Normen
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ProstitutionsV der Marktgemeinde Angern (Nö) vom 23.9.1985
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ProstitutionsV der Marktgemeinde Angern (Nö) vom 23.9.1985
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. 1. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Angern an der March/NÖ erließ am 23. September 1985 - gestützt auf §5 Abs1 des NÖ Prostitutionsgesetzes, LGBl. 4005-0 - die folgende "V über ein Verbot der Anbahnung und/oder Ausübung der Prostitution, sowie über ein Verbot der Kennzeichnung von Gebäuden, in denen die Prostitution angebahnt oder ausgeübt wird" (im folgenden kurz: PrV Angern):
"§1
Die Anbahnung und/oder Ausübung der Prostitution, sowie die Kennzeichnung von Gebäuden, in denen die Prostitution angebahnt oder ausgeübt wird, ist im Bereich der Bahnstraße und der Zwerndorferstraße in der KG Angern wegen Belästigung der Nachbarschaft und besonders wegen sittlicher Gefährdung Jugendlicher verboten.
§2
Wer die Prostitution entgegen §1 anbahnt oder ausübt, begeht eine Verwaltungsübertretung und wird nach §6 des NÖ Prostitutionsgesetzes bestraft.
§3
Diese V tritt am 8.10.1985 in Kraft."
Die V wurde durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel in der Zeit vom 23. September bis 8. Oktober 1985 kundgemacht.
2. Die Antragstellerin bringt vor, im Haus Zwerndorferstraße ... in Angern (das in dem von §1 der PrV Angern umschriebenen Bereich liegt) der Prostitution nachzugehen. Durch die V werde ihr die Ausübung der Prostitution verboten, weshalb sie durch die PrV Angern unmittelbar in ihren Rechten verletzt werde.
Die Antragstellerin begehrt mit der vorliegenden, am 13. Feber 1987 zur Post gegebenen, auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG gestützten Eingabe, die zitierte V zur Gänze aufzuheben.
3. Die NÖ Landesregierung und der Bürgermeister der Marktgemeinde Angern/March erstatteten - unter Vorlage der bezughabenden Akten - Äußerungen, in denen sie die Gesetzmäßigkeit der PrV Angern verteidigen. Die NÖ Landesregierung beantragt jedoch primär, der Antrag mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.
Die Antragstellerin brachte eine Replik ein.
4. Die Antragstellerin wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 22. Jänner 1987 schuldig erkannt, sie habe
"in der Zeit vom 1. August 1986 bis 8. Oktober 1986
a) trotz Verbot durch die Gemeinde Angern an der March von 4 bzw. 1 Mädchen die Prostitution ausüben lassen (Pächterin)
b) das Gebäude in für unbeteiligte Personen aufdringlicher Weise mit "Las Vegas Night Club" mit einem roten Lichtlauf ausgestattet bzw. gekennzeichnet und es
c) unterlassen, die beabsichtigte Ausübung der Prostitution der Gemeinde vorher anzuzeigen."
Sie habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach §3 Abs2 Z5 und 1 sowie §4 des NÖ Prostitutionsgesetzes iVm §7 VStG 1950 begangen. Über sie wurden Geldstrafen und Ersatzarreststrafen verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Antragstellerin Berufung, über die bisher nicht entschieden wurde.
II. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1.a) Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß die Antragstellerin behauptet, unmittelbar durch die angefochtene V - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die V für die Antragstellerin tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die V in die Rechtssphäre der Antragstellerin nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüberhinaus erforderlich, daß die V selbst tatsächlich in die Rechtssphäre der Antragstellerin unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die V selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen der Antragstellerin nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn der Antragstellerin kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985).
b) Ein solcher zumutbarer Weg besteht grundsätzlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normprüfungsverfahrens durch den VfGH anzuregen; eine Ausnahme besteht nur für den Fall, daß besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens trotz der ihr dort offenstehenden Möglichkeiten das Recht auf Einbringung eines Normprüfungsantrages einzuräumen (vgl. zB VfSlg. 8312/1978, 8552/1979, 10251/1984). Zwar ist es unzumutbar, ein Strafverfahren zu provozieren, um solcherart Gelegenheit zu bekommen, ein amtswegiges Normprüfungsverfahren zu initiieren (vgl. zB VfSlg. 8396/1978, 8464/1978); ist ein Strafverfahren aber ohnehin bereits anhängig, so ist es dem Beschuldigten durchaus zumutbar, den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen und sodann beim VfGH Beschwerde nach Art144 B-VG zu erheben und darin seine Bedenken gegen die generelle Norm vorzubringen.
c) Hier ist gegen die Antragstellerin ein Verwaltungsstrafverfahren anhängig (s.o. I.4.). Das Straferkenntnis stützt sich inhaltlich vor allem auf die PrV Angern, wenngleich diese V im Straferkenntnis nicht ausdrücklich zitiert wird. Für den Fall einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde wäre die PrV Angern präjudiziell iS des Art139 Abs1 B-VG; der VfGH wäre verpflichtet - wenn er gegen die V Bedenken ob ihrer Gesetzmäßigkeit hätte - ein amtswegiges Verordnungsprüfungsverfahren einzuleiten.
d) Da sohin ein anderer zumutbarer Weg besteht, die gegen die angefochtene V sprechenden Bedenken geltend zu machen, ist der Antrag mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.
e) Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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