VfGH B229/82

VfGHB229/8224.6.1985

Nö. GVG 1973 §8 Abs1 und Abs2 litd und lith; denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zum Erwerb eines Grundstückes durch Vollerwerbslandwirte; denkunmögliche Annahme des Versagungsgrundes gemäß §8 Abs2 lith (spekulative Kapitalanlage); Verletzung im Eigentumsrecht

Normen

Nö GVG 1973 §8 Abs2 litd
Nö GVG 1973 §8 Abs2 lith
Nö GVG 1973 §8 Abs7
Nö GVG 1973 §8 Abs2 litd
Nö GVG 1973 §8 Abs2 lith
Nö GVG 1973 §8 Abs7

 

Spruch:

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Mit dem Kaufvertrag vom 23. Dezember 1980 erwarben die Bf., die Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in Stallbach-Kronstorf, Bezirk Linz-Land, OÖ, sind, von F W die Liegenschaft EZ ..., KG Dorf, St. Peter in der Au, Bezirk Amstetten, NÖ, im Gesamtausmaß von 6,75 ha um 950000 S.

Diesem Kaufvertrag wurde mit dem Bescheid der Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirksbauernkammer St. Peter in der Au am Sitze der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 24. März 1981 gemäß §8 Abs1 und 2 lith des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973, LGBl. 6800-2, (im folgenden Nö. GVG) die grundverkehrsbehördliche Zustimmung versagt.

In der der Erlassung des Bescheides vorausgegangenen mündlichen Verhandlung hatte der Interessent K S für sich und seine Ehegattin die Erklärung abgegeben, daß er die kaufgegenständlichen Grundstücke seit zirka 8 Jahre gepachtet habe. Er bestreite mit seiner Familie den Lebensunterhalt ausschließlich aus den Erträgnissen des land- und forstwirtschaftlichen Eigenbetriebes. Den Kaufpreis von 950000 S sehe er als ortsüblichen Verkehrswert an, er wolle die Grundstücke zu diesem Preis erwerben, da er sie zur Aufstockung des Betriebes dringend benötige. Die Eigengrundstücke grenzten an die kaufgegenständlichen Grundstücke direkt an. Er lege zum Nachweis dafür, daß er zur Übernahme der Grundstücke unter den gleichen Bedingungen, wie sie im Vertrag vorgesehen seien, in der Lage sei, eine Kreditzusage eines Bankinstitutes vor.

In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, daß bei der gegebenen Größe des Betriebes der Käufer in Kronstorf, Stallbach, im Ausmaß von 63 ha der gegenständliche Kauf eine spekulative Kapitalsanlage darstelle, da die Käufer zur Selbstbewirtschaftung aufgrund der Entfernung von 25 km offenbar nicht oder nur bei Inkaufnahme von über den Ertrag hinausgehenden Verlusten in der Lage seien. Hingegen sei die Aufstockung des Betriebes der Interessenten im Interesse der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes gelegen.

b) Mit dem Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung vom 22. Feber 1982 wurde der von den Bf. gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Bezirkskommission vom 24. März 1981 erhobenen Berufung nicht Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §1 Abs1, 6 Abs3 sowie 8 Abs1 und 2 litd und lith Nö. GVG bestätigt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde.

Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG) verletzt worden zu sein. Sie machen ferner "Verletzung des Eigentumsrechtes nach Art5 StGG und nach Art6 StGG" geltend.

Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. §8 Nö. GVG - soweit er im vorliegenden Fall angewendet wurde - lautet:

"§8

(1) Die Grundverkehrskommission hat ihre Zustimmung nicht zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, dem Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder an dem Bestand eines rationell bewirtschafteten, für die Versorgung der Bevölkerung mit Bodenerzeugnissen wichtigen Großbesitzes widerstreitet.

(2) Ein Rechtsgeschäft widerstreitet jedenfalls dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes, wenn

...

d) das Interesse an der Stärkung oder Schaffung eines oder mehrerer bäuerlicher Betriebe, sofern ein solches nicht in Frage kommt, das Interesse an der Stärkung eines oder mehrerer Nebenerwerbsbetriebe das Interesse an der Verwendung aufgrund des vorliegenden Vertrages überwiegt, sofern die Interessenten bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;

...

h) Gründe zur Annahme vorliegen, daß eine spekulative Kapitalsanlage beabsichtigt ist. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn aus der Tatsache der beruflichen Tätigkeit des Erwerbers oder aus seiner Entfernung von der Liegenschaft zwingend geschlossen werden kann, daß er zur Selbstbewirtschaftung offenbar nicht in der Lage ist oder der Erwerb nur zum Zwecke der Verpachtung erfolgt oder eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nicht zu erwarten ist;

...

