VfGH B86/90

VfGHB86/9012.12.1991

Anlaßfallwirkung der Feststellung der Gesetzwidrigkeit des Wortes "sich" und der Wortfolge "zu einer Vertretung anbieten oder" in §46 RL-BA 1977 mit E v 12.12.91, V575/90.

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 15.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 7. November 1988 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch begangen zu haben, daß er im Frühjahr 1987 durch ein Rundschreiben ohne Datum eine unzulässige Werbung betrieben habe. Hiefür wurde er zur Strafe des schriftlichen Verweises verurteilt. Hingegen wurde er von der gegen ihn erhobenen Anschuldigung, er habe die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch gesetzt, daß er in dem genannten Rundschreiben präsumtive Klienten sachlich nicht richtig aufgeklärt habe, freigesprochen. Der Schuldspruch wurde auf §46 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (RL-BA 1977), beschlossen vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag (Vertreterversammlung) am 8. Oktober 1977, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 14. Dezember 1977 und im Anwaltsblatt 1977, S. 476, gegründet.

1.2. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom 16. Oktober 1989, Z Bkd 33/89-10, wurde der gegen die Verurteilung vom Disziplinarbeschuldigten erhobenen Berufung keine Folge gegeben. Hingegen wurde der Berufung des Kammeranwaltes gegen den freisprechenden Teil des Bescheides erster Instanz Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis in diesem Punkte sowie im Ausspruch über die Strafe aufgehoben und zu Recht erkannt, daß der Disziplinarbeschuldigte (weiters) schuldig sei, er habe in dem im Frühjahr 1987 ausgesendeten Rundschreiben präsumtive Klienten sachlich nicht richtig aufgeklärt, wodurch er das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen habe. Er wurde hiefür und für das im aufrecht gebliebenen Teil des Schuldspruches zur Last gelegte Verhalten zu einer Geldbuße in Höhe von S 5.000,-- und zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens beider Instanzen verurteilt.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3.1. Der Verfassungsgerichtshof beschloß aus Anlaß dieser Beschwerde, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Wortes "sich" und der Worte "zu einer Vertretung anbieten oder" in §46 RL-BA 1977 einzuleiten, und sprach mit Erkenntnis vom heutigen Tag, V575/90, aus, daß die genannten Worte dieser Verordnungsstelle gesetzwidrig waren.

Der angefochtene Bescheid ist in Anwendung der als gesetzwidrig festgestellten Verordnungsbestimmung ergangen. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10303/1984, 10515/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

3.2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,-- enthalten.

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