VfGH G1/87,G171/87

VfGHG1/87,G171/87G1/87,G171/876.10.1987

Gut funktionierende Güterbeförderung liegt im

öffentlichen Interesse; Konkurrenzschutz durch Bedarfsprüfung innerhalb des mit LKW betriebenen Gewerbes (Güternahverkehr) ein untaugliches Mittel zur Zielerreichung, auch unter dem Blickwinkel der Verkehrssicherheit jedenfalls unverhältnismäßig belastendes Mittel - Aufhebung einiger Worte in §5 Abs1 erster Satz und des §5 Abs2 GüterbeförderungsG wegen Verstoßes gegen die Erwerbsausübungsfreiheit

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Sachentscheidung
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
GBefG §3
GBefG §5 Abs1 und Abs2 idF BGBl 630/1982
B-VG Art140 Abs1 / Sachentscheidung
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
GBefG §3
GBefG §5 Abs1 und Abs2 idF BGBl 630/1982

 

Spruch:

Die Wortfolge ", ein Bedarf nach der beabsichtigten Gewerbeausübung besteht" im §5 Abs1 erster Satz sowie der §5 Abs2 des Güterbeförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 63/1952, in der Fassung der Nov. BGBl. Nr. 630/1982 werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. September 1988 in Kraft.

Frühere gesetzliche Vorschriften treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. A. 1. Beim VfGH ist zur Zl. B789/86 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 5. Juni 1986 wendet. Mit diesem Berufungsbescheid wurde gemäß §5 Abs1 des Güterbeförderungsgesetzes, BGBl. 63/1952, idF der Nov. BGBl. 630/1982 (im folgenden kurz: GBefG) die vom Bf. beantragte Konzession zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Nahverkehr, beschränkt auf die Verwendung eines Lastkraftwagens im Standort Lambach, verweigert, dies mit der Begründung, daß kein Bedarf gegeben sei.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerde beschloß der VfGH am 4. Dezember 1986, gemäß Art140 Abs1 B-VG von amtswegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge ", ein Bedarf nach der beabsichtigten Gewerbeausübung besteht" in § 5 Abs1 erster Satz sowie des §5 Abs2 des GBefG einzuleiten.

3. Diese bundesgesetzlichen Bestimmungen und die übrigen in Betracht zu ziehenden Rechtsvorschriften lauten (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

a) Güterbeförderungsgesetz (GBefG)

"§1. (1) . . .

(3) Soweit dieses BG nicht besondere Bestimmungen trifft, gilt für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen die Gewerbeordnung 1973.

§3. (1) . . .

(2) Konzessionen dürfen nur für folgende Arten der gewerbsmäßigen Güterbeförderung erteilt werden:

1. Für die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Nahverkehr (Güternahverkehr);

2. für die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Fernverkehr (Güterfernverkehr).

(3) Güternahverkehr liegt vor, wenn ein Gut innerhalb der Nahverkehrszone, das ist innerhalb eines Umkreises mit einem Radius von 65 km, gemessen in der Luftlinie von dem für die Ausübung des Gewerbes in Aussicht genommenen Standort, oder wenn die Fahrt über die Nahverkehrszone hinausgeht, auf einer Strecke von höchstens 110 Straßenkilometern befördert wird, wobei die Beoder Entladestelle innerhalb des Umkreises liegen muß (Stichfahrt).

(4) . . .

(5) Güterfernverkehr liegt bei allen Güterbeförderungen vor, die nicht unter Abs3 fallen. Eine Konzession für den Güterfernverkehr berechtigt auch zur Ausübung des Güternahverkehrs.

(6) . . .

§4. (1) Eine Konzession nach §3 oder die Anmeldung eines besonderen Gewerbes ist nicht erforderlich:

1. . . .

3. Für den Werkverkehr (§8);

4. . . .

"§5. (1) Die Konzession darf nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für die Ausübung eines konzessionierten Gewerbes (§25 GewO 1973) erfüllt sind, der Befähigungsnachweis erbracht ist (§5a), ein Bedarf nach der beabsichtigten Gewerbeausübung besteht und der Betrieb leistungsfähig ist. Der Bewerber hat überdies entsprechend dem beabsichtigten Konzessionsumfang (§3a) in der in Aussicht genommenen Standortgemeinde oder in einer daran unmittelbar angrenzenden Gemeinde über die erforderlichen Abstellplätze außerhalb von Straßen mit öffentlichem Verkehr zu verfügen.

(2) Bei der Beurteilung des Bedarfes ist auf die Art der beantragten Konzession (§3 Abs2), auf die wirtschaftliche Lage der bestehenden Betriebe sowie auf die Kapazitäten anderer Verkehrsträger, soweit diese vergleichbare Leistungen anbieten, Bedacht zu nehmen.

