VfGH B670/86

VfGHB670/8628.11.1986

UrhG; Beschwerde gegen einen Bescheid der gemäß ArtIII §1 Abs1 UrhGNov. 1980 beim Bundesministerium für Justiz eingerichteten Schiedsstelle wegen Zahlung einer angemessenen Vergütung nach §42 Abs5 UrhG und Rechnungslegung; diese Schiedsstelle ist eine Kollegialbehörde iS des Art20 Abs2 B-VG; Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges - Zulässigkeit der Beschwerde; Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag iS des Art133 Z4 B-VG (Art20 Abs2 B-VG) sind angesichts ihrer gerichtsähnlichen Stellung in der Frage der Zusammensetzung zur Durchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln unterworfen wie kollegial besetzte Gerichte; keine Bedenken gegen die gesetzlichen Grundlagen der Schiedsstelle; Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter dadurch, daß in dem Verfahren (mit fortgesetzten Verhandlungen) in ständig wechselnder Besetzung jeweils ohne formelle Neudurchführung des Verfahrens verhandelt wurde

Normen

B-VG Art20 Abs2
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
UrheberrechtsG-Nov 1980 ArtIII §1 Abs1
B-VG Art20 Abs2
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
UrheberrechtsG-Nov 1980 ArtIII §1 Abs1

 

Spruch:

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Die - gemäß ArtIII §1 Abs1 des BG vom 2. Juli 1980 (Urheberrechtsgesetznovelle 1980 - UrhGNov. 1980), BGBl. 321/1980 - beim Bundesministerium für Justiz eingerichtete Schiedsstelle erließ durch Ministerialrat Hon.-Prof. DDr. R D als Vorsitzenden, Mag. N K als weiteres Mitglied sowie Mag. F P, DDr. E I, DDr. H K, Univ.-Prof. Dr. H H, Mag. Dr. O F, Dr. E S und Dr. W R, Hofrat des OGH, als Ersatzmitglieder am 11. Juni 1986 im Verfahren 57/23-Schied/84 über den Antrag der Austro-Mechana Gesellschaft zur Verwaltung und Auswertung mechanisch-musikalischer Urheberrechte GesmbH ("Austro-Mechana" GesmbH) gegen 1. K & Co. ... GesmbH & Co. KG und 2. K & Co. ... GesmbH wegen Zahlung einer angemessenen Vergütung nach §42 Abs5 UrhG und Rechnungslegung folgenden Bescheid:

...

1.2.1. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte und gemeinsam ausgeführte Beschwerde der K & Co. ... GesmbH & Co. KG und der K & Co. ... GesmbH an den VfGH; darin werden die Verletzung von Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm und die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), auf Unversehrheit des Eigentums (Art5 StGG), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) sowie der Rechte nach Art6 EMRK geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

1.2.2. Die Schiedsstelle beim Bundesministerium für Justiz als bel. Beh. und die "Austro-Mechana" GesmbH als Beteiligte des verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens erstatteten - und zwar die Behörde unter Vorlage der Administrativakten - je eine Gegenschrift und beantragten die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1. Die Schiedsstelle beim Bundesministerium für Justiz iS der UrhGNov. 1980 besteht aus neun Mitgliedern, von denen eines dem Richterstand angehören muß (ArtIII §4 Abs1 UrhGNov. 1980). Alle Mitglieder des Kollegiums, die vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung für die Dauer von fünf Jahren bestellt werden, sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen und Aufträge gebunden (ArtIII §§4 Abs2, 5 Abs1 UrhGNov. 1980). Die Schiedsstelle wurde folglich vom Bundesgesetzgeber als Kollegialbehörde iS des Art20 Abs2 B-VG eingerichtet. Ihre Entscheidungen unterliegen kraft ArtIII §11 Abs1 UrhGNov. 1980 nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg, können jedoch mit Beschwerde an den VwGH bekämpft werden.

Der administrative Instanzenzug ist darum erschöpft.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Beschwerde zulässig.

2.2.1. Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art83 Abs2 B-VG erachteten sich die beiden Bf. in erster Linie deswegen verletzt, weil die bel. Beh. (in mehreren Tagsatzungen) in unterschiedlicher personeller Zusammensetzung verhandelt habe.

2.2.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG (auch) durch unrichtige Zusammensetzung einer an sich zuständigen Kollegialbehörde verletzt (VfSlg. 3406/1958, 3752/1960 uam.). Daran anknüpfend, sprach der VfGH bereits wiederholt aus, daß sog. "Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag" iS des Art133 Z4 B-VG (Art20 Abs2 B-VG) angesichts ihrer gerichtsähnlichen Stellung in der Frage der Zusammensetzung zur Durchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln wie kollegial besetzte Gerichte unterworfen sind (VfSlg. 4664/1964, 4728/1964): Ihre Mitglieder dürfen also jedenfalls in diesem Verfahrensstadium nicht mehr ausgewechselt werden. Die bel. Beh. räumte nun in ihrer Gegenschrift - in voller Übereinstimmung mit der Aktenlage - selbst ein, daß sie im vorliegenden Administrativverfahren tatsächlich in ständig wechselnder Besetzung verhandelt habe (s. Verhandlungsschriften vom 6. Dezember 1984, 11. November 1985 und 15. Jänner 1986): Nach den (Verhandlungs-)Protokollen kam es in keiner dieser Sitzungen zu einer formellen Neudurchführung des Verfahrens. Die Administrativakten zeigen, daß (sogar) die Beratung und die Beschlußfassung nach Schluß der (letzten) Verhandlung in - unzulässig - geänderter Zusammensetzung stattfanden (vgl. die Verhandlungsschrift vom 15. Jänner 1986 und das Beratungsprotokoll vom 11. Juni 1986).

2.2.2.2. Daraus folgt, daß die hier entscheidende Kollegialbehörde - die (aus der Sicht dieser Beschwerdesache) auf verfassungsrechtlich unbedenklichen gesetzlichen Grundlagen beruht (vgl. VfSlg. 9887/1983, 9888/1983) - in unrichtiger personeller Besetzung einschritt. Die bf. Gesellschaften wurden darum im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, ohne daß der VfGH - darüber hinaus - in die Prüfung der Frage eintreten mußte, ob und inwieweit der Vorsitzende der Schiedsstelle bei Einberufung (Ladung) der übrigen Kommissionsmitglieder zu den Verhandlungen die streng-formalen Voraussetzungen des ArtIII §10 UrhGNov. 1980 eingehalten hatte (VfSlg. 8845/1980; 9838/1983).

Der angefochtene Bescheid war - allein schon aus diesem Grund - als verfassungswidrig aufzuheben.

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