6.000 S aufgefordert, die bisher unterlassene Handlung innerhalb einer bestimmten Frist nachzuholen. In der Begründung dieses Bescheides wurde näher ausgeführt, daß die dem Beschwerdeführer gemäß §18 des Ziviltechnikergesetzes, BGBl. 146/1957 (im folgenden: ZTG), obliegende Verschwiegenheitspflicht der Vorlage der - für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich notwendigen - näher bezeichneten Unterlagen sowie der Erteilung der geforderten Auskünfte an die Abgabenbehörde nicht entgegenstehe, weil hiedurch schutzwürdige Interessen Dritter nicht verletzt würden.

c) Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Bescheid vom 18. April 1990 als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides wird ausführlich die Auffassung dargelegt, daß die den Ziviltechnikern durch §18 ZTG auferlegte Verschwiegenheitspflicht gegenüber der in §119 BAO normierten Offenlegungspflicht zurückzutreten habe. Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, daß die den Ärzten (VwGH 16.9.1986, 85/14/0007), den Notaren ((als Parteienvertretern); VwGH 21.5.1964, 184/64) und den Rechtsanwälten (VwGH 16.12.1966, 1673/65) obliegende Verschwiegenheitspflicht auch gegenüber den (zur Handhabung der BAO berufenen) Abgabenbehörden wirksam sei, doch unterscheide sich von der Verschwiegenheitspflicht der Angehörigen dieser Berufsgruppen die Verschwiegenheitspflicht der Ziviltechniker in ihrer Qualität grundsätzlich. Angesichts der besonderen "Sensibilität" der einem Arzt, einem Rechtsanwalt oder Notar allenfalls gegebenen, die engste Privatsphäre des Patienten bzw. Klienten betreffenden Informationen sei das Vertrauen auf die Geheimhaltung solcher Informationen als besonders schutzwürdig anzusehen, sodaß die Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse und dem öffentlichen Interesse an der - durch §114 BAO den Abgabenbehörden zur Pflicht gemachten - unverkürzten Abgabenerhebung und gleichmäßigen Behandlung aller Abgabenpflichtigen zugunsten des Geheimnisschutzes ausfallen müsse. Die einem Ziviltechniker zur Kenntnis gelangten Informationen über seinen Auftraggeber seien hingegen von wesentlich anderer Qualität, weshalb sie keinen Vertrauensschutz gegenüber den (im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches tätigen) Abgabenbehörden erforderten, zumal deren Organe ihrerseits einer Geheimhaltungspflicht unterlägen.

Die Verschwiegenheitspflicht der Ziviltechniker sei keineswegs eine absolute: Dies sei nicht nur aus den im Punkt 3.5. der Standesregeln der Ziviltechniker umschriebenen Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht zu ersehen, sondern auch deshalb anzunehmen, weil sie sonst über die gesetzlich festgelegte berufliche Verschwiegenheitspflicht der Angehörigen sonstiger Berufe (wie etwa Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftstreuhänder, Ärzte, Hebammen und Tierärzte) weit hinausginge.

Ein Ziviltechniker vermöge sich daher der ihm obliegenden Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenlegung der für den Bestand und den Umfang seiner Abgabepflicht bedeutsamen Umstände und zur Erteilung von Auskunft über alle für die Einhebung von Abgaben maßgeblichen Tatsachen nicht unter Berufung auf die ihm durch §18 ZTG auferlegte Verschwiegenheitspflicht zu entziehen.

2. Gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. April 1990 richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

3. Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) Der Beschwerdeführer begründet die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz zum einen damit, daß die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt habe. Dies sei insofern geschehen, als die belangte Behörde das Bestehen der duch §119 BAO dem Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften auferlegten Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenlegung der für den Bestand und den Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände sowie der durch §143 BAO jedermann - auch wenn es sich nicht um seine persönliche Abgabepflicht handelt - auferlegten Auskunftspflicht über alle für die Erhebung von Abgaben maßgeblichen Tatsachen auch im Fall des Beschwerdeführers ohne Rücksicht darauf angenommen habe, daß die ihm gemäß §18 ZTG obliegende Verschwiegenheitspflicht der verlangten Auskunftserteilung entgegenstehe. Mit dieser Interpretation werde, da sie nicht zwischen einem zur Verschwiegenheit verpflichteten und einem nicht dazu verpflichteten Abgabepflichtigen unterscheide, den maßgeblichen Vorschriften der BAO ein gegen das Gleichheitsgebot verstoßender Inhalt unterstellt.