(3) . . ."

b) Gewerbeordnung 1973 (GewO)

"§25. (1) Eine Bewilligung (Konzession) für ein konzessioniertes Gewerbe (§5 Z2) ist zu erteilen, wenn

1. bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben (§§8 bis 15) keine Tatsachen vorliegen, die es zweifelhaft machen, ob der Bewerber oder, falls sich eine juristische Person oder Personengesellschaft des Handelsrechtes um die Konzession bewirbt, eine der im §13 Abs7 genannten Personen die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, und

2. die hinsichtlich der Ausübung des betreffenden konzessionierten Gewerbes allenfalls vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Liegt eine der im Abs1 angeführten Voraussetzungen nicht vor, so ist die Konzession zu verweigern.

(3) . . .

(4) Sofern die Erteilung der Konzession vom Bedarf nach der beabsichtigten Gewerbeausübung abhängig ist, ist bei seiner Feststellung vom gegenwärtigen und dem zu erwartenden Bedarf auszugehen."

4. Der VfGH begründete im Einleitungsbeschluß seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in Prüfung gezogenen bundesgesetzlichen Vorschriften mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis VfSlg. 10932/1986, mit dem ähnliche Bestimmungen des Gelegenheitsverkehrsgesetzes, betreffend die Bedarfsprüfung bei Taxis, als verfassungswidrig aufgehoben worden waren. Der VfGH nahm im Einleitungsbeschluß vorläufig an, daß die im zitierten Vorerkenntnis angestellten Überlegungen auch auf die in Prüfung gezogenen - anscheinend präjudiziellen - Stellen des §5 GBefG zutreffen. Hiezu wird sodann näher dargelegt:

"Der VfGH kann nämlich vorläufig keinen Grund dafür erkennen, weshalb es im öffentlichen Interesse liegen sollte, als Voraussetzung für die Erteilung einer Konzession zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Nahverkehr zu fordern, daß ein Bedarf nach dessen Ausübung besteht. Falls auch im Bereich der Güterbeförderung das Ziel der Regelung sein sollte, der Bevölkerung diese Dienstleistung bestmöglich zu gewährleisten, würde durch eine Beschränkung der Zahl der Konzessionen die Erreichung dieses Zieles anscheinend geradezu inhibiert. Demgemäß hegt der VfGH das Bedenken, daß die in Prüfung gezogenen Teile des §5 GBefG gegen die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit verstoßen."

5.a) Die Bundesregierung erstattete am 31. März 1987 eine Äußerung. Sie beantragt die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben: Für den Fall der Aufhebung begehrt sie, gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, um allenfalls erforderliche legistische Vorkehrungen zu ermöglichen.

Die Bundesregierung meint, daß die für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit maßgeblichen Umstände im Bereich der Güterbeförderungsgewerbe anders liegen als bei Gelegenheitsverkehrsgewerben. An der Bedarfsprüfung im Güterbeförderungsgewerbe bestehe ein besonderes öffentliches Interesse. Die Bundesregierung führt dies wie folgt aus:

"1. Auch wenn dem VfGH grundsätzlich darin beizupflichten ist, daß - isoliert betrachtet - eine Beschränkung der Anzahl der Konzessionen geeignet erscheinen könnte, eine bestmögliche Versorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen der Güterbeförderung zu beeinträchtigen, so ist demgegenüber im vorliegenden Zusammenhang doch folgendes zu bedenken: Unbeschadet des Umstandes, daß objektive Marktzugangsbeschränkungen von der Art der Bedarfsprüfung niemals bloß dem wirtschaftlichen Schutz der Unternehmer als Selbstzweck dienen dürfen (vgl. das oa. Erkenntnis vom 23. Juni 1986, Zl. G14/86 ua Zlen.), kann die besondere Eigenart eines Gewerbes und der damit zusammenhängenden besonderen, insbesondere wirtschaftlichen oder technischen Randbedingungen es im Interesse der Verbraucher als notwendig erscheinen lassen, durch die Aufrechterhaltung des ausgewogenen Verhältnisses des Angebotes zur Nachfrage eine geordnete Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Die Zulassung einer unbeschränkten Anzahl von Marktteilnehmern und damit ein voller und freier Wettbewerb erscheint nämlich auch im Interesse des Verbraucherschutzes in jenen Verkehrsbereichen nicht sinnvoll, in denen hohe Investitionen vorgenommen werden müssen, um überhaupt als Gewerbetreibender tätig werden zu können. Dies trifft ua auch auf den Bereich der Güterbeförderung zu. Im Gegensatz zu den Gelegenheitsverkehrsgewerben sind nämlich im Güterbeförderungsgewerbe regelmäßig wesentlich höhere Anschaffungs- und Erhaltungskosten für Betriebsgüter zu veranschlagen. Ein bei völlig freiem Marktzugang unvermeidlicher übermäßiger Konkurrenzkampf würde wegen der im Bereich des Güterbeförderungsgewerbes erforderlichen hohen Investitionen (ganz abgesehen von volkswirtschaftlichen Erwägungen allgemeiner Natur) nicht nur zu einer empfindlichen Beeinträchtigung der Liquiditätslage der Unternehmen, sondern im Zusammenhang damit vermutlich zu einer wesentlich erhöhten Krisenanfälligkeit der gesamten Branche führen. Eine rasche Zunahme von Unternehmenszusammenbrüchen könnte zu einer dramatischen Gefährdung nicht bloß der ungestörten Versorgung der Bevölkerung, sondern - wegen der steigenden Notwendigkeit einer Fremdfinanzierung von Unternehmen - vor allem auch zu einer erheblichen Gefährdung der Fremdkapitalgeber führen. Eine Beschränkung des Marktzuganges und die damit verbundene relative wirtschaftliche Stabilität im Güterbeförderungsgewerbe dient daher nicht dem Konkurrenzschutz der Unternehmen als bloßem Selbstzweck, auch nicht bloß der Sicherung eines ungestörten Angebotes an Dienstleistungen für die Bevölkerung, sondern zugleich auch einem gewerbespezifischen Gläubigerschutz. Angesichts der im Güterbeförderungsgewerbe typischen erhöhten Investitionskosten erscheint somit diesfalls aus den genannten Gründen eine Bedarfsprüfung als objektive Zulassungsvoraussetzung - anders als im Gelegenheitsverkehrsgewerbe - sachlich gerechtfertigt und im öffentlichen Interesse gelegen. Insbesondere ist nicht zu ersehen, durch welche anderen gewerbepolizeilichen oder wettbewerbsrechtlichen Regelungen diese öffentlichen Interessen in gleich wirksamer Weise gewährleistet werden sollten.

2. Darüber hinaus erscheint im Lichte der Zielsetzung einer Entlastung des Straßenverkehrs durch die Möglichkeit der Heranziehung der Bahn als Beförderungsmittel folgendes bedenkenswert:

a) Nicht nur, daß der durch eine vermehrte Konkurrenz zwischen einzelnen Güterbeförderungsunternehmen bei Wegfall der Bedarfsprüfung sich ergebende ungezügelte Wettbewerb auch - zu Lasten der Bahn - zu einem verschärften Wettbewerb zwischen den Güterbeförderungsunternehmen einerseits und der Bahn andererseits führen würde. Vielmehr ist darüber hinaus zu bedenken, daß auch die bestmögliche Auslastung vorhandener Kapazitäten von Verkehrsträgern mit hohen Investitions- und Instandhaltungskosten einschließlich der Bahn diesfalls sowohl die Versorgungslage im Bereich der Güterbeförderungsunternehmen stabilisieren als auch eine entsprechend gleichmäßige Entwicklung im Bereich der Bahn begünstigen würde. Die Bundesregierung geht hiebei davon aus, daß eine bessere Auslastung vorhandener Kapazitäten von Verkehrsträgern mit hohen Investitions- und Instandhaltungskosten ganz allgemein besonders geeignet erscheint, eine volkswirtschaftlich optimale Allokation von Ressourcen sicherzustellen. In diesem Zusammenhang wird hervorgehoben, daß die Bahn, deren wirtschaftliche Rahmenbedingungen und unternehmerischen Planungselemente sehr weitgehend durch den Bundesgesetzgeber, zum Teil (vgl. Art54 B-VG und §23 ÜG 1920 iVm BG StGBl. Nr. 180/1920) auch durch den Bundesverfassungsgesetzgeber, vorherbestimmt werden, sowie ihre Leistungsfähigkeit und gesunde wirtschaftliche Entwicklung im besonderen öffentlichen Interesse gelegen ist. Es ist für die Bundesregierung nicht ersichtlich, mit welchen anderen als den in Prüfung gezogenen Maßnahmen in gleich effizienter Weise den genannten öffentlichen Interessen gedient wäre. In diesem Sinn schreibt auch der §5 Abs2 des Güterbeförderungsgesetzes eine Bedachtnahme auf die Kapazitäten der Bahn bei der Bedarfsprüfung vor.

b) Der durch die Bedarfsprüfung bewirkte Schutz der Bahn ist aber auch vom Standpunkt des Umweltschutzes von größer Bedeutung. Wenn auch der VfGH das Argument des Umweltschutzes im Zusammenhang mit dem §5 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes nicht für durchschlagend erachtet hat, so ist die Sachlage im Bereich der Güterbeförderung, im besonderen im Bereich des Güterschwerverkehrs eine völlig andere. Hier wird die besondere Belastung der Umwelt und vor allem der an bestimmten Durchzugsstraßen wohnenden Bevölkerung und deren Interesse an einer Verlagerung des Güterverkehrs auf die Bahn besondere Bedeutung beizumessen sein. Dies gilt auch für den Güternahverkehr (vgl. die mit einem Radius von 65 km Luftlinie umschriebene Nahverkehrszone in §3 Abs3 des Güterbeförderungsgesetzes). Darüber hinaus ist bei der Begrenzung des Güternahverkehrs auf die Kapazitäten anderer Verkehrsträger Bedacht zu nehmen.

