VfGH B688/85

VfGHB688/8513.6.1986

GerichtsgebührenG 1984; keine Gleichheitsbedenken gegen §31 Abs1 lita, insoweit eine 50prozentige Erhöhung der Eingabengebühr gemäß §2 Abs2 unabhängig vom Verschulden und von einer Bedachtnahme auf besondere Umstände des Einzelfalles vorgesehen ist - in Anbetracht der an sich geringen Höhe dieser Eingabengebühren kein Hinausgehen über eine pauschale Abgeltung des durch die Nichtentrichtung der Gebühr entstandenen Verwaltungsmehraufwandes; keine Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
GGG 1984 TP 13a
GGG 1984 §2 Z2
GGG 1984 §31 Abs1 lita
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
GGG 1984 TP 13a
GGG 1984 §2 Z2
GGG 1984 §31 Abs1 lita

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit acht Zahlungsaufträgen des Kostenbeamten des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 5. März, 27. März, 11. April, 19. April und 30. April 1985 wurden dem Bf. Eingabegebühren in der Höhe von je 920 S vorgeschrieben.

Gegen diese Zahlungsaufträge brachte der Bf. Berichtigungsanträge mit der Begründung ein, daß ihm die vorgeschriebenen Kosten zu hoch erschienen.

Mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 9. August 1985, Jv 2367-33/85-2, wurde den Berichtigungsanträgen keine Folge gegeben. In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, gemäß Tarifpost 13a des Gerichtsgebührengesetzes, BGBl. 501/1984 (GGG), unterlägen die eingebrachten Anträge des Privatanklägers auf Einleitung eines Strafverfahrens einer Eingabengebühr von 600 S. Da diese Gebühr bei Überreichung der Eingabe (§2 Z2 GGG) nicht entrichtet und auch später nach Abweisung der unter einem gestellten Verfahrenshilfeanträge nicht beigebracht worden sei, erhöhe sich diese Gebühr gemäß §31 Abs1 lita GGG um 50 vH, sodaß das Ausmaß von 150 vH der Tarifpost 13a 900 S betrage. Dazu käme noch gemäß §6 Abs1 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 eine Einhebungsgebühr von 20 S.

2. Gegen diesen Berichtigungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Bf. (ausschließlich) wegen Anwendung eines gleichheitswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Unter Bezugnahme auf das zu §9 Abs2 Gebührengesetz ergangene Erk. des VfGH VfSlg. 10517/1985 führt der Bf. aus, eine Gebührenerhöhung in dem im §31 Abs1 lita GGG vorgesehenen Ausmaß für ausnahmslos jeden Fall der Aufdeckung einer Unterlassung durch die Behörde stelle insbesondere auch im Vergleich mit dem bei Entschuldbarkeit gar nicht einzuhebenden Verspätungszuschlag (§135 BAO) eine sachlich nicht gerechtfertigte Reaktion auf die Unterlassung eines Abgabepflichtigen dar und widerspreche daher dem Gleichheitssatz. Da die Abgabenerhöhung wegen ihres pönalen Charakters einer Strafe nahe käme, sei zu prüfen, ob die für Strafen bestehenden verfassungsrechtlichen Vorkehrungen und Garantien eingehalten würden.

3. Die bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde beantragte und ausführte, §31 Abs1 GGG sei nicht verfassungswidrig, da der Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, zwischen finanzrechtlichen Gebühren und Gerichtsgebühren zu differenzieren, und dabei den Spielraum nicht überschritten habe, der ihm - nach ständiger Judikatur des VfGH - zur Realisierung seiner rechtspolitischen Zielsetzung gewahrt bleiben müsse. Dem Gesetzgeber sei es gestattet, von einem in anderen Gesetzen gewählten Ordnungssystem abzugehen, wenn die Regelung für sich sachlich gerechtfertigt sei. Eine Differenzierung von Finanz- und Gerichtsgebühren sei notwendig, da das Gerichtsgebührenrecht für die oft umfangreichen und langwierigen Verfahren - anders als die im Erk. VfSlg. 10517/1985 zitierten finanzbehördlichen Abgabenvorschriften (§217 ff. BAO und §135 BAO) - keine Verspätungs- und Säumniszuschläge vorsehe und auch keine dem §9 Abs3 Gebührengesetz rechtsähnliche Bestimmung zur Sicherung der Einhaltung der Gebührenvorschriften enthalte.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß §2 Z2 GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr bei Eingabengebühren mit der Überreichung der Eingabe begründet. §31 Abs1 bestimmt sodann:

"§31. (1) Wird der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr mit der Überreichung der Eingabe (§2 Z1 lita bis c, e, h, Z2 und 7) begründet und ist die Gebühr nicht oder nicht vollständig beigebracht worden, so haben die zur Zahlung der Gebühr verpflichteten Personen den fehlenden Gebührenbetrag

a) in den Fällen des §2 Z1 lita, b, e, h, Z2 und 7 im Ausmaß von 150% des jeweiligen Tarifansatzes,

b) in den Fällen des §2 Z1 litc im Ausmaß von 125% des jeweiligen Tarifansatzes

zu entrichten."

2. Zunächst ist festzuhalten, daß es sich bei den im vorliegenden Fall vom Bf. nicht entrichteten Gebühren um Eingabengebühren iS des §2 Z2 GGG handelte, deren Höhe nach Tarifpost 13a 600 S beträgt.

Der VfGH hat - worauf auch in der Beschwerde hingewiesen wird - in seiner jüngsten Rechtsprechung zu den Folgen verspäteter oder unterlassener Gebührenanzeigen (VfSlg. 10517/1985, 10617/1985) ausgesprochen, daß eine gesetzliche Regelung, die einem Gebührenschuldner eine 50prozentige Erhöhung einer Abgabe ohne Berücksichtigung der Entschuldbarkeit seiner Versäumnis oder ihres sonstigen Gewichtes auferlegt, eine überschießende (exzessive) Reaktion auf die Unterlassung des Abgabepflichtigen darstellt, welche den rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers überschreitet und gegen den Gleichheitssatz verstößt.

Es trifft zu, daß in der Bestimmung des §31 Abs1 lita GGG eine Erhöhung des jeweiligen Tarifsatzes um 50 vH vorgesehen ist, und zwar unabhängig vom Verschulden und von einer Bedachtnahme auf besondere Umstände des Einzelfalles. Hinzuzufügen ist in diesem Zusammenhang allerdings, daß die genannte Bestimmung im vorliegenden Fall nur insoweit anzuwenden ist, als sie sich durch Anführung des §2 Z2 GGG auf Eingabengebühren bezieht.

Die in Rede stehenden Eingabengebühren übersteigen jedoch in keinem Fall den Betrag von 800 S. Nun hat der VfGH in Fortsetzung seiner oben angeführten Judikatur im Erk. VfSlg. 10812/1986 die dort erfolgte Aufhebung des §9 Abs1 Gebührengesetz ua. damit begründet, daß diese Gesetzesbestimmung auch für die Wechselgebühr und damit für eine Hundertsatzgebühr gelte, die der Höhe nach unbegrenzt sei. In den Entscheidungsgründen dieses Erk. wies der VfGH auch darauf hin, daß §9 Abs1 Gebührengesetz nicht nur auf feste Gebühren für Schriften und Amtshandlungen Anwendung finde, die vergleichsweise niedrig seien.

In Fortsetzung der diesem Erk. innewohnenden Gedankengänge kann der VfGH nicht finden, daß eine - wenngleich 50prozentige - Erhöhung von Gebühren so geringen Ausmaßes wie der im GGG festgelegten Eingabengebühren gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. In Anbetracht der an sich geringen Höhe der Eingabengebühren iS des §2 Z2 GGG kann auch keineswegs gesagt werden, daß die in §31 Abs1 lita GGG (soweit er die Eingabengebühren betrifft) vorgesehene Erhöhung über eine pauschale Abgeltung des durch die Nichtentrichtung der Gebühr entstandenen Verwaltungsmehraufwandes hinausgeht.

3. Da somit die vom Bf. geäußerten Normbedenken nicht zutreffen und auch sonst keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides bestehen, ist auszusprechen, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

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