(5) Als Landwirt im Sinne dieses Gesetzes ist anzusehen, wer aus seiner Arbeit in der Land- oder Forstwirtschaft seinen und seiner Familie Lebensunterhalt vorwiegend bestreitet oder nach dem Erwerb der Liegenschaft bestreiten will, sofern er aufgrund praktischer Tätigkeit oder fachlicher Ausbildung die dazu erforderlichen Fähigkeiten besitzt und Grund zur Annahme besteht, daß er diese selbständige Arbeit nach dem Erwerb der Liegenschaft ausüben wird (Voll- oder Nebenerwerbslandwirt).

(6) Als Nebenerwerbslandwirt im Sinne dieses Gesetzes ist anzusehen, wer Eigentümer oder Pächter von Liegenschaften gemäß §1 Abs2 ist, durch deren persönliche Bewirtschaftung zu seinem oder seiner Familie Lebensunterhalt beiträgt und außerhalb seines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes einer beruflichen Tätigkeit nachgeht, die mehr als die Hälfte seiner gesamten Arbeitszeit in Anspruch nimmt.

(7) Ein bäuerlicher Betrieb im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn der Eigentümer oder Pächter vorwiegend in diesem Betrieb arbeitet, aus dessen Ertrag seinen und seiner Familie Lebensunterhalt vorwiegend bestreitet und wenn das Fünffache des zur angemessenen Erhaltung einer bäuerlichen Familie von fünf erwachsenen Personen notwendigen Durchschnittsertrages nicht überschritten wird (Voll- oder Nebenerwerbsbetrieb).

(8) Ein Nebenerwerbsbetrieb im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn der Eigentümer oder Pächter im Sinne des Abs6 persönlich diesen Betrieb bewirtschaftet und aus dessen Ertrag zu seinem oder seiner Familie Lebensunterhalt beiträgt.

(9) Als Interessent nach Abs2 lita, b, c und d ist anzusehen, wer glaubhaft zu machen vermag, daß die Bezahlung des ortsüblichen Verkehrswertes oder Pachtzinses und die Erfüllung sonstiger ortsüblicher und für den Verkäufer lebensnotwendiger Vertragsbedingungen gewährleistet ist."

Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind Bedenken weder geäußert worden noch beim VfGH entstanden (vgl. VfSlg. 9131/1981, 9128/1981, 9004/1981, 7407/1974).

2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung bewirkte Eingriff in das Eigentum (vgl. VfSlg. 9004/1981) nur verfassungswidrig sein, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn sie so fehlerhaft vorgegangen wäre, daß die Fehlerhaftigkeit mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe gestellt werden müßte.

a) Die bel. Beh. hat ein Sachverständigengutachten eingeholt, aus dem sich ergibt, daß die Bf. (Käufer) Vollerwerbslandwirte und Eigentümer eines bäuerlichen Betriebes in Stallbach, Kronstorf, OÖ, im Ausmaß von 63,27 ha (davon 5,60 ha Wald, Rest Ackerland) sind.

Ferner wird im Gutachten ausgeführt, daß als Erwerber der Kaufliegenschaft auch die Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes aufgetreten seien, deren Grundstücke im Gesamtausmaß von 20,89 ha (davon 3,32 ha Wald, 8,5 ha Äcker, Rest Wiesen und Weiden) auf einer Strecke von zirka 135 m die Grundstücke der Kaufliegenschaften begrenzten. Durch den Erwerb der Kaufgrundstücke durch die Interessenten sei ein vorteilhafter Arrondierungseffekt zu erwarten. Die Interessenten würden die Wiesen- und Weideflächen der Kaufliegenschaft für die Futtergewinnung nutzen und damit ihren Viehstand aufstocken können. Im übrigen seien die Interessenten von 1973 bis Ende 1980 Pächter eines 4,79 ha großen Teiles der Kaufliegenschaft gewesen und hätten diese Pachtfläche aufgrund des Verkaufes verloren.

b) In der Begründung des Bescheides wird aufgrund der Feststellungen des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen ausgeführt, die Entfernung des Kaufgegenstandes vom Heimbetrieb der Käufer bedinge eine Bewirtschaftungsart, wie sie die Käufer beabsichtigen, nämlich Mais- und Getreideanbau. Die Wiesen- und Weidegrundstücke, die zum Großteil Kaufgegenstand seien, seien wegen der Gelände- und Feuchtigkeitsverhältnisse mehr für die Grünlandnutzung bzw. Viehwirtschaft als für den Getreideanbau geeignet. Aufgrund dieser Ausführungen sei die Annahme gerechtfertigt, daß im Hinblick auf die Entfernung vom Betriebsort hinsichtlich eines überwiegenden Teiles der kaufgegenständlichen Grundstücke eine der Kulturgattung entsprechende Bewirtschaftung nicht zu erwarten sei. Die Berufungsbehörde sei daher zur Ansicht gelangt, daß der Versagungsgrund nach §8 Abs2 lith Nö. GVG gegeben sei.