. . . . ."

b) Der VfGH stellte am 28. April 1987 der

Bundesregierung zu dieser Äußerung bestimmte Fragen, die mit

Schriftsatz vom 14. Juli 1987 beantwortet wurden. Die

Bundesregierung übermittelte ihr zugängliche Unterlagen

betreffend das Güterbeförderungsgewerbe (auf die unten (II.B.)

zurückgekommen wird) und gibt folgende ergänzende Äußerung ab:

"A. . . . .

1. . . . Im Hinblick auf den mit prognostischen Aussagen

naturgemäß verbundenen Ungewißheitsgrad sieht sich die Bundesregierung jedoch nicht in der Lage, die von ihr in ihrer Äußerung vom 31. März 1987, GZ 603.281/4-V/5/87, dargelegten Vermutungen über künftige Entwicklungen im Zusammenhang mit einer allfälligen Beseitigung der Bedarfsprüfung im Güterbeförderungsgewerbe im einzelnen zu beweisen. Ferner sieht sich die Bundesregierung auch nicht in der Lage, Untersuchungen darüber vorzulegen, daß es außer der Bedarfsprüfung keine anderen (die Grundrechte zumindest weniger tangierenden) Mittel gibt, um dieselben Ziele zu erreichen, von denen als anstrebenswert die oa. Äußerung der Bundesregierung ausgeht. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung stehenden Bestimmungen scheint unter anderem davon abzuhängen, ob es andere (die Grundrechte zumindest weniger tangierende) Mittel zur Erreichung der angestrebten Ziele gibt; die Bundesregierung ersucht daher, für den Fall, daß die amtswegige Beweiserhebung des VfGH Anhaltspunkte für das Vorhandensein solcher Mittel ergibt, um deren Mitteilung, um allenfalls hiezu Stellung beziehen zu können.

2.1. Hinsichtlich der Frage der sachlichen Rechtfertigung objektiver Marktzugangsbeschränkungen für das Güterverkehrsgewerbe im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Schienenverkehrs darf im übrigen auf die - wenn auch an der Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland orientierten Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts der Bundesrepublik Deutschland in der Entscheidung vom 14. Oktober 1975, Zl. 1 BvL 35/70, 1 BvR 307/71, 1 BvR 61/73, 1 BvR 255/73, 1 BvR 195/75, hingewiesen werden. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Grundgedanken der genannten Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts unter dem Gesichtspunkt der vom VfGH in seinem Einleitungsbeschluß zum gegenständlichen Verfahren geäußerten Bedenken im großen und ganzen sowie unter Berücksichtigung der jeweils spezifischen Besonderheiten der Sach- und Rechtslage in den beiden Staaten auch für den vorliegenden Zusammenhang zutreffen. Der Umstand, daß das Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland nicht die Frage einer Bedarfsprüfung, sondern die Frage einer Festsetzung von Höchstzahlen für den Güterfernverkehr zu prüfen hatte, erscheint im Zusammenhang mit den vom VfGH in seinem Einleitungsbeschluß geäußerten allgemeinen Bedenken gegen objektive Zulassungsvoraussetzungen nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Vielmehr scheint der Bundesregierung, daß die in der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der grundrechtsbezogenen sorgfältigen Interessenabwägung angeführten Argumente zugunsten der Festsetzung von Höchstzahlen für Kraftfahrzeuge im Güterfernverkehrsgewerbe auch - im Sinne der Ausführungen unter Pkt. B.2. der oa. Stellungnahme der Bundesregierung - für die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung stehenden Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes unter dem Gesichtspunkt des Art6 StGG sprechen (Eine Kopie des oa. Urteils des Bundesverfassungsgerichts wird in der Beilage (./F) übermittelt).

2.2. Im übrigen wird bezüglich der Auswirkungen einer Beseitigung der Bedarfsprüfung im Güterbeförderungsgewerbe auf den Eisenbahnbetrieb auf die Stellungnahme der Österreichischen Bundesbahn vom 12. Juni 1987, Zl. GS/2-2055-4-1987, verwiesen.

