VfGH G8/90

VfGHG8/9011.6.1990

Zurückweisung eines Individualantrags eines vor den Untersuchungsausschuß geladenen Zeugen auf Aufhebung des Art28 Abs4 Sbg. Landes-VerfassungsG 1945 über die Untersuchungsausschüsse; überschießender Antrag; keine Nachteile iSd Antragsvorbringens

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag Sbg Landes-VerfassungsG 1945 VfGG §62 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag Sbg Landes-VerfassungsG 1945 VfGG §62 Abs1

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1.1. Mit Eingabe vom 5. Jänner 1990 stellte der Einschreiter A S (den der Präsident des Salzburger Landtags als Zeuge vor den Untersuchungsausschuß dieses Landtags vorgeladen hatte), gestützt auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG, den (Individual-)Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "hinsichtlich der Bestimmung des Art28 Abs4 des Salzburger Landes-Verfassungsgesetzes 1945 in der Fassung LGBl. Nummer 66/89 das Gesetzesprüfungsverfahren . . . (einleiten) und in der Folge die gesamte Bestimmung, in eventu die Bestimmung 'falsche Beweisaussagen vor dem Untersuchungsausschuß sind nach den strafrechtlichen Bestimmungen über falsche Beweisaussagen vor Gericht zu ahnden' als verfassungswidrig" aufheben.

1.2. Die Salzburger Landesregierung erstattete hiezu eine schriftliche Äußerung, in der sie der Sache nach für die Zurückweisung, hilfsweise für die Abweisung des (Individual-)Antrages eintrat.

1.3. Art28 Abs4 des Salzburger Landes-Verfassungsgesetzes 1945 (L-VG), LGBl. 1/1947 idF LGBl. 66/1989, lautet:

"(4) Zur Untersuchung bestimmter Gegenstände des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes kann der Landtag durch Beschluß fallweise Untersuchungsausschüsse einsetzen. Ein Untersuchungsausschuß ist berechtigt, von den Gerichten und allen anderen Behörden Amtshilfe in Anspruch zu nehmen. Die öffentlichen Ämter der Landesverwaltung haben auf Verlangen ihre Akten vorzulegen. Für Beweisaufnahmen durch den Untersuchungsausschuß sind die Bestimmungen der Strafprozeßordnung über das Beweisverfahren in der Hauptverhandlung vor den Gerichtshöfen erster Instanz sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Beeidung von Zeugen und Sachverständigen sowie die Verlesung von Protokollen, Gutachten und anderen Schriftstücken auf Grund eines Beschlusses des Untersuchungsausschusses erfolgen und auf Beschluß des Untersuchungsausschusses Medienvertretern bei der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach Maßgabe der räumlichen Möglichkeiten Zutritt gewährt werden kann. Falsche Beweisaussagen vor dem Untersuchungsausschuß sind nach den strafrechtlichen Bestimmungen über falsche Beweisaussagen vor Gericht zu ahnden."

2.1.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof "über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist". Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen müsse.

Kraft §62 Abs1 VerfGG 1953 muß jeder Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, "begehren, daß entweder das Gesetz seinem ganzen Inhalte nach oder daß bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden". Der Antrag hat außerdem die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken "im einzelnen darzulegen" (vgl. dazu zB VfGH 27.2.1989 G178-181/88, V153/88 und die dort zitierte Vorjudikatur).

2.1.2. Es bildet daher notwendige Prozeßvoraussetzung jedes Prüfungsverfahrens nach Art140 Abs1 B-VG, daß der (Individual-)Antrag sowohl das Begehren auf Aufhebung als auch eine Darlegung der Bedenken enthält, die gegen die Verfassungsmäßigkeit der aufzuhebenden Normen im einzelnen sprechen (so etwa: VfSlg. 8594/1979, VfGH 25.2.1988 G221/87): Doch bleibt in Beurteilung der Antragslegitimation darüber hinaus auch zu untersuchen, ob das angefochtene Gesetz für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG genügen. Nicht zu prüfen ist hingegen, ob die besagten Gesetzesstellen für den Antragsteller andere (unmittelbare) Wirkungen entfalten. Es kommt nämlich im gegebenen Zusammenhang ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und - sollte es verfassungswidrig sein - verletzt (vgl. zB VfSlg. 9185/1981, 10353/1985; VfGH 25.2.1988 G221/87; 27.2.1989 G178-181/88, V153/88).