Nach Ansicht der Berufungsbehörde liegt auch der Versagungsgrund nach §8 Abs2 lita Nö. GVG vor. Die Berufungswerber (Bf.) seien nach den Erhebungen des Amtssachverständigen Inhaber eines bäuerlichen Betriebes, der nicht als stärkungsbedürftig zu bezeichnen sei. Der bäuerliche Betrieb des Interessenten K S hingegen sei aufgrund seiner niedrigen Ertragslage als stärkungsbedürftig anzusehen. Dadurch, daß sich der Betrieb des Interessenten in unmittelbarer Nähe der Kaufliegenschaft befinde, sei eine bestmögliche Nutzung der Wiesen- und Weideflächen gegeben, zumal dieser auch Viehwirtschaft betreibe. Diese Voraussetzungen seien bei den Berufungswerbern nicht gegeben. Mit dem Hinzukommen der Kaufliegenschaft könne der Betrieb des Interessenten gestärkt werden und der Erwerb auch dazu beitragen, daß die Existenzgrundlage für den Betriebsnachfolger gesichert würde, was im öffentlichen Interesse iS des §8 Abs1 erster Satz gelegen sei, wonach es Ziel des Gesetzes sei, bäuerliche Betriebe zu erhalten und zu stärken, damit sie auch in Zukunft einer bäuerlichen Familie als Existenzgrundlage dienen könnten. Bei Abwägung der Interessen habe daher ein deutliches Übergewicht zugunsten des stärkungsbedürftigen, bäuerlichen Betriebes des Interessenten festgestellt werden müssen.

3. In der Beschwerde wird vorgebracht, der angefochtene Bescheid stelle eine Willkürhandlung der Behörde dar. Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides seien die Käufer Vollerwerbslandwirte. Sie beabsichtigten, die Kaufgrundstücke auch landwirtschaftlich zu nutzen, und zwar in erster Linie durch Mais- und Getreideanbau. Lediglich aus diesem Umstand, daß ein solcher Anbau vorwiegend ins Auge gefaßt und auch bereits verwirklicht worden sei, schließe der bekämpfte Bescheid willkürlich und unter Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte der Bf. darauf, daß Gründe zur Annahme vorlägen, es sei eine spekulative Kapitalsanlage beabsichtigt (§8 Abs2 lith Nö. GVG).

4. Die bel. Beh. stützt die Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Bestimmungen des §8 Abs1 und Abs2 litd und lith.

Dabei geht sie unbestritten davon aus, daß die Bf. als Erwerber der Kaufgrundstücke Inhaber eines bäuerlichen Betriebes iS des §8 Abs7 und Vollerwerbslandwirte iS des §8 Abs5 GVG sind.

Wie der VfGH im Erk. VfSlg. 9004/1981 ausgeführt hat, kommen §8 Abs1 und §8 Abs2 litd GVG für die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung dann nicht zum Tragen, wenn ein Landwirt als Erwerber auftritt und dieser mit dem beabsichtigten Zuerwerb Inhaber eines bäuerlichen Betriebes iS des §8 Abs7 GVG bleibt oder wird. Nur dann, wenn diese Voraussetzungen beim Erwerber nicht vorliegen und es Interessenten gibt, die bereits Inhaber eines bäuerlichen Betriebes sind oder durch den Erwerb von Grundstücken werden dürfen, ist §8 Abs2 litd GVG anzuwenden. Nur diesfalls hat die vorgesehene Interessensabwägung stattzufinden.

Da die bel. Beh. nicht bestreitet, daß die Bf. Inhaber eines bäuerlichen Betriebes und Vollerwerbslandwirte sind, war es iS des Erk. VfSlg. 9004/1981 denkunmöglich, den Bf. als Inhabern eines bäuerlichen Betriebes die Zustimmung zum Eigentumserwerb zu versagen, weil ein anderer bäuerlicher Vollerwerbsbetrieb aufstockungsbedürftiger sei. Das Gesetz läßt in einem derartigen Fall eine Interessensabwägung nicht zu.

Anhaltspunkte dafür, daß der Betrieb der Käufer vor oder nach dem Zuerwerb die Grenze des §8 Abs7 Nö. GVG übersteigen und damit den Charakter eines bäuerlichen Betriebes verlieren würde, haben sich im Verfahren nicht ergeben.

Ebenso war es denkunmöglich, aus dem Umstand, daß nach Auffassung der bel. Beh. die Beibehaltung der Nutzung der Kaufgrundstücke für die Grünland- und Viehwirtschaft der von den Bf. beabsichtigten Nutzung für den Mais- und Getreideanbau vorzuziehen wäre, die Schlußfolgerung abzuleiten, daß eine Kapitalsanlage beabsichtigt und damit der Versagungsgrund des §8 Abs2 lith GVG gegeben sei.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes als verfassungswidrig aufzuheben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte