VfGH B202/83

VfGHB202/8312.6.1986

Tir. GVG 1970, 1983; im Devolutionsweg durch die Landesgrundverkehrsbehörde ergangene Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zur Bestandgabe eines Grundstückes gemäß §3 Abs1 litf iVm. §4 Abs2; das Wort "Bestandgabe" erfaßt alle Rechtsverhältnisse, die den Rechtserwerb von Bestandrechten zum Ziel haben, sofern eine grundbücherliche Eintragung vorgesehen ist; keine Bedenken gegen §3 Abs1 litf mit Hinweis auf VfSlg. 9088/1981; auch Abtretung von Bestandrechten von der Regelung des §3 Abs1 litf umfaßt; keine gesetzwidrige Inanspruchnahme der Zuständigkeit durch die Grundverkehrsbehörde - kein Entzug des gesetzlichen Richters; vertretbare Annahme drohender Überfremdung der Gemeinde Kirchdorf gemäß §4 Abs2 - keine denkunmögliche Gesetzesanwendung; keine Verletzung im Eigentumsrecht

Normen

B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
Tir GVG §3 Abs1 litf
Tir GVG §4 Abs2
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
Tir GVG §3 Abs1 litf
Tir GVG §4 Abs2

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. L B ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ... KG Kirchdorf, bestehend aus der Gp. .../4 und der Gp. .../8, auf welcher ein Bungalow mit angebauter Garage errichtet ist. Mit Mietvertrag vom 17. Dezember 1973 vermietete L B die Gp. .../8 mit dem darauf befindlichen Haus an die Eheleute I und E H auf die Dauer von 100 Jahren, beginnend mit dem 1. Dezember 1973, wobei die Vertragspartner für die Dauer der vorangeführten Bestandzeit auf ein Kündigungsrecht verzichteten und ausdrücklich erklärten, daß sie diese Verpflichtung auch ihren Rechtsnachfolgern überbinden würden. Gleichzeitig wurde im Grundbuch auf der Gp. .../8 für die Eheleute H das Bestandrecht bis zum 30. November 2073 einverleibt. Die Eheleute H besaßen im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, erwarben diese jedoch in der Folge.

1.2. Mit Vertrag vom 24. Juli 1979 traten die Eheleute H ihr auf der Gp. .../8 einverleibtes Bestandrecht an den Bf. - dieser ist deutscher Staatsangehöriger - um einen Betrag von 480000 S ab; vereinbarungsgemäß sollte der Übergang der Bestandrechte auf den Bf. im Grundbuch angemerkt werden. Mit Antrag vom 18. April 1980 suchte der Bf. bei der Grundverkehrsbehörde Kirchdorf, Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel, darum an, eine Negativbestätigung auszustellen, da kein grundverkehrsbehördlich genehmigungspflichtiger Tatbestand verwirklicht worden sei; in eventu wurde um Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung angesucht.

Da über diesen Antrag keine Entscheidung ergangen war, beantragte der Bf. mit Eingabe vom 20. Juli 1982 den Übergang der Entscheidungspflicht gemäß §73 Abs2 AVG auf die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung.

1.3. Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 4. Feber 1983, Z LGv-671/4-82, wurde dem Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß §73 Abs2 AVG stattgegeben, der Einräumung des Bestandrechtes an der EZ ... KG Kirchdorf bis zum 30. November 2073 jedoch gemäß §3 Abs1 litf iVm. §4 Abs2 des Grundverkehrsgesetzes 1970 - später wiederverlautbart mit Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 18. Oktober 1983, LGBl. 69/1983, als Grundverkehrsgesetz 1983 (GVG 1983) - die Zustimmung versagt.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und, der Sache nach, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Ua. aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der lita sowie des Buchstaben "c" in der litb des §13 Abs4 Z2 GVG 1983 ein.

Mit Erk. VfSlg. 10639/1985 wurde sodann ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der VfGH erachtete es, ebenso wie der EuGMR im Urteil vom 22. Oktober 1984 in der Rechtssache Sramek, mit Art6 MRK für unvereinbar, daß ein Tribunal - die Landesgrundverkehrsbehörde ist ein solches - jemand zu seinen Mitgliedern zählt, der sich bei seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde gegenüber einer im grundverkehrsbehördlichen Verfahren einschreitenden Partei in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, wie dies im Fall Sramek beim Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde in Relation zum Landesgrundverkehrsreferenten der Fall war. Der Verfassungsverstoß sei jedoch nicht in den in Prüfung gezogenen Bestimmungen grundgelegt. Da das dargelegte, aus Art6 MRK erfließende Verfassungsgebot einfach-gesetzlicher Anordnungen nicht bedürfe, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, seien die aufgeworfenen Bedenken nicht den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anzulasten.

