VfGH B666/86

VfGHB666/8626.2.1987

konkludente freiwillige Zustimmung zu

Amtshandlung von Gendarmeriebeamten (Nachschau und Befragung) im Wohnbereich der Bf. - mangelnder Zwangscharakter; keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1.1. N K beantragte mit ihrer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde an den VfGH (26. Feber 1987) der Sache nach die kostenpflichtige Feststellung, sie sei am 3. Juni 1986 dadurch, daß Organe des Gendarmeriepostens Badgastein (Bezirk St. Johann im Pongau, Land Salzburg) ihre Wohnung in Badgastein ... durchsuchten, demnach durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht (Art9 StGG) verletzt worden.

1.2. Die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau als bel. Beh. (vgl. VfSlg. 7509/1975, 8146/1977; VfGH 21.2.1985 B585/84) erstattete - unter Vorlage der Administrativakten eine Gegenschrift und begehrte darin sinngemäß die Abweisung der Beschwerde.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Beweis wurde erhoben ua. durch Vernehmung der Gendarmeriebeamten H P B und J K, ferner der Dr. B M, des Dr. A K M und des Y T als Zeugen, durch Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten und den hg. Akt B667/86 sowie durch Vernehmung der Bf. N K als Partei.

2.1.2. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens stellte der VfGH folgenden Sachverhalt als erwiesen fest:

Am 3. Juni 1986 um 5 Uhr 09 teilte Dr. B M dem Gendarmerieposten Badgastein telefonisch mit, daß ein Unbekannter in offenbarer Diebstahlsabsicht gewaltsam in das Innere des Hauses R in Badgastein ... einzudringen versucht habe. Die beiden einschreitenden Gendarmeriebeamten Revierinspektor H P B und Inspektor J K hielten hierauf gemeinsam mit den Hausbesitzern, der Anzeigerin und ihrem Ehemann Dr. A K M, Nachschau an Ort und Stelle: Eine eingeschlagene Fensterscheibe im ersten Stockwerk des Hauses, Tritt- und Wischspuren auf dem Vordach und eine verbogene Dachrinne erhärteten den Verdacht eines versuchten (Einbruchs-)Diebstahls. Im Zuge weiterer Nachforschungen nach dem unbekannten Täter führte Dr. A K M die Beamten (auch) in den unversperrten korridorartigen Vorraum des vom Ehepaar B und N K bewohnten Erdgeschoßes.

Dort rief Dr. M nach N K, die daraufhin mit ihrem Ehemann aus dem angrenzenden Schlafzimmer in den Vorraum kam und vom Hausbesitzer sogleich wegen der unversperrt gelassenen Wohnungstür beanstandet wurde. Die Gendarmeriebeamten befragten dann die Eheleute über Wahrnehmungen im Zusammenhang mit dem angezeigten Diebstahlsversuch: Beide beantworteten bereitwillig alle an sie gerichteten Fragen und erhoben gegen die Anwesenheit der Beamten, die vom Flur aus in die Wohnräume blicken konnten, nicht den geringsten Einwand. Anschließend verließen die Gendarmen den ebenerdigen Wohnbereich.

Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich in der Hauptsache auf die unbedenklichen und durchaus glaubhaften Aussagen der Zeugen H P B, J K und Dr. A K M, die mit dem Inhalt der Administrativakten im wesentlichen übereinstimmen und das teilweise anderslautende Parteivorbringen widerlegen.

2.2.1. Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Nov. BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Novelle 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, wie dies für Hausdurchsuchungen zutrifft, die Sicherheitsorgane aus eigener Macht vornehmen (zB VfSlg. 7943/1976, 8680/1979, 9389/1982, 9766/1983; VfGH 5.6.1986 B226/85 ua.).

2.2.2. Wie die einleitenden Sachverhaltsfeststellungen ergeben, wurden die Gendarmeriebeamten vom Hausbesitzer selbst (nur) in den Vorraum der unversperrten Wohnung der Beschwerdeführerin geleitet: Abgesehen davon, daß die Exekutivorgane dabei nach Lage der Verhältnisse an sich weder Zwangs- noch Befehlsgewalt ausübten, legten die Wohnungsinhaber dort ein Verhalten an den Tag, das - in Prüfung und Würdigung aller Umstände - als konkludente freiwillige Zustimmung zu der im Gang befindlichen Amtshandlung überhaupt gewertet werden muß.

Der bekämpfte Verwaltungsakt entbehrt also unter all diesen Aspekten eines (normativen) Zwangscharakters (s. zB VfSlg. 5738/1968, 6696/1972; VfGH 5.6.1986 B226/85 ua.), wie ihn eine zulässige Beschwerdeführung nach Art144 Abs1 Satz 2 B-VG zwingend voraussetzt.

2.3. Die Beschwerde war darum allein schon aus den dargelegten Erwägungen wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs als unzulässig zurückzuweisen.

2.4. Da die Schriftsätze der Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und die dem VfGH vorgelegten Akten zeigen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließe, wurde gemäß §19 Abs4 VerfGG 1953 idF BGBl. 297/1984 ohne Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden.

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