B. . . . . . .

1. Auf die Frage, wieviele Konzessionen - getrennt nach den in §3 Abs2 des Güterbeförderungsgesetzes aufgezählten Arten - für die gewerbsmäßige Güterbeförderung derzeit bestehen (Pkt. 2a des dg. Schreibens), wird folgendes mitgeteilt:

Derzeit sind 5.340 Konzessionen feststellbar. Davon 893 eingschränkt auf den Nahverkehr. Auf Grund dieser Konzessionen werden 5.060 Betriebe, davon 830 im Nahverkehr, geführt.

2. Zur Frage, wieviele Kraftfahrzeuge derzeit auf diesem Sektor verwendet werden (Pkt. 2b des dg. Schreibens), wird mitgeteilt:

Derzeit sind im Güterbeförderungsgewerbe 24.275 Kraftfahrzeuge über 1 Tonne Nutzlast im Einsatz.

3. Zur Frage, ob die Zahl der Konzessionen und der Fahrzeuge in den letzten Jahren zu- oder abnimmt (Pkt. 2c des dg. Schreibens):

Seit dem Jahr 1972 nimmt die Zahl der LKW-Betriebe laufend ab. Insgesamt war die Abnahme in dieser Zeit rund -17 %. Lediglich 1986 erfolgte eine noch nicht geklärte Zunahme um nicht ganz 2 %. Unter Umständen ist für diese Zunahme die Güterbeförderung im Rahmen des freien Gewerbes (Fahrzeuge mit Nutzlast bis 600 kg) maßgeblich. Bei der statistischen Erfassung der Fahrzeuge in diesem Bereich könnte es auf Grund der Gesamtgewichte zu Mißverständnissen gekommen sein.

Die Anzahl der Fahrzeuge ist insgesamt seit dem Jahr 1955 steigend, wobei naturgemäß von Jahr zu Jahr Schwankungen auftreten. Die durchschnittliche Zunahme beträgt rund 4 %.

4. Zu der Frage, ob es - ebenso wie bei Taxikonzessionen und bei Fahrschulkonzessionen - üblich sei, Güterbeförderungskonzessionen zu verkaufen oder zu verpachten (Pkt. 2d des dg. Schreibens), wird mitgeteilt:

Verpachtungen spielen im Rahmen des Güterbeförderungsgewerbes keine nennenswerte Rolle. Im Bundesland Wien liegt die Quote z.B. knapp über 2 %. Hingegen kommt es immer wieder zu bedingten Konzessionsrücklegungen. Die daraus zu erzielenden Erlöse sind aber eher gering und schwanken für Güterfernverkehrskonzessionen pro Kraftfahrzeug zwischen 20.000,-- bis 45.000,-- Schilling; bei Güternahverkehrskonzessionen ist der durchschnittliche Kaufpreis entsprechend geringer.

. . . . . ."

6. Der VfGH ersuchte mit Schreiben vom 28. April 1987 die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, den Österreichischen Arbeiterkammertag und die Generaldirektion der Österreichischen Bundesbahnen, ihm Sachinformationen im Sinne des gleichzeitig an die Bundesregierung gerichteten Schreibens (s.o. I.5.b) zu erteilen und geeignete Unterlagen vorzulegen sowie die Lage der von den angeschriebenen Institutionen wahrzunehmenden Interessen darzustellen.

Die eingelangten Antworten werden - soweit hier erheblich - unten (II.B.) erörtert.

B. Beim VwGH ist zu Zl. 86/04/0254 das Verfahren über eine Säumnisbeschwerde anhängig. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hatte den Antrag der Bf. des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abgewiesen, ihr eine Konzession zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern mit drei Kraftfahrzeugen des Straßenverkehrs (Güterfernverkehr) zu erteilen; es sei kein Bedarf gegeben. Dagegen erhob die Bf. Berufung. Da der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr darüber nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist entschieden hatte, erhob die Bf. beim VwGH die erwähnte Säumnisbeschwerde. Die bel. Beh. holte den Bescheid innerhalb der ihr vom VwGH gesetzten Frist nicht nach.

Aus Anlaß dieser Säumnisbeschwerde stellte der VwGH unter Zl. A30/87 - unter Hinweis auf die Begründung des Einleitungsbeschlusses des VfGH vom 4. Dezember 1986 (s.o. I.A.2. und 4.) - den (beim VfGH am 21. September 1987 eingelangten) Antrag, die Wortfolge ", ein Bedarf nach der beabsichtigten Gewerbeausübung besteht" im §5 Abs1 erster Satz sowie den §5 Abs2 GBefG als verfassungswidrig aufzuheben. (Es sind dies dieselben Vorschriften, die der VfGH von amtswegen in Prüfung gezogen hat)

II. Der VfGH hat erwogen:

A. Zur Zulässigkeit der Gesetzesprüfungsverfahren

1.a) Im Beschwerdefall, der dem VfGH Anlaß bot, von amtswegen ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten (s.o. I.A.1. und 2.), geht es um die Erteilung der Konzession für das Güterbeförderungsgewerbe.

Die Anlaßbeschwerde ist zulässig. Der VfGH wird daher über sie in der Sache zu entscheiden haben. Hiebei wird er jene Stellen des GBefG, die sich auf die Erteilung von Güterbeförderungskonzessionen beziehen, also jedenfalls alle in Prüfung gezogenen Bestimmungen des §5 GBefG anzuwenden haben.

b) Es besteht kein Anlaß, daran zu zweifeln, daß der VwGH bei Entscheidung über die bei ihm anhängige Säumnisbeschwerde (s.o. I.B.) die von ihm angefochtenen Gesetzesstellen anzuwenden hätte.

2. Da außer der Präjudizialität auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind sowohl das von amtswegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren als auch der Gesetzesprüfungsantrag des VwGH zulässig.

B. Zur Sache selbst

1. Die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen beschränken die Möglichkeit, ein bestimmtes Gewerbe anzutreten. Sie greifen daher in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit ein.

Der Gesetzgeber ist nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 3968/1961, 4011/1961, 5871/1968, 9233/1981) dem Art6 StGG zufolge ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Umständen verboten ist (also auch den Erwerbsantritt behindernde Vorschriften zu erlassen), sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt und die Regelung auch sonst nicht verfassungswidrig ist.

Die jüngere Judikatur (zB VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987) hat dies dahin ergänzt und präzisiert, daß gesetzliche, die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkende Regelungen nur dann zulässig sind, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (siehe auch die in VfSlg. 10932/1986 zitierte Literatur).

Dem einfachen Gesetzgeber ist bei der Entscheidung, welche Ziele er mit seinen Regelungen verfolgt, innerhalb der Schranken der Verfassung ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der VfGH hat nicht zu beurteilen, ob die Verfolgung eines bestimmten Zieles etwa aus wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Gründen zweckmäßig ist. Er kann dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (vgl. etwa VfSlg. 9911/1983).

Errichtet das Gesetz eine Schranke schon für den Antritt eines Gewerbes, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann - eine Schranke, wie sie etwa eine Bedarfsprüfung darstellt - so liegt grundsätzlich ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit vor, der nur angemessen ist, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber die Grundrechte weniger einschränkenden Weise zu erreichen.

Weder die von der Bundesregierung vorgetragenen Argumente noch sonstige Überlegungen vermögen die im Einleitungsbeschluß enthaltenen Bedenken - die auf der soeben dargestellten (unwidersprochen gebliebenen) Ausgangsposition beruhen - zu entkräften:

2.a) Die Bundesregierung stellt als primäres Ziel der die Bedarfsprüfung beim Güterbeförderungsgewerbe vorsehenden Regelungen die Sicherung des ungestörten Angebotes an Dienstleistungen für die Bevölkerung und einen "gewerbespezifischen Gläubigerschutz" hin; sie verweist auf die zur Ausübung dieses Gewerbes erforderlichen hohen Investitionen (siehe Pkt. 1 ihrer oben zu I.A.5.a wiedergegebenen Äußerung).

b) An einem bestmöglich funktionierenden System der Güterbeförderung besteht - dies bedarf keiner weiteren Erörterung - ein erhebliches öffentliches Interesse. Um dieses übergeordnete Ziel anzusteuern, müssen jedenfalls die (derzeit) wichtigsten Gruppen von Trägern des Güterverkehrs, nämlich die Eisenbahn und die Lastkraftwagen, jederzeit und umfassend ihre Funktion zu volkswirtschaftlich vertretbaren Kosten und Preisen erfüllen. Das bedingt, daß sowohl der LKW-Sektor (siehe hiezu die unmittelbar folgenden Ausführungen) als auch der Eisenbahnsektor (siehe hiezu unten II.3.) lebensfähig sind und bleiben.

Eine gut funktionierende Güterbeförderung liegt - wie dargetan - im öffentlichen Interesse. Zu klären ist, ob ein Konkurrenzschutz innerhalb des mit LKW betriebenen (der Bedarfsprüfung unterliegenden) Gewerbes geeignet und erforderlich ist, dieses Ziel zu erreichen.

Vorweg ist festzuhalten, daß die insgesamt zu befördernde Gütermenge durch eine Bedarfsprüfung nicht gesteuert werden kann. Es kann im wesentlichen nur darum gehen, ob ein Teil der Güterbeförderung von Fuhrgewerbe, das der Bedarfsprüfung unterliegt, auf die Bahn, vor allem aber auf den Werkverkehr überwechselt. In welch beschränktem Ausmaß hiebei auf den auf der Straße abgewickelten Güterverkehr Einfluß genommen werden kann, geht aus den von der Bundesregierung und von der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft mitgeteilten Informationen hervor, wonach vom Gesamtbestand an LKW im Jahre 1986 lediglich 8 % dem (von der Bedarfsprüfung erfaßten) Fuhrgewerbe zuzurechnen waren und im Jahre 1984 im Rahmen des fuhrgewerblichen Verkehrs bloß rund 7 Mio. Fahrten mit 79 Mio. beförderten Tonnen Gütern, im Rahmen des Werkverkehrs hingegen rund 18 Mio. Fahrten mit 96 Mio. Tonnen Gütern befördert wurden. Der Anteil der LKW am gesamten Kraftfahrzeugbestand beträgt nur rund 6 %; davon sind - wie erwähnt - bloß 8 % fuhrgewerbliche LKW.

