VfGH B830/85

VfGHB830/859.10.1986

Art144 Abs1 B-VG; Schreiben des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft an die Bf. (Beamtin der Volksanwaltschaft), in dem eine Ermahnung erteilt wird, in Hinkunft die Dienstpflichten genau zu beachten - keine rechtsgestaltende Wirkung; mangelnder Bescheidcharakter; Zurückweisung wegen Nichtzuständigkeit des VfGH

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §109 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §109 Abs2

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Der Vorsitzende der Volksanwaltschaft der Republik Österreich erließ mit Datum vom 16. September 1985 unter der Zahl VA 25/4/85 an

J V, die als Oberkontrollor bei der Volksanwaltschaft Dienst versieht, folgende Erledigung.

"Betrifft: Ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst

Sie haben nach Ihrem vom 26. Juni 1985 bis 12. Juli 1985 bewilligten Erholungsurlaub den Dienst nicht am 15. Juli, sondern erst am 22. Juli 1985 angetreten.

Zur Rechtfertigung Ihrer Abwesenheit haben Sie dargelegt, daß Sie am Sonntag, dem 14. Juli 1985, und Montag, dem 15. Juli 1985, die Insel Kea/Griechenland wegen des in diesem Gebiet herrschenden Sturmes und infolge des eingestellten Fährbetriebes nicht hätten verlassen können. Sie hätten laufend die Sekretärin des Direktors der Volksanwaltschaft von Ihrer Verhinderung mit der Bitte, den Grund Ihrer Abwesenheit Ihrem Vorgesetzten zu melden, telefonisch verständigt.

Am Dienstag, dem 16. Juli 1985, Mittag seien Sie unterrichtet worden, daß eine Fähre die Insel erreichen und wieder verlassen könne, wonach Sie sich erst am späten Abend einschiffen und nach Larvio zum Festland hätten übersetzen können. Von dort hätten sie per Autobus Athen um zirka 23.00 Uhr erreicht.

Am nächsten Morgen, dem 17. Juli 1985, hätten Sie sich an die österreichische Botschaft gewendet, die Ihnen durch Beistellung von Barmitteln und Organisation von Quartier und Weiterflug behilflich gewesen sei. Es wäre Ihnen frühestens am Freitag, dem 19. Juli 1985, möglich gewesen, mit dem Flugzeug nach Wien zu kommen.

Aufgrund Ihrer Rechtfertigung sowie der von der Volksanwaltschaft durchgeführten Erhebungen steht fest, daß Sie auf der Insel Kea/Griechenland einen Erholungsurlaub verbracht und den Rückflug nach Wien für 15. Juli 1985, Abflug Athen 6.50 Uhr, Malev, Flug Nr. Ma 231, gebucht haben. Das Flugzeug sollte planmäßig am 15. Juli 1985 um 11.10 Uhr in Wien/Schwechat eintreffen. Sie sollten ab 15. Juli 1985 vertretungsweise im Büro der Frau Volksanwalt Franziska Fast tätig sein und hatten über Ihr Ersuchen die Genehmigung, an diesem Tag 'etwas später' kommen zu dürfen. Tatsächlich haben Sie sich erst am Morgen des 22. Juli 1985 zum Dienstantritt gemeldet.

Von Ihrer Verhinderung haben Sie mehrmals der Sekretärin des Direktors der Volksanwaltschaft außerhalb der Dienstzeit in deren Wohnung telefonisch Mitteilung gemacht, den Direktor der Volksanwaltschaft haben sie am Donnerstag, dem 18. Juli 1985, telefonisch verständigt.

Auf Anfrage der Volksanwaltschaft teilte die österreichische Botschaft in Athen mit, daß der Fährbetrieb von der Insel Kea zum Festland laut Mitteilung der Schiffahrtsbehörde am Sonntag, dem 14. Juli, und am Montag, dem 15. Juli 1985, wegen Sturmes eingestellt war. Der Fährbetrieb wurde erst wieder am Dienstag, dem 16. Juli 1985, aufgenommen. Die erste Fähre hat an diesem Tag Kea um 7.10 Uhr morgens verlassen, die zweite Fähre um 19.00 abends. Die Überfuhr dauert von der Insel Kea zum Festland 1 Stunde 45 Minuten.

Laut Fahrplan der ÖBB fährt täglich ein Zug ab Athen 19.00 Uhr, an Wien am übernächsten Morgen 7.21 Uhr. Der Fahrpreis 2. Klasse Athen - Wien beträgt S 1.244,-.

Nach Ihren Angaben haben Sie die Fähre am Abend des 16. Juli für die Überfahrt zum Festland benutzt. Sie erklärten, daß Sie von der Aufnahme des Fährbetriebes bereits am Dienstag, dem 16. Juli 1985, um

7.10 Uhr morgens nichts gewußt hätten.

Unter den gegebenen Umständen wären Sie verpflichtet gewesen, dafür jede Vorsorge zu treffen, um die erste Überfuhrmöglichkeit benutzen zu können. Dies wäre Ihnen zumutbar gewesen; diesbezügliche Behinderungen haben Sie auch weder behauptet noch nachgewiesen. Bei Benutzung der ersten Fähre wäre es Ihnen auch möglich gewesen, mit der Bahn nach Wien zu fahren und den Dienst bereits am Donnerstag, dem 18. Juli 1985, anzutreten. Die Abwesenheit vom Dienst am 18. und 19. Juli 1985 ist daher nicht gerechtfertigt.

Sie haben hiedurch gegen die Dienstpflicht eines Beamten gemäß §43 Abs1 Beamten-Dienstrechtsgesetz verstoßen. Unter Bedachtnahme auf §109 Abs2 Beamten-Dienstrechtsgesetz erteile ich Ihnen eine Ermahnung, Ihre Dienstpflichten künftig genau zu beachten."

2. Gegen diese Erledigung richtet sich die an den VfGH gerichtete, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der J V, in der sie die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet, die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §109 BDG 1979 anregt und die kostenpflichtige Aufhebung der von ihr als Bescheid qualifizierten Erledigung beantragt.

3. Der Vorsitzende der Volksanwaltschaft erstattete als bel. Beh. eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

II. Der VfGH hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist ein Verwaltungsakt dann ein Bescheid, wenn er gegenüber individuell bestimmten Personen eine Verwaltungsangelegenheit für den Einzelfall bindend gestaltet oder die Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt hat (s. zB VfSlg. 6187/1970 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Diese Voraussetzungen sind im Beschwerdefall nicht gegeben. Das Schreiben des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft weist nicht die formellen Erfordernisse eines Bescheides auf. Es enthält vielmehr - abgesehen von der Darstellung eines Sachverhaltes - eine damit im Zusammenhang stehende Ermahnung, in Hinkunft die Dienstpflichten genau zu beachten. Mit dieser Ermahnung werden jedoch die Rechte der Bf. als Beamtin der Volksanwaltschaft nicht gestaltet. Unter diesen Voraussetzungen kommt der in diesem Zusammenhang erfolgten, die Sachverhaltsfeststellung abschließenden Enunziation des Dienstvorgesetzten, daß die Beamtin durch ihr Verhalten gegen die Dienstpflicht eines Beamten gemäß §43 Abs1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes verstoßen habe, ebenfalls keine rechtsfeststellende Bedeutung zu.

Da sich die vorliegende Beschwerde sohin nicht gegen einen Bescheid iS des Art144 B-VG richtet, war sie wegen Nichtzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen.

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