2.2. Zum Begehren, Art28 Abs4 L-VG zur Gänze aufzuheben:

2.2.1. Die Vorschrift des Art28 Abs4 L-VG ermächtigt in ihrem ersten Satz den Landtag, durch Beschluß fallweise Untersuchungsausschüsse zur Untersuchung bestimmter Gegenstände des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes einzusetzen; sie legt mit ihrem zweiten Satz fest, daß ein solcher Untersuchungsausschuß berechtigt ist, "von den Gerichten und allen anderen Behörden Amtshilfe in Anspruch zu nehmen". Darüber hinaus verpflichtet Art 28 Abs4 Satz 3 L-VG die öffentlichen Ämter der Landesverwaltung, dem Untersuchungsausschuß auf Verlangen ihre Akten vorzulegen. Für Beweisaufnahmen vor dem Untersuchungsausschuß haben kraft Art28 Abs4 vierter Satz L-VG die Bestimmungen der Strafprozeßordnung über das Beweisverfahren in der Hauptverhandlung vor den Gerichtshöfen erster Instanz sinngemäß Anwendung zu finden, und zwar mit der Maßgabe, "daß die Beeidung von Zeugen und Sachverständigen sowie die Verlesung von Protokollen, Gutachten und anderen Schriftstücken auf Grund eines Beschlusses des Untersuchungsausschusses erfolgen und auf Beschluß des Untersuchungsausschusses Medienvertretern bei der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach Maßgabe der räumlichen Möglichkeiten Zutritt gewährt werden kann". Falsche Beweisaussagen vor dem Untersuchungsausschuß sind nach den strafrechtlichen Bestimmungen über falsche Beweisaussagen vor Gericht zu ahnden (Art28 Abs4 letzter Satz leg.cit.).

2.2.2. Da das Antragsvorbringen zur "Legitimation" (S 2-4 der Antragsschrift) nach Inhalt und Zielsetzung im Kern bloß von Anordnungen der (durch die L-VG-Novelle 1989, LGBl. 66/1989 gefaßten) Sätze vier und fünf des Art28 Abs4 L-VG handelt, wird im Blick auf die in Art140 Abs1 letzter Satz B-VG iVm §62 Abs 1 VerfGG 1953 umschriebenen (Prozeß-)Voraussetzungen deutlich, daß zumindest der von diesen beiden letzten Sätzen (: Sätze vier und fünf) trennbare, eigenständige Regelungskomplex der Sätze eins bis drei (über die Berechtigung des Landtages zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und das Recht dieser Ausschüsse, Amtshilfe in Anspruch zu nehmen, sowie über die Verpflichtung der öffentlichen Ämter der Landesverwaltung zur Aktenvorlage) nicht die vom Antragsteller genannten Wirkungen, nämlich: Verpflichtung zum Erscheinen vor dem Untersuchungsausschuß als Zeuge (aufgrund einer Ladung) sowie zur Beantwortung der vom Ausschuß gestellten Fragen trotz eines gegen ihn laufenden Strafverfahrens wegen desselben, nunmehr vom Ausschuß zu untersuchenden Sachverhaltes, entfaltet. Damit steht aber zugleich fest, daß die Norm des Art28 Abs4 L-VG in ihrer Gesamtheit keineswegs so beschaffen ist, daß sie iSd §62 Abs1 VerfGG 1953 und Art140 Abs1 letzter Satz B-VG in die Rechtssphäre des Einschreiters unmittelbar eingreifen könnte.

Der Antrag, Art28 Abs4 leg.cit. insgesamt als verfassungswidrig aufzuheben, erweist sich damit, verglichen mit der ihm beigegebenen Begründung, als überschießend und - allein schon aus dieser Erwägung - zur Gänze unzulässig (vgl. zB VfGH 25.2.1988 G221/87 und die dort bezogene zahlreiche Vorjudikatur; s. auch VfGH 27.2.1989 G178-181/88, V153/88).

2.3. Zum Eventualbegehren:

2.3.1. Der hilfsweise gestellte Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge die Bestimmung des Art28 Abs4 letzter Satz L-VG (: "Falsche Beweisaussagen vor dem Untersuchungsausschuß sind nach den strafrechtlichen Bestimmungen über falsche Beweisaussagen vor Gericht zu ahnden") als verfassungswidrig aufheben, ist aus folgenden Überlegungen unzulässig:

2.3.2. Mit der vom Eventualantrag erfaßten Bestimmung werden falsche Beweisaussagen vor einem Untersuchungsausschuß unter Strafe gestellt.

Losgelöst von der (hier nicht weiter zu prüfenden) Frage, ob diese Strafbestimmung überhaupt in die Rechtssphäre des Antragstellers iSd Art140 Abs1 letzter Satz B-VG unmittelbar einzugreifen vermag, hat sie für ihn - isoliert betrachtet, nämlich ohne Bezug und Verbindung zum vierten Satz des Art28 Abs4 L-VG - keinesfalls die im Antrag dargelegten nachteiligen Wirkungen. Denn bei Stattgebung des Eventualbegehrens würden die in der Antragsbegründung als nachteilig und verfassungswidrig gerügten, im Art28 Abs4 vierter Satz L-VG grundgelegten Verpflichtungen (zum Erscheinen vor dem Untersuchungsausschuß als Zeuge und zur Beantwortung der gestellten Fragen trotz anhängigem Strafverfahren bzw. vor Einleitung eines derartigen Verfahrens) überhaupt nicht beseitigt.

3.1. Der (Individual-)Antrag war daher sogleich aus den in den Abschnitten 2.2. bis 2.3. näher ausgebreiteten Gründen zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen (vgl. zB VfGH 25.2.1988 G221/87; 27.2.1989 G178-181/88, V153/88).

3.2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litc und e VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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