Der schwerwiegende Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit durch die Bedarfsprüfung würde also selbst wenn er zur Folge haben sollte, daß die absolute Zahl der dem gewerblichen Güterverkehr dienenden LKW eingeschränkt würde nur relativ geringe Auswirkungen haben, die von vornherein kaum in einem angemessenen Verhältnis zur Intensität des Grundrechtseingriffes (wird doch bereits der Zugang zum Gewerbe beschränkt) stehen.

Die Freiheit der Erwerbsausübung, wie sie verfassungsgesetzlich verbürgt ist, hat grundsätzlich einen freien Wettbewerb und damit einen Konkurrenzkampf zur Folge; er ist vom Verfassungsgesetzgeber also mitgedacht und darf sohin von Gesetzes wegen nur aus besonderen Gründen, etwa weil überwiegende volkswirtschaftliche Erwägungen dafür sprechen, unterbunden werden. Der VfGH verkennt nicht, daß die im Güterbeförderungsgewerbe erforderlichen Investitionen hoch sind. Das System des freien Wettbewerbes setzt aber voraus, daß schlechter wirtschaftende Betriebe zugunsten der besser wirtschaftenden weichen müssen. Im Güterbeförderungsgewerbe sind das einzusetzende Kapital und das vom Unternehmer zu tragende wirtschaftliche Risiko nicht höher als auf vielen anderen Sektoren. Wenngleich das Güterbeförderungsgewerbe zu den sogenannten volkswirtschaftlichen Schlüsselbranchen gezählt werden kann, deren Funktionieren für das gesamte volkswirtschaftliche System von existenzieller Bedeutung ist, ist ein besonderer Schutz nicht erforderlich. Die Vielzahl der Inhaber von Güterbeförderungskonzessionen läßt es als äußerst unwahrscheinlich erscheinen, der allfällige Zusammenbruch eines Unternehmens würde sich so schädlich auf die ganze übrige Wirtschaft auswirken, daß sich daraus eine bevorzugte rechtliche Stellung der bestehenden Inhaber von Güterbeförderungskonzessionen im Vergleich zu anderen Gewerbetreibenden rechtfertigen ließe. Es besteht also keine spezifische Situation, die ausnahmsweise den Schutz der bestehenden Güterbeförderungsunternehmen vor neuen Konkurrenzunternehmen aus öffentlichen Interessen erfordern würde. Die Bundesregierung vermag nicht deutlich zu machen, daß gerade auf dem Gebiet der Güterbeförderung ein durch eine Bedarfsprüfung nicht beschränkter Zugang zum Markt besonders viele Betriebszusammenbrüche zur Folge haben würde, die volkswirtschaftlich bedrohliche Auswirkungen, etwa dadurch hätten, daß die Güterbeförderung insgesamt in Frage gestellt oder eine das Kreditsystem gefährdende Zahlungsunfähigkeit ungewöhnlich hohen Ausmaßes eintreten würde. Die sicherlich kostspieligen Investitionen (insbesondere für die Anschaffung der LKW) wären hier - anders als möglicherweise bei Eisenbahnen iS des §1 Eisenbahngesetz - bei einem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Unternehmens in der Regel volkswirtschaftlich nicht verloren, da die angeschafften Betriebsmittel von einem anderen Unternehmen gekauft und sinnvoll verwendet werden können.

Der Schutz der etablierten Güterbeförderungsunternehmen vor Konkurrenzunternehmen ist also nicht erforderlich, um ein bestmögliches Güterbeförderungssystem und einen volkswirtschaftlich gebotenen Gläubigerschutz zu gewährleisten.

3. Die Bundesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der Bedarfsregelung weiters damit, daß sie im Interesse des Bestandes der Funktionsfähigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) unvermeidbar sei (siehe Pkt. 2 der Äußerung der Bundesregierung). Diese Ausgangsposition der Bundesregierung trifft zu.

