Normen
B-VG Art139 Abs6 erster Satz
StGG Art5
Tir RaumOG §15 Abs2
Tir BauO §56 Abs5
B-VG Art139 Abs6 erster Satz
StGG Art5
Tir RaumOG §15 Abs2
Tir BauO §56 Abs5
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Vertreters die mit S 15.000 bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Zur Vorgeschichte ist auf das über einen Individualantrag des Beschwerdeführers ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1988, V138/87, zu verweisen. Der Gerichtshof hat mit dem genannten Erkenntnis den Bebauungsplan Nr. 85/d, Wilten-Süd, der Stadtgemeinde Innsbruck, vom Gemeinderat beschlossen am 30. Juni bzw. 7. Juli 1960, soweit er die im Eigentum des Antragstellers (und nunmehrigen Beschwerdeführers) stehenden Gst 542/1 und 541, KG Wilten als Verkehrsfläche festlegte, als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 29. Mai 1990 hat die Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck ein Ansuchen des Beschwerdeführers um Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage auf den Gst 541 und 542/1, KG Wilten, unter Bedachtnahme auf die §§31 Abs4 und 56 Abs5 der Tiroler Bauordnung sowie auch §15 des Tiroler Raumordnungsgesetzes und auf die Festlegungen des Bebauungsplanes Nr. 85/d abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer in - näher bezeichneten - verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt. Die belangte Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die belangte Behörde ist in ihrer Entscheidung davon ausgegangen, daß für jenen Teil der hier maßgeblichen Baugrundstücke, deren Widmung mit dem genannten Vorerkenntnis vom 4. Oktober 1988, V138/87, aufgehoben worden war, vom Verordnungsgeber seit der Aufhebung keine (neue) Widmung festgelegt worden ist. Daran wird im angefochtenen Bescheid folgende - hier im Wortlaut unverändert wiedergegebene - Schlußfolgerung geknüpft:
"Wenngleich es zutreffen mag, daß die den Bauplatz umgebenden Parzellen als Bauland gewidmet sind, so bestimmt hiezu, wie von der Baubehörde erster Instanz richtig festgehalten, der §56 Abs5 der Tiroler Bauordnung, daß Grundflächen, für die keine Widmung festgelegt ist, weil weder ein nach §31 Abs3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 weitergeltender Verbauungsplan noch ein Flächenwidmungsplan besteht, als Freiland gelten (§15 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984).
Darüberhinaus bestimmt die genannte Gesetzesstelle, daß abgesehen von den nach §15 Abs2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 zulässigen baulichen Anlagen nur die Errichtung von baulichen Anlagen auf solchen Grundflächen bewilligt werden darf, wenn sie mit den im Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 festgelegten Zielen der örtlichen Raumordnung oder, im Falle einer Bausperre nach §29 Abs1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, mit dem aufgelegten Entwurf des Flächenwidmungsplanes nicht im Widerspruch stehen.
Nachdem im vorliegenden Baurechtsfall davon auszugehen ist, daß das zur Genehmigung eingereichte Objekt keinesfalls als Bau für land- und forstwirtschaftliche Betriebe im Sinne des §15 Abs3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes zu werten ist, hatte die Behörde in Beachtung des Gesetzesbefehles des §56 Abs5 der Tiroler Bauordnung zu prüfen, ob die zur Genehmigung eingereichte bauliche Anlage mit den im Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 festgelegten Zielen der örtlichen Raumordnung im Widerspruch steht.
