VfGH B375/87

VfGHB375/879.3.1989

Keine Bedenken gegen die Nichteinbeziehung von Unternehmen zur Überlassung von Arbeitskräften in den Geltungsbereich des Bauarbeiter-SchlechtwetterentschädigungsG im Hinblick auf das Gleichheitsgebot

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz / Verletzung keine
Bauarbeiter-SchlechtwetterentschädigungsG 1957 §1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz / Verletzung keine
Bauarbeiter-SchlechtwetterentschädigungsG 1957 §1

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer betreibt das Gewerbe der "Arbeitskräfteüberlassung", in dessen Rahmen er Bauunternehmungen Bauarbeiter für Baustellen zur Verfügung stellt. Mit Anträgen vom 9. September 1986 und 9. Oktober 1986 begehrte er die Rückerstattung ausbezahlter Schlechtwetterentschädigung für die Lohnauszahlungen August und September 1986 an Bauarbeiter, die auf der Baustelle "Arge Sporthalle Braunau/Inn" tätig gewesen seien.

Das Arbeitsamt Braunau gab diesen Anträgen mit Bescheiden vom 21. November 1986 und 4. Dezember 1986 keine Folge, da der Betrieb nicht dem Geltungsbereich des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes 1957, BGBl. 129/1957, (im folgenden: BSchEG) unterliege. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Landesarbeitsamt Oberösterreich mit Bescheid vom 2. März 1987 abgewiesen. Da für die Unterstellung unter die Bestimmungen des BSchEG die Art des Betriebes und nicht die Art der Beschäftigung der Arbeitnehmer maßgeblich sei, zähle der Beschwerdeführer nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten. Allfällig entrichtete Schlechtwetterentschädigungsbeiträge seien zu Unrecht entrichtet worden und daher zurückzuerstatten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet wird, weil §1 Abs1 BSchEG wegen der Nichteinbeziehung der Personalbereitstellungsgewerbe in den Geltungsbereich des Gesetzes gleichheitswidrig sei. In der Beschwerde wird die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §1 BSchEG angeregt und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids beantragt.

Das Landesarbeitsamt Oberösterreich hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat darauf erwidert und dargelegt, daß die Ausnehmung der Personalbereitstellungsgewerbe vom Geltungsbereich des BSchEG seiner Ansicht nach sachlich nicht gerechtfertigt und daher gleichheitswidrig sei und daß sich diese Gleichheitswidrigkeit auf das durch §1 Abs1 und 4 BSchEG konstituierte System des Geltungsumfangs des BSchEG auswirke, weshalb diese Bestimmungen mit Verfassungswidrigkeit belastet seien.

Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofs hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales mitgeteilt, welche Umstände seiner Ansicht nach die Nichteinbeziehung von Arbeitskräfteüberlassungsunternehmungen in den Geltungsbereich des BSchEG rechtfertigen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gemäß §1 Abs1 BSchEG fallen bestimmte Betriebe des Bau- und Bauhilfsgewerbes, darunter Hoch- und Tiefbaubetriebe, in den Anwendungsbereich des BSchEG. §1 Abs4 leg.cit. bestimmt sodann:

"(4) Wenn Arbeiter in anderen als den im Abs1 angeführten Betrieben in ähnlicher Weise arbeitsbehindernden Einwirkungen durch Schlechtwetter ausgesetzt sind, die die Gewährung einer Schlechtwetterentschädigung notwendig machen, sind diese Betriebe durch Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie in den Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes einzubeziehen."

Auf Grundlage dieser Verordnungsermächtigung wurden bisher bloß die Betriebe des Steinhauergewerbes in den Geltungsbereich des BSchEG einbezogen (Verordnung des BMS vom 18. 10. 1972, BGBl. 391/1972), nicht aber Arbeitskräfteüberlassungsunternehmungen.

2.a) Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid deshalb in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, weil der Bescheid auf einem gleichheitswidrigen Gesetz beruhe. Er vertritt die Auffassung, daß die gewerbliche Überlassung von Arbeitskräften für Bauarbeiten im Hinblick auf das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsrecht gleich behandelt werden müßte wie die Tätigkeit eines Bauunternehmens selbst. Es ließen sich nämlich keine Erwägungen finden, die es sachlich rechtfertigten, Personalbereitstellungsunternehmungen, die Bauarbeiter bereitstellen, nicht dem Regime des BSchEG zu unterstellen. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales habe daher durch die Nichterlassung einer Verordnung gemäß §1 Abs4 BSchEG einen gleichheitswidrigen Zustand herbeigeführt, der letztlich die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung des Geltungsbereichs des BSchEG bewirke.

b) Der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, daß die Nichteinbeziehung von Unternehmungen zur Überlassung von Arbeitskräften in den Geltungsbereich des BSchEG zu keinem gleichheitswidrigen Ergebnis führt.

Das Ziel des BSchEG ist die Verringerung des Schlechtwetterrisikos im Interesse der Erhaltung der Vollbeschäftigung im Baugewerbe und der Eindämmung der Winterarbeitslosigkeit: Durch das vom Gesetz vorgesehene System von Entgeltfortzahlung und Rückerstattung soll den Arbeitgebern das Offenhalten der Baustellen auch während der Schlechtwetterperioden erleichtert werden, wodurch die Arbeitnehmer vor einer durch die Einstellung von Baustellen bedingten Arbeitslosigkeit bewahrt werden sollen (376 BlgNR 7. GP).

Anknüpfungspunkt für den Geltungsbereich des BSchEG ist - dementsprechend - das jeweilige Unternehmen hinsichtlich der bei ihm tätigen Arbeiter (vgl. VfSlg. 9372/1982). Zu Recht weisen die belangte Behörde und der Bundesminister für Arbeit und Soziales darauf hin, daß das Risiko, das durch das BSchEG verringert werden soll, unmittelbar nur "Baubetriebe" treffen könne. Die belangte Behörde führt dazu aus:

"Für den Personalbereitstellungsbetrieb könnte sich dieses Risiko allenfalls insofern indirekt auswirken, als für Tage mit Schlechtwetter ein Baubetrieb, der davon betroffen wäre, keine Leiharbeitskräfte vom Personalbereitstellungsbetrieb anfordern wird, welches Risiko gegenüber anderen Gründen, wann Betriebe mit Personalbereitstellungsbetrieben u.U. keine einschlägigen Verträge schließen, nicht spezifischen Schutz verdienten. Vor allem aber könnte ein von einem Baubetrieb wegen Schlechtwetter nicht beschäftigter Leiharbeiter von der Personalbereitstellungsfirma an diesen Tagen ohne weiteres anderen Betrieben bereitgestellt werden, deren Baustellen durch Schlechtwetter entweder örtlich oder der Natur der Arbeiten nach (Innenarbeiten) nicht betroffen sind."

In der Tat sind die geschilderten Umstände geeignet, die Nichteinbeziehung von Unternehmungen zur Überlassung von Arbeitskräften in das Regime des BSchEG zu rechtfertigen. Das Risiko des Unternehmers liegt bei diesem Gewerbe nicht im Auftreten von Schlechtwetter, sondern im Unterbleiben der Nachfrage nach Bereitstellung von Arbeitskräften. Dieses Unterbleiben der Nachfrage kann zwar auch wetterbedingt sein, aber auch ganz andere Ursachen haben. Überdies kann der Unternehmer durch unternehmerische Disposition Folgen eines Schlechtwetters für sein Unternehmen dadurch verringern, daß er diesfalls die auf den vom Schlechtwetter betroffenen Baustellen nicht einsetzbaren Arbeitnehmer Unternehmern überläßt, die diese Arbeitnehmer für andere Arbeiten anfordern.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Erwägungen - wie die belangte Behörde und der Bundesminister meinen - die Nichteinbeziehung der Arbeitskräfteüberlassungsunternehmungen in den Geltungsbereich des BSchEG gebieten. Jedenfalls kann eine solche Nichteinbeziehung mit den ins Treffen geführten Argumenten gerechtfertigt werden. Eine Regelung widerspricht aber nur dann dem Gleichheitsgebot, wenn sie jeder sachlichen Rechtfertigung entbehrt.

Die Nichteinbeziehung von

Arbeitskräfteüberlassungsunternehmungen, die Arbeitskräfte für Bauunternehmungen bereitstellen, in den Geltungsbereich des BSchEG begegnet somit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; der Verfassungsgerichtshof sah sich daher nicht zur angeregten Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens veranlaßt.

c) Da die den angefochtenen Bescheid tragenden Gesetzesbestimmungen in der Auslegung, die ihnen die belangte Behörde beigemessen hat, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, könnte der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Gleichheitsrecht nur verletzt worden sein, wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte. Derartiges ist aber weder vorgebracht worden, noch haben sich im Verfahren Anhaltspunkte in dieser Richtung ergeben.

Die behauptete Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes hat daher nicht stattgefunden.

3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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