Auch der weiteren Annahme, daß die Funktionstüchtigkeit der ÖBB im Interesse des Umweltschutzes gewährleistet werden müsse, ist zu folgen: Laut Mitteilung der ÖBB verfügen diese über

10.595 km Geleise; davon sind 7.052 km elektrifiziert, wobei auf dem elektrifizierten Streckennetz etwa 93 % aller Bruttotonnenkilometerleistungen erbracht wird. Der Gütertransport mit den ÖBB belastet die Umwelt in mehrfacher Hinsicht (so Luftbelastung durch Emmission von Schadstoffen, Lärmerregung, Gefährdung der körperlichen Sicherheit) wesentlich weniger als jener mit LKW.

Daher ist es ein durchaus sinnvolles Ziel, danach zu trachten, daß die ÖBB infolge der Konkurrenz durch andere Verkehrsträger (insbesondere LKW) nicht überhaupt wirtschaftlich erliegen oder in ihrer Funktionsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt werden oder aber zum Überleben hohe staatliche Subventionen erfordern (was zur Folge hätte, daß diese finanziellen Mittel dann für andere wichtige Gemeinschaftsaufgaben fehlen); ferner, daß Güter im weitestmöglichen Umfang nicht auf der Straße, sondern auf der Schiene befördert werden.

Im Güternahverkehr (die Nahverkehrszone hat dem §3 Abs3 GBefG zufolge einen Radius von 65 km) können nun die ÖBB kaum in Konkurrenz zu dem mit LKW besorgten Güterverkehr treten. Der Vertreter des beteiligten Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vermochte in der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH als einziges Beispiel derartiger Konkurrenz den bloß saisonal stattfindenden - Transport von Zuckerrüben anzuführen. Im Großen und Ganzen ist jedoch im Nahverkehr ein Überwechseln vom LKW auf die Bahn nicht möglich. Eine Beschränkung des Nahverkehrs mit LKW bringt also für die ÖBB keine Verbesserung ihrer Wettbewerbssituation; sie ist nicht dazu geeignet, die ÖBB wirtschaftlich abzusichern und die Güterbeförderung von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

Die in Prüfung gezogenen Stellen des §5 GBefG erfassen sowohl den Güternahverkehr (§3 Abs2 Z1 und §3 Abs3 GBefG) als auch den Güterfernverkehr (§3 Abs2 Z2 und §3 Abs5 GBefG). Da die Bedarfsprüfung für den Güternahverkehr ein untaugliches Instrument zur Zielerreichung ist, sind die in Prüfung gezogenen, untrennbar zusammenhängenden Regelungen insgesamt als ungeeignetes Mittel zu qualifizieren.

4. Weitere Gesichtspunkte, die die in Prüfung gezogenen Bestimmungen über die Bedarfsprüfung vor dem Hintergrund der Erwerbsausübungsfreiheit zu rechtfertigen vermöchten, wurden von der Bundesregierung nicht vorgebracht und haben sich auch sonst nicht ergeben.

Insbesondere vermöchten Aspekte der Verkehrssicherheit allein diese Regelung nicht zu begründen. Soweit durch die Bedarfsprüfung auf die Zahl der dem gewerblichen Güterverkehr dienenden LKW und ihre Verwendung überhaupt restringierend Einfluß genommen werden kann (s.o. II.B.2.b), könnte derselbe Effekt gleich gut oder besser durch andere - etwa straßenpolizeiliche oder kraftfahrrechtliche - Vorschriften auf eine in die Grundrechte weniger eingreifende Weise erzielt werden (vgl. VfSlg. 10932/1986). Die Bedarfsprüfung ist sohin auch unter dem Blickwinkel der Verkehrssicherheit ein, wenn nicht überhaupt untaugliches, so doch jedenfalls unverhältnismäßig belastendes Mittel zur Zielerreichung.

5. Zusammenfassend ist festzuhalten:

Die Bedarfsprüfung bei der Verleihung von Güterbeförderungskonzessionen ist ein schwerer Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit und ein zur Durchsetzung öffentlicher Interessen zum Teil überhaupt ungeeignetes, zum Teil ein inadäquates Mittel. Die einzigen realisierbaren Effekte der Regelung liegen lediglich darin, daß die bestehenden Güterbeförderungsunternehmen vor Konkurrenz geschützt und daß wie die Bundesregierung und die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft bekanntgegeben haben - Güterbeförderungskonzessionen (im Wege der bedingten Konzessionsrücklegungen) verkauft werden. Derartiges liegt aber nicht im öffentlichen Interesse (vgl. VfSlg. 10932/1986, 11276/1987).

Die in Prüfung gezogenen bundesgesetzlichen Bestimmungen laufen also aus den im Prüfungsbeschluß vorläufig angenommenen Gründen, die sich durchwegs als stichhältig herausgestellt haben, dem auch den Gesetzgeber bindenden Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit zuwider.

Diese Gesetzesvorschriften waren daher als verfassungswidrig aufzuheben.

6. Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG (Zur Fristsetzung vgl. das das Taxigewerbe betreffende hg. Erkenntnis 10.932/1986).

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