VfGH G161/86

VfGHG161/8628.2.1987

Verfahrenshilfe für einen Individualantrag auf Aufhebung des §78 Abs2 KO beantragt; Antrag auf Aufhebung der Postsperre zulässig und bereits gestellt - Aussichtslosigkeit des Individualantrages; Abweisung des Verfahrenshilfeantrages

Normen

B-VG Art89 Abs2 zweiter Satz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
B-VG Art89 Abs2 zweiter Satz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

 

Spruch:

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit einer nicht durch einen Rechtsanwalt eingebrachten Eingabe beantragt der Einschreiter, ihm die Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Antrages auf "Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des §78/2 KO bezüglich der Postsperre bei Konkursen" zu bewilligen.

Seit 17. Juli 1985 werde diese Bestimmung gegen ihn ohne Fällung einer richterlichen Entscheidung angewendet und hiedurch sein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Briefgeheimnis verletzt; die Bestimmung verstoße auch gegen die Unschuldsvermutung, weil durch die Postsperre dem unbescholtenen Gemeinschuldner unterstellt werde, strafbare Handlungen begehen und dem Masseverwalter die Post vorenthalten zu wollen.

2. Der VfGH hat zur Beurteilung der Prozeßaussichten die Akten der über den Einschreiter eingeleiteten Konkursverfahren beigeschafft und hieraus folgende Feststellungen getroffen:

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 17. Juli 1985 wurde der Konkurs über das Vermögen der W P, Hoch- und Tiefbaugesellschaft m.b.H. & Co KG, sowie über das Vermögen der W P, Hoch- und Tiefbaugesellschaft mit beschränkter Haftung, zu Zlen. S 45,46/85 eröffnet; mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 22. Oktober 1985 wurde der Konkurs über das Vermögen des Dipl.Ing. W P zur Z S 74/85 eröffnet. Im Zuge der Konkursverfahren stellte der Einschreiter - er ist Geschäftsführer der im Konkurs befindlichen Firmen - unter Berufung auf §78 Abs2 Konkursordnung jeweils den Antrag auf Aufhebung der Postsperre; der Masseverwalter habe diesbezüglich bereits beim Konkurskommissär angefragt, weil er eine Postsperre für die Abwicklung des persönlichen Konkurses des Einschreiters nicht mehr für notwendig halte; aber auch für die Firmenkonkurse bestehe keine Notwendigkeit für eine Postsperre mehr, da eine Geschäftstätigkeit nicht mehr ausgeübt werde. Der Einschreiter ersuche auch zu untersuchen, "ob der §78 KO hinsichtlich der Postsperre nicht überhaupt verfassungswidrig" sei.

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 5. September 1986 wurde im Konkursverfahren zu den Zlen. S 45,46/85 der Antrag des Dipl.Ing. W P auf Aufhebung der Postsperre abgewiesen, weil sie weiterhin dringend geboten sei; da es sich bei der Gemeinschuldnerin um eine Gesellschaft handle, sei das Vorhandensein von Privatpost ausgeschlossen, sodaß auch eine teilweise Aufhebung der Postsperre nicht in Frage komme. Den von Dipl.Ing. W P eingebrachten Rekursen wurde vom Oberlandesgericht Linz mit Beschluß vom 21. November 1986,

Z4 R 338,339,340,341/86, keine Folge gegeben. Die Postsperre sei zur Verwaltung und Verwertung des Konkursvermögens notwendig, andere Sendungen müßten den Gemeinschuldnerinnen ohnedies ausgefolgt werden. Mit einem weiteren Beschluß des Kreisgerichtes Wels wurde auch im Konkursverfahren zu Z S 74/85 der Antrag des Dipl.Ing. W P auf Aufhebung der Postsperre abgewiesen, weil kein wie immer gearteter Anlaß hiezu vorliege. Vielmehr stellten die Versuche des Gemeinschuldners, die Masseverwertung in seine Hände zu nehmen, einen besonderen Grund dar, die Postsperre beizubehalten.

3. §78 Abs2 Konkursordnung, RGBl. 337/1914 idF des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982, BGBl. Nr. 370, lautet:

"(2) Das Gericht hat zugleich mit der Konkurseröffnung die Post- und Telegraphendienststellen, die Flugplätze, Bahnhöfe und Schiffsstationen, die nach Lage der Wohnung und der Betriebsstätte in Betracht kommen, von der Konkurseröffnung zu benachrichtigen. Solange es keinen gegenteiligen Beschluß faßt, haben diese Stellen dem Masseverwalter alle Sendungen auszuhändigen, die sonst dem Gemeindschuldner auszufolgen wären. Das gilt nicht für die mit der Post beförderten gerichtlichen oder sonstigen amtlichen Briefsendungen, sofern sie mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz der Postsperre hinweisenden amtlichen Vermerk versehen sind."

4. Ausgehend von dieser Sach- und Rechtslage hat der VfGH erwogen:

Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art140 B-VG ist, daß die bekämpfte Gesetzesstelle für den Antragsteller nicht bloß behaupteterweise sondern tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist (vgl. VfSlg. 8009/1977). Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüberhinaus erforderlich, daß der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar durch das Gesetz selbst tatsächlich erfolgt ist, daß dieser Eingriff nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, daß die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden und daß dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 9724/1983).

Dem Einschreiter steht - wie sich aus der in Punkt 3. wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmung ergibt - ein solcher Weg zur Verfügung; er kann nämlich die Aufhebung der Postsperre beantragen; aus den beigeschafften Konkursakten geht hervor - siehe Punkt 2. -, daß er einen solchen Antrag auch bereits gestellt hat, der Gegenstand einer Beschlußfassung des Gerichtes erster Instanz und im Verfahren S 45,46/85 auch eines Rechtsmittelgerichtes war. Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG ist ein Rechtsmittelgericht, sofern es - gleich dem Antragsteller - Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des anzuwendenden Gesetzes hegen sollte, zur entsprechenden Anrufung des VfGH verpflichtet (vgl. VfSlg. 8552/1979, 9394/1982, zuletzt VfGH 27.9.1986 G7/86). Ein Individualantrag ist daher nicht zulässig; andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtschutzes, die mit dem Charakter des Individualantrages als eines subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde (VfSlg. 8312/1978, 8594/1979, 9583/1982, 10251/1984).

5. Die vom Antragsteller angestrebte Antragstellung erweist sich somit als offenbar aussichtslos. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war daher gemäß §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VerfGG) in nichtöffentlicher Sitzung (§72 Abs1 ZPO, §35 Abs1 VerfGG) abzuweisen.

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