VfGH B233/89

VfGHB233/8925.9.1989

Zulässigkeit einer Beschwerde gegen das Betreten des Hauses und die Nachschau in einigen Zimmern durch einen Gendarmeriebeamten ohne Zustimmung des Verfügungsberechtigten; keine Hausdurchsuchung; keine Verletzung des Hausrechtes; keine Verletzung des Rechtes auf Achtung der Wohnung nach Art8 MRK

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
StGG Art9
MRK Art8 / Wohnung
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
StGG Art9
MRK Art8 / Wohnung

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind dadurch, daß ein Beamter des Gendarmeriepostens Mayrhofen/Bezirk Schwaz, am 19. Jänner 1989 das Haus Mayrhofen, Hauptstraße Nr. 441, betrat und dort in Wohnungen blickte, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch die bekämpfte Amtshandlung in einem sonstigen Recht verletzt wurden.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die vorliegende, auf Art144 (Abs1 zweiter Satz) B-VG gestützte Beschwerde wendet sich gegen eine von Beamten des Gendarmeriepostens (GP) Mayrhofen/Bezirk Schwaz/Tirol im Haus Mayrhofen, Hauptstraße 441, durchgeführte Amtshandlung. Dieses Haus steht im Eigentum der "M Kur- und Sporthotel Ges.m.b.H. & Co KG". Komplementär dieser KG ist die "M Kur- und Sporthotel Gesellschaft mbH" (deren Gesellschafter die beiden Beschwerdeführer sind); als Kommanditistin ist an der KG die "M OHG" beteiligt (Gesellschafter sind die beiden Beschwerdeführer).

Am 19. Jänner 1989 hätte - so wird in der Beschwerde ausgeführt - ein Beamter des GP Mayrhofen einige Zimmer des erwähnten Hauses geöffnet, "um dort Nachschau hinsichtlich dort aufhältiger Personen zu halten". Die Beschwerdeführer werten diese Nachschau als Hausdurchsuchung und erachten sich im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht verletzt. Sie beantragen, diese Rechtsverletzung kostenpflichtig festzustellen, in eventu die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

2.a) Die Bezirkshauptmannschaft (BH) Schwaz als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und eine Stellungnahme, in der die Abweisung der Beschwerde begehrt wird; es hätte keine Hausdurchsuchung stattgefunden.

b) Darauf replizierten die Beschwerdeführer am 17. Mai 1989.

II. Der Verfassungsgerichtshof nimmt aufgrund des vorgelegten Verwaltungsaktes der BH Schwaz, Zl. Frp-64534/5b-89, der von der BH Schwaz niederschriftlich aufgenommenen Aussagen der einschreitenden Gendarmeriebeamten Insp. S und Rev.Insp. T vom 11. April 1989 als Zeugen, sowie des beiderseitigen Parteienvorbringens folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Aufgrund von Anzeigen beauftragte die BH Schwaz den GP Mayrhofen am 11. Jänner 1989 schriftlich, bei der Fa. M in Mayrhofen zu erheben, ob dort ausländische Arbeitnehmer ohne entsprechende Bewilligung beschäftigt werden. Abschließend lautet es im Auftrag: "Etwaige illegal aufhältige und beschäftigte Ausländer sind nach telef. Rücksprache ha. vorzuführen".

Am 19. Jänner 1989 begaben sich die Gendarmeriebeamten S und T in die Küche des von den Beschwerdeführern im Haus Mayrhofen, Hauptstraße Nr. 439, betriebenen Restaurants "M". Dort forderten sie die jugoslawische Staatsangehörige J R auf, ihren Reisepaß vorzuweisen. Die Genannte gab an, diesen in ihrem Zimmer im Nebenhaus (im "Personalhaus") zu verwahren. Insp. S ging daher mit ihr ins Haus Hauptstraße 441. Bei dieser Gelegenheit erkundigte sich der Beamte bei ihr, ob noch weitere Ausländer im Betrieb beschäftigt seien. Sie verneinte dies und öffnete zum Nachweis dafür einige unversperrte Zimmertüren. Der Beamte blickte kurz in die Räume, ohne sie zu betreten; er sah darin niemanden. An eine Tür klopfte der Beamte und öffnete sie, nachdem ihm geantwortet worden war. Im Zimmer befand sich ein Ausländer, der dem Gendarmeriebeamten bekannt war, weshalb dieser gegen ihn nichts weiter unternahm.

Die Jugoslawin konnte keinen Reisepaß vorweisen, weshalb die beiden Beamten sie der BH Schwaz vorführten.

Dieser Sachverhalt wird auch von den Beschwerdeführern in ihrer Replik vom 17. Mai 1989 insofern nicht in Abrede gestellt, als eine solche Durchsuchung nun gar nicht mehr ausdrücklich behauptet, sondern geltend gemacht wird, der Gendarmeriebeamte S habe sich ins Personalhaus begeben und habe dort sämtliche Zimmer, die unversperrt waren, geöffnet, "um Nachschau hinsichtlich dort aufhältiger Personen zu halten".

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Das Betreten des Hauses Mayrhofen, Hauptstraße Nr. 441, und die Nachschau in einigen Zimmern durch einen Gendarmeriebeamten erfolgte ohne Zustimmung der Verfügungsberechtigten. Diese Maßnahmen stellen in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangene Verwaltungsakte dar, die nach Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG beim Verfassungsgerichtshof bekämpfbar sind.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. Sie ist jedoch nicht berechtigt:

a) Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10522/1985, 10547/1985) verbieten Art9 StGG und das Gesetz vom 27. Oktober 1862, RGBl. 88, zum Schutz des Hausrechtes nicht jedes Betreten eines Hauses oder einer Wohnung durch Sicherheitsorgane, sondern sie gewährleisten nur Schutz gegen willkürliche Hausdurchsuchungen. Als "Hausdurchsuchung" definiert §1 Hausrechtsgesetz, RGBl. 88/1862, eine "Durchsuchung der Wohnung oder sonstiger zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten". Für das Wesen einer Hausdurchsuchung ist charakteristisch, daß nach Personen oder Sachen, von denen unbekannt ist, wo sie sich befinden, gesucht wird.

b) Eine Durchsuchung iS der soeben dargestellten Judikatur - von der abzurücken kein Anlaß besteht - fand hier nicht statt: Der Beamte warf bloß einen Blick in die unversperrten Zimmer; von einem "Suchen" oder einem systematischen Besichtigen, um festzustellen, ob sich darin eine Person befindet, kann also keine Rede sein (vgl. zB VfSlg. 6528/1971, 10547/1985).

Die Beschwerdeführer sind durch die bekämpften Maßnahmen also nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht verletzt worden.

Unter den geschilderten Umständen wurde - anders als etwa im Fall VfSlg. 10547/1985 - auch das durch Art8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung der Wohnung nicht verletzt.

Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

c) Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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