Zum anderen macht der Beschwerdeführer der belangten Behörde eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz mit der Begründung zum Vorwurf, daß sie willkürlich gehandelt habe, was auch dann der Fall sei, wenn - wie hier - die Behörde leichtfertig vorgegangen sei und der angefochtene Bescheid in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch stehe. Die belangte Behörde habe sich nämlich, so meint der Beschwerdeführer, darüber hinweggesetzt, daß nicht nur, wie dies von der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes anerkannt sei, die Verschwiegenheitspflicht der Rechtsanwälte, Notare und Ärzte als eine "gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit" iS des (gemäß §143 Abs3 BAO auf auskunftspflichtige Personen sinngemäß anzuwendenden) §171 Abs1 litc BAO der in §169 BAO festgelegten Pflicht zur Zeugenaussage vor den Abgabenbehörden und der durch §172 Abs1 BAO normierten Pflicht zur Vorlage von Schriftstücken, Urkunden und einschlägigen Stellen von Geschäftsbüchern an die Abgabenbehörden entgegenstehe, sondern daß dies ebenso für die den Ziviltechnikern durch §18 ZTG auferlegte und somit "gesetzlich anerkannte Verschwiegenheitspflicht" gelte. Der Beschwerdeführer erblickt darin eine willkürliche und damit gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßende Differenzierung zwischen der Verschwiegenheitspflicht der Ziviltechniker einerseits und jener der Angehörigen der genannten Gruppen freier Berufe andererseits.

b) Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, daß nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Rechtsanwälte angesichts der ihnen gesetzlich auferlegten Verschwiegenheitspflicht nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet sind, über die ihnen anvertrauten Angelegenheiten auch gegenüber den Abgabenbehörden Verschwiegenheit zu bewahren (VfSlg. 6694/1972, 8322/1978) und daß das ihnen zustehende Entschlagungsrecht nicht auf Umwegen, sei es durch Beschlagnahme, sei es durch indirekte Druckmittel (etwa Schätzungen nach §184 BAO) zunichte gemacht werden darf (VfSlg. 10291/1984).

Es trifft ferner zu, daß, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. Mai 1964, 184/64, VwSlg. 3083 F/1964, ausgesprochen hat, gleich den Rechtsanwälten auch die Notare - mit Rücksicht auf die ihnen durch die Notariatsordnung, RGBl. 75/1871, idgF, auferlegte Verschwiegenheitspflicht - berechtigt sind, selbst in eigenen Abgabenangelegenheiten die Herausgabe von Schriftstücken, Urkunden udgl. an die Abgabenbehörde zu verweigern, wenn sie eine Geheimhaltungspflicht trifft, von der sie nicht gültig entbunden wurden (s. dazu etwa Kaan, Die Verschwiegenheispflicht berufsmäßiger Parteienvertreter im Abgabenverfahren (Vortragsbericht), Nachrichtenblatt der österreichischen Rechtsanwaltschaft Nr. 1/1965, 2 ff., hier 6 f.; Harbich, Einige Fragen der anwaltlichen Verschwiegenheit, AnwBl. 1983, 671 ff., hier 674).

Es ist schließlich richtig, daß der Verwaltungsgerichtshof mit Rücksicht auf die den Rechtsanwälten und Notaren durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes bereits zuerkannte Berücksichtigung gesetzlich anerkannter Verschwiegenheitspflichten auch für Ärzte aus der Sicht des ärztlichen Berufsgeheimnisses keinen "Anlaß zu einer differenzierenden Betrachtung" gesehen und die Auffassung vertreten hat, daß die im Interesse des Vertrauensschutzes für einen ärztlichen Patienten bestehende Verschwiegenheitspflicht des Arztes "nicht geringer zu veranschlagen sei als der ... Vertrauensschutz für den Klienten eines Notars und daß daher auch dem Schutz des Vertrauens des Patienten zu seinem Arzt der Vorzug gegenüber entgegenstehenden abgabenrechtlichen Grundsätzen und insbesondere gegenüber der abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht gebührt", das Interesse an der Wahrung des "Ärztegeheimnisses" demnach höher zu werten sei als das an einer voll zutreffenden Abgabenerhebung beim Arzt (VwGH 16.9.1986, 85/14/0007, VwSlg. 6147 F/1986).

Gleichwohl hat die belangte Behörde, wenn sie hinsichtlich der Ziviltechniker zu einem anderen Ergebnis gelangte, weder den angewendeten Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt noch ist sie willkürlich vorgegangen.

