Normen
B-VG Art83 Abs2 B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab StGG Art5 Tir GVG 1983 §3 Abs2 lita Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita
B-VG Art83 Abs2 B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab StGG Art5 Tir GVG 1983 §3 Abs2 lita Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita
Spruch:
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Hopfgarten vom 13. April 1988, Z A118/87, wurde den Ehegatten J und I M aufgrund des Vermächtnisses vom 11. Dezember 1982 und zufolge ihrer unbedingt abgegebenen Erbserklärungen sowie unter Berücksichtigung der Erbausschlagungen der erbl. Enkelinnen der Nachlaß nach der am 23. November 1987 verstorbenen A E übertragen; entsprechend der Verlassenschaftsabhandlung wurde sodann angeordnet, daß in der EZ 544 des Grundbuches 82005 Kirchberg i.T. ob den
46/355 Eigentumsanteilen der A E, mit welchen das Wohnungseigentum an der Wohnungseinheit Top 3 untrennbar verbunden ist, das Eigentumsrecht mit je 23/355 Anteilen zugunsten von J und I M einzuverleiben ist.
Da J und I M die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, suchten sie mit Eingabe vom 22. Juli 1988 um Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung gemäß §3 Abs2 lita des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 (in der Folge: GVG 1983) an.
2. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Kirchberg i.T. bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 30. September 1988 versagte die gemäß §13 Abs1 litb GVG 1983 gebildete Grundverkehrsbehörde dem angeführten Rechtserwerb gemäß §3 Abs1 iVm §4 Abs2 GVG 1983 die Zustimmung.
3. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 22. Juni 1989, Z LGv - 620/7-88, als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:
"Strittig ist ... die Frage, ob der §3 Abs2 lita GVG 1983, welcher in der derzeitigen Fassung auf Grund der Novelle LGBl. Nr. 57/1983 am 1.10.1983 in Kraft getreten ist, im vorliegenden Fall zur Anwendung kommt. Die Landesgrundverkehrsbehörde sieht im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Gesetzes keine Veranlassung, den Tatbestand des §3 Abs2 lita ... in dem Sinn auszulegen, daß einem Widerspruch zu den nach §4 Abs2 GVG 1983 zu schützenden öffentlichen Interessen bei einem Eigentumsübergang an Erben oder Vermächtnisnehmer nur dann (rechtliche) Relevanz zukommen könnte, wenn das Testament bzw. die letztwillige Verfügung erst nach dem Inkrafttreten des Grundverkehrsgesetzes 1983 erzielt (richtig wohl: errichtet) worden wäre. ...
Wenn die rechtsfreundlich vertretenen Einschreiter in ihrer
Berufung ... darauf verweisen, daß bei zweiseitigen Verträgen -
aber auch bei letztwilligen Verfügungen - die Rechtslage zum
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich sei, ... so ist ihnen
zu erwidern, daß ein Testament oder Vermächtnis nur den
Erwerbsgrund (Titel) bildet und zum Zeitpunkt des nach den
Grundverkehrsregelungen relevanten Rechtsvorganges
(Eigentumserwerb) das GVG 1983 schon in Kraft gestanden hat. ... In
Übereinstimmung mit der Erstinstanz vertritt die
Landesgrundverkehrsbehörde daher die Auffassung, daß der
vorliegende Rechtserwerb sehr wohl an den (Ausländer-)Bestimmungen
des GVG 1983 zu beurteilen ist.
Bleibt also in der Sache selbst zu untersuchen, ob der gegenständliche Rechtserwerb im Widerspruch mit den nach den Bestimmungen des GVG 1983 zu beachtenden öffentlichen Interessen steht.
...
Die auf Berufungsebene zu beantwortende und strittige Frage kann daher nur sein, ob die Behörde I. Instanz zu Recht davon ausgehen konnte, daß dem vorliegenden Rechtserwerb der (spezielle) Versagungstatbestand des §4 Abs2 lita GVG 1983 entgegensteht.