4. Aufgrund dieses Ergebnisses des Gesetzesprüfungsverfahrens ist auf die Beschwerdebehauptungen einzugehen. Der VfGH hat hiezu erwogen:

4.1.1. Der Bf. behauptet - der Sache nach - zunächst, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein. Die bel. Beh. habe die Zustimmung zur Einräumung eines Bestandrechtes verweigert, dem Bf. seien jedoch mit Vertrag vom 24. Juli 1979 lediglich bereits eingeräumte Bestandrechte abgetreten worden; gemäß §3 Abs1 litf GVG bedürfe jedoch nur die Bestandgabe von Grundstücken der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde und dies nur dann, wenn die Bestandgabe grundbücherlich eingetragen werden solle. Beim Vertrag vom 24. Juli 1979 handle es sich um gar keine Bestandgabe, da Mietrechte nicht begründet, sondern bestehende Mietrechte abgetreten werden. Die Bestandgabe sei bereits mit Vertrag vom 17. Dezember 1973 erfolgt. Das Bestandrecht sei aber auch bereits damals grundbücherlich eingetragen worden; nunmehr solle aufgrund des Abtretungsvertrages lediglich ein Wechsel in der Person des Bestandnehmers grundbücherlich angezeigt werden.

4.1.2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. zB VfSlg. 9696/1983). Derartiges kann der bel. Beh. jedoch nicht angelastet werden.

Nach §3 Abs1 litf GVG bedarf der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde die Bestandgabe von Grundstücken an Bestandnehmer, die dem Personenkreis nach §1 Abs1 Z2 GVG angehören, sofern die Bestandgabe grundbücherlich eingetragen werden soll.

Die Materialien zur GVG-Novelle 1974 erweisen, daß die zitierte Bestimmung und eine Reihe anderer neuer Genehmigungstatbestände geschaffen wurden, um eine Umgehung der Bestimmungen des GVG durch "Ersatzlösungen" möglichst dadurch auszuschalten, daß auch Rechtserwerbe, denen verdinglichte Nutzungsrechte oder eigentumsähnliche Rechte zugrunde liegen, als der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedürftig festgelegt wurden. Der VfGH ist der Ansicht, daß das Wort "Bestandgabe" in §3 Abs1 litf GVG nicht restriktiv ausgelegt werden darf, sondern alle Rechtsverhältnisse erfaßt, die den Rechtserwerb von Bestandrechten zum Ziel haben, sofern eine grundbücherliche Eintragung vorgesehen ist. Für dieses Verständnis des §3 Abs1 litf GVG spricht auch die Überlegung, daß gemäß dem Tatbestand des §3 Abs1 litg leg. cit. jede sonstige, nicht unter litf fallende Überlassung der Benutzung von Grundstücken zugunsten von Personen, die dem Personenkreis nach §1 Abs1 Z2 GVG angehören, der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf, sofern durch die Überlassung dem Benützer eine ähnliche rechtliche und tatsächliche Stellung gegeben werden, soll wie einem Eigentümer oder Dienstbarkeitsberechtigten. Der VfGH hegt keinen Zweifel, daß die Abtretung von Bestandrechten mit dem Vertrag vom 24. Juli 1979 dem Ziel dient, Bestandrechte zwischen dem Grundeigentümer und dem Bf. zu begründen. Der VfGH vermag dem Bf. aber auch nicht beizupflichten, wenn dieser meint, daß der in Frage stehende Rechtserwerb einer Zustimmung durch die Grundverkehrsbehörde gemäß §3 Abs1 litf GVG deshalb nicht bedürfe, weil eine Einverleibung des Bestandrechtes bereits zugunsten der Abtretenden stattgefunden habe, sodaß aufgrund des Abtretungsvertrages nur ein Wechsel in der Person des Bestandberechtigten grundbücherlich anzuzeigen sei. §3 Abs1 litf GVG spricht nicht von einer grundbücherlichen Einverleibung, sondern von Eintragung; unter bücherlicher Eintragung wird gemäß §8 Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955 aber sowohl die Einverleibung als auch die Anmerkung verstanden.

Verneint man dennoch eine Genehmigungspflicht nach litf leg. cit., wäre eine solche nach litg zu bejahen, da durch die Abtretung der Bestandrechte unter den vorliegenden Begleitbedingungen - Anmerkung der Abtretung im Grundbuch, Vertragsdauer bis zum Jahr 2073 und einmalige Zahlung von 480000 S - den Voraussetzungen dieses Tatbestandes entsprochen wurde.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt somit nicht vor.

4.2.1. Der Bf. behauptet jedoch weiters, daß die Verweigerung der Zustimmung von der bel. Beh. in denkunmöglicher Weise auf §4 Abs2 GVG gestützt worden sei. Schon die früheren Mieter und nunmehrigen Zedenten seien deutsche Staatsbürger gewesen. Dazu komme, daß durch die Einräumung von Bestandrechten keine dem Eigentumsrecht vergleichbare Verfügungsbefugnis eingeräumt werde, weshalb eine Überfremdung iS des §4 Abs2 GVG undenkbar sei. Darüber hinaus könne an Hand des von der bel. Beh. angeführten Zahlenmaterials das Vorliegen einer solchen nicht angenommen werden. Die bel. Beh. habe auch unterlassen anzugeben, aus welchen Quellen sie ihr Wissen über das herangezogene Zahlenmaterial schöpfe. Der angefochtene Bescheid verletze den Bf. somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

4.2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wird die Zustimmung zu einer Bestandgabe verweigert. Der angefochtene Bescheid greift somit in das Eigentumsrecht ein. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen - Bedenken wurden weder geltend gemacht noch sind solche beim VfGH entstanden (hinsichtlich §3 Abs1 litf GVG s. zusätzlich das Erk. VfSlg. 9088/1981, das wohl zum Sbg. GVG ergangen ist, dessen Ausführungen jedoch auch für das Tir. GVG zutreffen) - käme die behauptete Verletzung des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur im Falle einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung in Frage, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 9708/1983, 9720/1983).

Derartiges liegt offensichtlich nicht vor.

Der angefochtene Bescheid wurde insbesondere wie folgt begründet:

"Gemäß §4 Abs2 GVG ist einem Rechtserwerb an Grundstücken durch Ausländer die Zustimmung nur dann zu erteilen, wenn der Rechtserwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen nicht widerspricht, wobei gemäß lita der zitierten Gesetzesstelle der Widerspruch zu diesen Interessen insbesondere dann gegeben ist, wenn in der betreffenden Gemeinde mit Rücksicht auf das Ausmaß des schon vorhandenen ausländischen Grundbesitzes bzw. auf die Zahl der ausländischen Grundbesitzer eine Überfremdung einzutreten droht. ... §4 Abs2 stellt ... nicht auf Eigentumserwerb, sondern auf jeden Rechtserwerb an Grundstücken im Sinne des §3 Abs1 ab. Ein solcher liegt auch im konkreten Fall vor. Diese Bestimmung wurde mit anderen im Rahmen der Novelle LGBl. Nr. 6/1974 in das Grundverkehrsgesetz aufgenommen. Mit dieser Novellierung des Grundverkehrsgesetzes versucht der Gesetzgeber, wie den erläuternden Bemerkungen zu entnehmen ist, dem Druck der Ausländer auf den heimischen Grund und Boden entgegenzuwirken und eine Überfremdung der Gemeinden Tirols zu verhindern. Ein eigentumsähnliches Verfügungsrecht über Grundstücke wird Ausländern auch durch eine Bestandgabe im Sinne des §3 (1) f GVG ermöglicht. In wirtschaftlicher Hinsicht wird somit durch diesen Vorgang ein nahezu gleicher Effekt erzielt wie durch den Erwerb des Eigentums an einem Grundstück."

Es ist offenkundig, daß diese Überlegungen nicht mit einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes belastet sind. Ebensowenig kann der bel. Beh. ein gesetzloses Vorgehen angelastet werden, wenn sie den drohenden Eintritt einer Überfremdung von Kirchdorf mit der Begründung angenommen hat, daß sich in der Gemeinde, die nur 2300 Einwohner zählt, bereits 70 ausländische Grundbesitzer finden, in deren Eigentum 28,10 ha Grund stehen; der Anteil der ausländischen Grundbesitzer mache bereits über 10 vH aus. Wenn der Bf. meint, daß die bel. Beh. damit in denkunmöglicher Weise auf eine drohende Überfremdung der Gemeinde Kirchdorf schließe, ist er auf die Erk. VfSlg. 8436/1978 und 8501/1979 zu verweisen. Soweit der Bf. der bel. Beh. schließlich vorwirft, im angefochtenen Bescheid nicht darzulegen, aus welchen Quellen sie die Zahlenangaben schöpfe, handelt es sich jedenfalls um keinen Vorwurf, der geeignet ist, eine denkunmögliche Gesetzesanwendung nachzuweisen; sollten die Ausführungen des Bf. auf willkürliche Annahmen abzielen und damit eine Gleichheitsverletzung behauptet werden, muß ihm entgegengehalten werden, daß eine Berufung auf dieses Grundrecht nur österreichischen Staatsbürgern zusteht. Abschließend ist zu vermerken, daß die Behauptung des Bf., eine drohende Überfremdung für Kirchdorf sei, was seine Person betreffe, schon deshalb auszuschließen, weil seine Vorgänger in den Bestandrechten die österreichische Staatsbürgerschaft ebenfalls nicht besessen hätten, schon deshalb keiner weiteren Erwiderung bedarf, weil die Tatsache übersehen wird, daß die Ehegatten H im Zeitpunkt des mit dem Bf. abgeschlossenen Vertrages vom 24. Juli 1979 österreichische Staatsbürger waren. Der bel. Beh. kann somit nicht angelastet werden, den Bf. wegen denkunmöglicher Anwendung des Gesetzes im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu haben.

4.3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Da im grundverkehrsbehördlichen Verfahren der Landesgrundverkehrsreferent nicht eingeschritten ist, kommt auch eine Verletzung des Art6 MRK, wie sie im Fall Sramek gerügt wurde, nicht in Frage.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

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