2.a) Nach §114 BAO haben die Abgabenbehörden darauf zu achten, daß alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfaßt und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, daß Abgaben nicht zu Unrecht verkürzt werden. Sie haben alles, was für eine Bemessung der Abgabe wichtig ist, sorgfältig zu erheben und Nachrichten darüber zu sammeln, fortlaufend zu ergänzen und auszutauschen. Gemäß §119 Abs1 BAO sind die für den Bestand und den Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muß vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.

Zur Erfüllung der in §114 BAO bezeichneten Aufgaben ist die Abgabenbehörde berechtigt, Auskunft über alle für die Erhebung von Abgaben bedeutsamen Tatsachen zu verlangen. Die Auskunftspflicht trifft jedermann, auch wenn es sich nicht um seine persönliche Abgabepflicht handelt (§143 Abs1 BAO). Nach §143 Abs2 BAO schließt die Verpflichtung zur Auskunftserteilung die Verbindlichkeit in sich, Urkunden und andere schriftliche Unterlagen, die für die Feststellung von Abgabenansprüchen von Bedeutung sind, vorzulegen oder die Einsichtnahme in diese zu gestatten. Gemäß §143 BAO finden auf Auskunftspersonen (Abs1) die Bestimmungen der §§170 bis 174 (s. dazu Art1 Z53 des Bundesgesetzes BGBl. 151/1980) sinngemäß Anwendung. Nach §171 Abs1 litc BAO darf die Aussage von einem Zeugen ua. über Fragen verweigert werden, die er nicht beantworten könnte, ohne eine ihm obliegende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der er nicht gültig entbunden wurde, zu verletzen. Gemäß §172 Abs1 BAO hat jemand nur soweit auf Verlangen der Abgabenbehörde auch Schriftstücke, Urkunden und einschlägige Stellen seiner Geschäftsbücher vorzulegen, als er als Zeuge zur Aussage verpflichtet ist.

b) Die Ausübung des Berufes eines staatlich befugten und beeideten Ziviltechnikers (Architekten, Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieurs) bedarf einer von der Behörde verliehenen Befugnis (§1 ZTG).

Der Inhalt der Befugnisse der Ziviltechniker ist in §5 Abs1 ZTG umschrieben. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"(1) Die Architekten, Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieure sind auf Grund ihrer Befugnisse in allen Zweigen ihres Fachgebietes berechtigt:

a) zur Verfassung von Projekten, Plänen, Leistungsverzeichnissen und Voranschlägen;

b) zur Überwachung und Leitung der Herstellung baulicher, technischer und betrieblicher Anlagen und Einrichtungen sowie deren Abrechnung und Abnahme (Kollaudierung);

c) zur laufenden Überprüfung und Überwachung von maschinellen Anlagen und Betriebseinrichtungen, Revisionen und Betriebskontrollen, sofern nicht durch gesetzliche Vorschriften eine besondere Befugnis gefordert wird;

d) zur Beratung und Durchführung von fachtechnischen Untersuchungen und Überprüfungen aller Art sowie Betriebsrationalisierungen;

e) zur Abgabe von Gutachten, Schätzungen und Berechnungen;

f) zur fachtechnischen Überprüfung der von anderer Seite verfaßten schriftlichen oder planlichen Unterlagen;

g) zur berufsmäßigen Vertretung von Parteien vor Behörden sowie öffentlich-rechtlichen Körperschaften einschließlich der Verfassung von Eingaben in technischen Angelegenheiten und zur berufsmäßigen Beratung in allen in das Fachgebiet einschlägigen Angelegenheiten;

h) zur Durchführung der mit vorstehenden Tätigkeiten zusammenhängenden Messungen."

c) Ziviltechniker sind gemäß dem in seiner Stammfassung in Geltung stehenden §18 ZTG ua. zur strengsten Verschwiegenheit in Angelegenheiten ihrer Betätigung eidlich zu verpflichten. Vor Ablegung des Eides darf die Befugnis nicht ausgeübt werden. Nach der in §18 Abs2 ZTG festgelegten Eidesformel verpflichtet sich der Ziviltechniker durch seinen Eid ua. auch dazu, daß er "alle Gesetze ... unverbrüchlich einhalten" und "die gebotene Verpflichtung zur Verschwiegenheit strenge beachten werde".

Die durch §18 ZTG normierte Verschwiegenheitspflicht wird durch die Punkte 3.4 und 3.5 der auf Grund des §30 des Ingenieurkammergesetzes, BGBl. 71/1969, erlassenen Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 27. Juni 1972 bzw. vom 30. Oktober 1973, Amtliche Nachrichten der Bundes-Ingenieurkammer Nr. 10/1974, mit welcher Standesregeln der Ziviltechniker erlassen werden, näher ausgeführt. Diese Bestimmungen haben - soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung - folgenden Wortlaut:

"3.4. Die Verschwiegenheitspflicht gemäß §18 des Ziviltechnikergesetzes bindet den Ziviltechniker gegenüber dem Auftraggeber. Eine Aussage darf nur mit dessen Zustimmung erfolgen.