Dies trifft nun aber ohne Zweifel zu ... zumal - nach den
unbestritten gebliebenen Feststellungen des ergänzenden
Ermittlungsverfahrens - der Anteil der ausländischen Grundbesitzer
in der Gemeinde Kirchberg i.T. eine Größenordnung von bereits 13 %
aufweist. ... Diesbezüglich sei darauf hingewiesen, daß es der
Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 11.10.1974, B210/74-8, unter dem Blickwinkel der Prüfung einer allfälligen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte als zulässig erachtet hat, für die Gemeinde Kirchberg i.T. - bei einem damaligen Ausländeranteil von 12 % - eine 'Überfremdung' anzunehmen (vgl. hiezu aber auch die Erk. d. VfGH. vom 28.11.1986, B86/86-10, sowie vom 27.9.1986, B606/85)."
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde des J und der I M, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (nach Art1 des 1. ZProtMRK) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
5. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
5.1.1. Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, der angefochtene Bescheid verletze sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums, weil nach herrschender Lehre und Rechtsprechung der Erbe das Eigentum an den Nachlaßgegenständen bereits mit der Einantwortung erwerbe. Die Zustimmung der Grundverkehrsbehörde stelle keine Voraussetzung für die rechtskräftige Einantwortung dar. Wenn die Behörde der Übergabe der Liegenschaftsanteile entsprechend der Einantwortungsurkunde vom 13. April 1988 die Zustimmung versage, werde das Gesetz denkunmöglich angewendet. Dazu komme, daß der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 30. Juni 1988, G241/87 ua., den zweiten Halbsatz in §3 Abs2 lita des GVG 1983 mit der Begründung aufgehoben habe, daß nach Absicht des Gesetzgebers der B-VG-Novelle 1969 nur der Rechtserwerb unter Lebenden dem Tatbestand "Ausländergrundverkehr" zu unterstellen sei, weshalb sich die Regelung des §3 Abs1 lita GVG 1983 als verfassungswidrig erweise.
5.1.2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985) wegen Verletzung des vefassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Soweit die Beschwerde die Verfassungswidrigkeit des §3 Abs2 lita GVG 1983 unter Hinweis auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1988, G241/87 ua., behauptet, weil dem Ausländergrundverkehr nur Rechtserwerbe unter Lebenden unterstehen, wendet sie sich offenkundig gegen eine Regelung, die von dem erhobenen Vorwurf gar nicht betroffen sein kann, weil im Beschwerdefall die Genehmigung der Grundverkehrsbehörde aufgrund der mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1988, G241/87 ua., als verfassungswidrig aufgehobenen Regelung des §3 Abs2 lita GVG 1983 einzuholen war; da die Aufhebung nach dem zitierten Erkenntnis mit 30. Juni 1989 in Kraft trat, ist sie bis dahin - und damit auch im Beschwerdefall - verfassungsrechtlich unangreifbar (vgl. VfSlg. 11221/1987 mwN).
Die belangte Behörde hat aber das Gesetz auch nicht denkunmöglich angewendet. Mit dem im Instanzenzug bestätigten Bescheid der Grundverkehrsbehörde vom 30. September 1988 wurde nicht - wie die Beschwerde vermeint - der Übergabe von Eigentumsanteilen, sondern dem Rechtserwerb aufgrund der Bestimmungen des GVG 1983, insbesondere dessen §4 Abs2 lita GVG 1983, wegen drohender Überfremdung die Zustimmung versagt. Der angefochtene Bescheid beruft sich hiezu in seiner Begründung auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 7408/1974 und 10993/1986. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß der Behörde deshalb der Vorwurf einer denkunmöglichen Beurteilung der Sach- oder Rechtslage gemacht werden kann.
Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit nicht vor.
5.2.1. Die Beschwerdeführer behaupten aber auch, der angefochtene Bescheid verletze sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil die belangte Behörde eine Sachentscheidung in Anspruch genommen hätte, die ihr nach dem Gesetz nicht zukam, da der Eigentumserwerb gar nicht genehmigungspflichtig gewesen sei.
5.2.2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).
Da sich die belangte Behörde bei der Inanspruchnahme der Zuständigkeit zur Erlassung des angefochtenen Bescheides auf §3 Abs2 lita GVG 1983 stützen konnte - dessen verfassungsrechtliche Unangreifbarkeit bis zum Ablauf des 30. Juni 1989 ergibt sich, wie bereits dargelegt, aus dem schon unter Punkt 5.1.2. zitierten Erkenntnis -, ist auch der Vorwurf, der angefochtene Bescheid verletze die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, unbegründet.
5.3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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