Im Rahmen des zweitinstanzlichen Ermittlungsverfahrens wurde hiezu eine ergänzende Stellungnahme der Magistratsabteilung VI (städtisches Bauamt), insbesondere zur Frage ob die Errichtung einer Verkehrsfläche im südlichen Bereich der für die Bebauung vorgesehenen Parzellen als Ziel der örtlichen Raumordnung im Sinne der zitierten Gesetzesstelle der Tiroler Bauordnung angesehen werden könne. Aus der in der Folge übermittelten Stellungnahme des Stadtbauamtes vom 5.4.1990, Zl. VI-13546/1989-T, welche in der Folge im Rahmen des Parteiengehörs auch dem Berufungswerber zur Verfügung gestellt wurde, geht nach Darstellung des Werdeganges mehrerer Planungsvarianten für den gegenständlichen Bereich zusammenfassend hervor, daß insgesamt 11 Hauptvarianten mit dazugehörigen Untervarianten ausgearbeitet worden sind und all diesen Lösungsvarianten der Platzbedarf der bei den Kreuzungen Leopoldstraße - Graßmayrstraße - Anton-Meltzer-Straße und Südbahnstraße - Graßmayrstraße im Bereich der beiden Liegenschaften 541 und 542/1, beide KG Wilten, ein Platzbedarf der Varianten mit der Bezeichnung 3 B-1 und 11 gemeinsam ist. Dies wiederum bedeutet, daß die für die Bebauung vorgesehenen Parzellenteile der erwähnten Parzellen in der KG Wilten nach wie vor bei Verwirklichung des Zieles der örtlichen Raumordnung als Verkehrsflächen Verwendung finden werden dürften."
2.a) Die hier maßgebliche Übergangsbestimmung des §56 Abs5 der Tiroler Bauordnung, LGBl. 33/1989 (TBO), hat folgenden Wortlaut:
"(5) Grundflächen, für die keine Widmung festgelegt ist, weil weder ein nach §31 Abs3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 weitergeltender Verbauungsplan noch ein Flächenwidmungsplan besteht, gelten als Freiland (§15 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984). Abgesehen von den nach §15 Abs2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 zulässigen baulichen Anlagen darf die Errichtung von baulichen Anlagen auf solchen Grundflächen nur bewilligt werden, wenn sie mit den im Tiroler Raumordnungsgesetz festgelegten Zielen der örtlichen Raumordnung oder, im Falle einer Bausperre nach §29 Abs1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, mit dem aufgelegten Entwurf des Flächenwidmungsplanes nicht in Widerspruch stehen."
b) Der Verfassungsgerichtshof geht mit der belangten Behörde davon aus, daß - da Art139 B-VG im Falle der Aufhebung ein Inkrafttreten früherer Verordnungsbestimmungen nicht vorsieht und da eine neue ausdrückliche Widmung nach der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof nicht erfolgt ist - die von der seinerzeit aufgehobenen Verordnung erfaßten Teile der Gst 541 und 542/1 nach §56 Abs5 TBO als Freiland im Sinne des §15 des Tiroler Raumordnungsgesetzes, LGBl. 4/1984 (TROG), gelten. Bei der in einem solchen Fall sodann vorzunehmenden Prüfung anhand der Ziele der örtlichen Raumordnung hat die Behörde auch verfassungsrechtliche Grundsätze miteinzubeziehen. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im genannten Vorerkenntnis vom 4. Oktober 1988 im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Hinweis auf das Urteil vom 23. September 1982, Fall Sporrong und Lönnroth, EuGRZ 1983 Seite 523ff) eine verfassungskonforme Interpretation von Bestimmungen des TROG vorgenommen; aufgrund dieser Interpretation des Gesetzes gelangte der Gerichtshof zur Aufhebung der Widmung von Teilen des hier nunmehr maßgeblichen Baugrundstückes als Verkehrsfläche.
c) Die belangte Behörde zieht nun im angefochtenen Bescheid als gegen die Bebauung sprechende Ziele der örtlichen Raumordnung genau jene Umstände heran, welche aus den im Vorerkenntnis vom 4. Oktober 1988 (auch im Hinblick auf die zitierte Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte) enthaltenen Erwägungen einen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich garantierte Eigentumsrecht bewirken (nämlich ein Bauverbot wegen zwar beabsichtigter, aber durch Jahrzehnte nicht in Angriff genommener Errichtung von Verkehrsflächen).
Der von der belangten Behörde eingeschlagene Weg unterstellt, wie sich aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt, im Zusammenhalt mit der hier vorliegenden spezifischen Situation und Vorgeschichte dem Gesetz - nämlich den Zielen der örtlichen Raumordnung - einen verfassungswidrigen Inhalt.
Bei diesem Ergebnis ist auf das Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen.
3. Der Beschwerdeführer ist daher durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden. Der Bescheid ist aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500 enthalten.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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