...

3.5. Zur Abwendung eigener straf-, zivil-, verwaltungsrechtlicher oder disziplinärer Nachteile oder zur Durchsetzung seiner mit der entfalteten Tätigkeit im Zusammenhang stehenden Ansprüche, wie Honorarforderungen, Schadenersatz und dgl. ist der Ziviltechniker jedoch berechtigt, die erforderlichen Angaben in einem hiefür unumgänglich notwendigen Ausmaß zu machen."

Wenn die belangte Behörde zunächst aus dem Wortlaut der oben wiedergegebenen Stelle der auf die Einhaltung der gebotenen Verpflichtung zur Verschwiegenheit abstellenden Eidesformel (§18 Abs2 ZTG) den Schluß zog, daß die Verschwiegenheitspflicht der Ziviltechniker keine absolute sei, kann dies nicht als eine denkunmögliche - Willkür indizierende - Auslegung angesehen werden. Das gilt auch für die im weiteren der Sache nach vertretene Auffassung der belangten Behörde, daß angesichts der von einem Ziviltechniker im Rahmen seiner Befugnis auszuübenden Tätigkeit die ihm von seinem Auftraggeber allenfalls mitgeteilten Informationen - bei der gebotenen Durchschnittsbetrachtung - wesentlich anders geartet und weniger schutzwürdig seien als die unter Umständen einem Rechtsanwalt oder Arzt von seinem Klienten oder Patienten anvertrauten Daten und daß daher der - im Interesse des Auftraggebers normierten - Verschwiegenheitspflicht des Ziviltechnikers bei der Abwägung mit der abgabenrechtlich normierten Auskunftspflicht ein geringeres Gewicht zukomme als der Verschwiegenheitspflicht der Rechtsanwälte und Notare, aber auch der - wenngleich ihrerseits wieder verschiedenen Beschränkungen unterliegenden - ärztlichen Verschwiegenheitspflicht. Die belangte Behörde hat daher, wenn sie eine Abwägung zwischen den Interessen des Auftragsgebers des Beschwerdeführers an der Geheimhaltung der in Rede stehenden, ihn betreffenden Daten und dem öffentlichen Interesse an der Auskunftserteilung über alle für die Abgabenerhebung beim Beschwerdeführer maßgebenden Tatsachen der Verpflichtung zur Auskunftserteilung das größere Gewicht beimaß, weder das Gesetz denkunmöglich angewendet noch willkürlicherweise Gleiches ungleich behandelt.

Zu bemerken bleibt, daß gegen die belangte Behörde der Vorwurf einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz begründetermaßen auch nicht auf die Behauptung gestützt werden könnte, sie habe in willkürlicher Auslegung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften den Beschwerdeführer als auskunftspflichtig behandelt, obgleich er dies - als eine "zur gesetzlichen Parteienvertretung befugte Person" (§143 Abs3 iVm §171 Abs2 BAO) - nicht gewesen sei. Die berufsmäßige Vertretung von Parteien (§5 Abs1 litg ZTG) ist nur eine von mehreren den Ziviltechnikern zustehenden Befugnissen und zudem in mehrfacher Hinsicht beschränkt: Technische Angelegenheiten betreffend - und zwar nur solche des Fachgebietes der Befugnis (§ 5 Abs1 erster Satz ZTG) -, umfaßt sie lediglich die Vertretung vor Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften (s. dazu Pany/Schwarzer, Ziviltechnikerrecht, Ingenieurgesetz (1981), 15, FN 5) und bildet gewissermaßen bloß einen Annex zu den sonstigen Befugnissen eines Ziviltechnikers. Es ist daher zumindest vertretbar, wenn die belangte Behörde - unausgesprochen - davon ausging, daß §143 Abs3 BAO iVm §171 Abs2 BAO auf den Beschwerdeführer keine Anwendung finde.

Ob die Behörde das Gesetz in jeder Hinsicht richtig angewendet hat, ist nicht vom Verfassungsgerichtshof, sondern vom Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen.

d) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die angewendeten Rechtsvorschriften wurden nicht vorgebracht. Auch beim Verfassungsgerichtshof sind solche aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden (s. zu §111 BAO auch VfSlg. 8510/1979).

Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

3. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nur dann verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen mit Gesetzlosigkleit auf eine Stufe zu stellenden Fehler begangen hätte (so etwa VfSlg. 10764/1986 mwH, 11635/1988). Dies ist, wie bereits unter II.2.c dargelegt, nicht der Fall. Der Beschwerdeführer ist daher auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nicht verletzt worden.

4.a) Nach Ansicht des Beschwerdeführers verstößt schließlich der angefochtene Bescheid gegen das durch die Verfassungsbestimmung des §1 des Datenschutzgesetzes - DSG, BGBl. 565/1978, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. 233/1988 (und idF der Kundmachung BGBl. 609/1989), gewährleistete Grundrecht auf Datenschutz.

b) Auch dieser Vorwurf ist nicht begründet.

Nach Abs1 des mit "Grundrecht auf Datenschutz" überschriebenen §1 DSG hat jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, hat. Beschränkungen dieses Rechtes sind gemäß §1 Abs2 DSG nur zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen oder auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art8 Abs2 MRK genannten Gründen notwendig sind; auch im Fall solcher Beschränkungen muß der vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten Vorrang gegeben werden.

Gemäß Art8 Abs2 MRK sind Eingriffe in das in diesem Artikel verbürgte Grundrecht nur statthaft, insoweit sie eine Maßnahme darstellen, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.

Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30.11.1989 G245-250/89, G268-275/89, in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre (s. die in diesem Erkenntnis angeführte Literatur) betont hat, können auch Wirtschaftsdaten personenbezogene Daten iS des §1 DSG sein. Es ist demnach davon auszugehen, daß die Daten des Auftraggebers des Beschwerdeführers, deren Bekanntgabe durch den Beschwerdeführer an die Abgabenbehörde mit der Verhängung der bekämpften Zwangsstrafe erzwungen werden sollte, unter §1 DSG fallen. Des weiteren hat der Verfassungsgerichtshof in dem zuletzt zitierten Erkenntnis (gleichfalls im Einklang mit der Literatur) die Auffassung vertreten, daß der Anspruch auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten nicht bloß auf die Nichtweitergabe erhobener Daten gerichtet ist, sondern es auch verbietet, daß der Betroffene zur Offenlegung verpflichtet wird. Dies muß auch für jene Fälle gelten, in denen - wie hier - diese Verpflichtung nicht dem Betroffenen selbst, sondern einem über geschützte Daten des Betroffenen verfügenden Dritten auferlegt werden soll.

Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt nicht - auch der Beschwerdeführer zieht dies nicht ernstlich in Zweifel -, daß die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Vorschriften - insbesondere §119 und §143 BAO - über die Erteilung von Auskünften sowie die Vorlage von Urkunden und anderen schriftlichen Unterlagen an die Abgabenbehörden eine Beschränkung des Rechtes auf Geheimhaltung normieren, die iS des Art8 Abs2 MRK in einer demokratischen Gesellschaft (vgl. dazu VfSlg. 6288/1970, 692; VfGH 22.6.1989 G142,168/88) für "das wirtschaftliche Wohl des Landes" notwendig ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Rahmen seiner Prüfungskompetenz nicht die Richtigkeit der Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde zu beurteilen, sondern nur zu prüfen, ob die belangte Behörde durch eine verfassungswidrige - mit §1 Abs2 DSG (insbesondere) iVm Art8 Abs2 MRK in Widerspruch stehende - Auslegung der hier in Rede stehenden Rechtsvorschriften den Beschwerdeführer im Grundrecht auf Datenschutz verletzt hat (s. dazu VfSlg. 11548/1987; VfGH 30.9.1989 B1740/88, 10).

Wie sich (insbesondere) aus den Ausführungen unter II.2.c ergibt, hat die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides die hier maßgeblichen, die Auskunftspflicht gegenüber Abgabenbehörden regelnden Vorschriften der BAO nicht denkunmöglich, sondern vertretbar ausgelegt. Es kann ihr aus den dargelegten Gründen aber auch nicht mit Recht der Vorwurf gemacht werden, sie habe, indem sie die Abwägung zwischen den durch §18 ZTG geschützten Interessen des Auftraggebers des Beschwerdeführers an der Geheimhaltung der gegenständlichen, ihn betreffenden Daten und dem öffentlichen Interesse an der Auskunftserteilung zugunsten des öffentlichen Interesses vornahm, diese Vorschriften in Widerspruch mit §1 Abs2 DSG (insbesondere) iVm Art8 Abs2 MRK ausgelegt.

Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im Grundrecht auf Datenschutz verletzt worden.

5. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.

6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.

Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. dazu auch unter II.2.d) ist es auch ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

7. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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