VfGH B502/82

VfGHB502/8226.11.1985

Tir. GVG 1983; Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung gemäß §4 Abs2 lita; keine Bedenken gegen diese Bestimmung; keine denkunmögliche Annahme drohender Überfremdung Seefelds durch Ausländer - keine Verletzung im Eigentumsrecht

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Grundverkehrsbehörde Seefeld (Tir.) hat mit Bescheid vom 4. November 1981 der Eigentumsübertragung an 73/1181 Anteilen der Liegenschaft ..., KG Seefeld, samt Wohnungseigentum an Top 15 (2-Zimmer-Wohnung) der Bf. V D an ihre Tochter, die deutsche Staatsangehörige AM, gemäß §4 Abs2 lita des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. 4/1971, idF LGBl. 6/1974 - später wiederverlautbart mit Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 18. Oktober 1983, LGBl. 69/1983, als Grundverkehrsgesetz 1983 (GVG 1983) - die Zustimmung versagt.

1.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der AM - nur ihr wurde der Bescheid zugestellt - wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 3. August 1982, Z LGv-521/2-81, gemäß §4 Abs2 lita GVG als unbegründet abgewiesen.

2.1. Gegen diesen, auch der Übergeberin zugestellten Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der V D, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zurückweisung der Beschwerde beantragt, da der Bescheid erster Instanz von der Bf. nicht bekämpft wurde; in eventu wird die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Mit Beschl. vom 1. März 1985 leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der lita sowie des Buchstaben "c" in der litb des §13 Abs4 Z2 GVG 1983 ein.

Der Gerichtshof folgte den Überlegungen, die der EuGMR mit Urteil vom 22. Oktober 1984 im Fall Sramek angestellt hatte. Es schien ihm mit Art6 MRK unvereinbar, daß ein Tribunal - die Landesgrundverkehrsbehörde ist ein solches - jemand zu seinen Mitgliedern zählt, der sich gegenüber einer Partei des Verfahrens in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, wie dies beim Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde in der Rechtssache Sramek in Relation zum Landesgrundverkehrsreferenten der Fall war; er hegte den Verdacht, daß es den Bestimmungen, die die Zusammensetzung der Landesgrundverkehrsbehörde regeln, nämlich den in Prüfung gezogenen, anzulasten sei, daß es zu einer solchen Situation kommen könne. Es werde allerdings im Gesetzesprüfungsverfahren zu untersuchen sein, ob der aufgegriffene Mangel nicht dem Gesetz, sondern dem Vollzug anzulasten sei.

Mit Erk. VfSlg. 10639/1985 wurde sodann ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.

Der VfGH schloß sich der im Urteil des EuGMR vom 22. Oktober 1984 im Fall Sramek vertretenen Rechtsansicht an und vertrat ebenso wie der EuGMR die Auffassung, daß das Tätigwerden eines Mitgliedes der Tir. Landesgrundverkehrsbehörde, das in seiner Eigenschaft als Beamter des Amtes der Tir. Landesregierung dem beamteten Grundverkehrsreferenten und damit einer Partei des Verfahrens dienstlich untersteht, unter besonderen Umständen, wie sie im Fall Sramek - iS einer das Vertrauen in die Kommission beeinträchtigenden besonderen Verflechtung zwischen Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde (und damit eines Tribunals) und Grundverkehrsreferent - vorlagen, mit der Verfassungsbestimmung des Art6 MRK unvereinbar ist. Der Verfassungsverstoß sei jedoch nicht in den in Prüfung gezogenen Bestimmungen grundgelegt. Diesen sei auch nicht anzulasten, daß sie ein derartiges verfassungswidriges Vorgehen nahelegen. Da die in Frage stehende, aus Art6 MRK erfließende Verfassungsanordnung einfach-gesetzlicher Anordnungen nicht bedürfe, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, seien die aufgeworfenen Bedenken nicht den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anzulasten.

4. Der VfGH hat erwogen:

4.1.1. Die Bf. behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums zufolge einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes verletzt zu sein. Sie habe ihre Eigentumswohnung an ihre Tochter übergeben, weil sie mit einer kleinen Rente nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Betriebskosten sowie die Rückzahlungsraten für ein darauf lastendes Darlehen zu bestreiten. Ihre Tochter habe inzwischen diese Schulden zur Gänze bezahlt und trage seit Vertragsabschluß auch die gesamten Kosten der Eigentumswohnung. Sie werde diese von ihr in jedem Falle erhalten, wenn nicht im Vertragswege, dann im Erbwege. Dem angefochtenen Bescheid fehle somit jeglicher Sinn. Der einzige Versagungsgrund, nämlich die weitere drohende Überfremdung zu verhindern, könne durch den angefochtenen Bescheid jedenfalls nicht verwirklicht werden, sodaß durch den in Frage stehenden Übergabsvertrag auch kein öffentliches Interesse verletzt werden könne. Es sei jedenfalls nicht Sinn und Zweck des GVG, zu unterbinden, daß Kinder von ihren Eltern im Wege von Rechtsgeschäften Liegenschaften erwerben, wenn ihnen diese früher oder später ohnedies im Erbwege zufallen.

4.1.2. Die bel. Beh. führt im angefochtenen Bescheid aus, daß einem Grunderwerb durch Ausländer gemäß §4 Abs2 GVG nur dann zuzustimmen sei, wenn dieser Erwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen nicht widerspreche, wobei gemäß lita leg. cit. ein Widerspruch zu diesen Interessen insbesondere dann gegeben sei, wenn in der betreffenden Gemeinde mit Rücksicht auf das Ausmaß des schon vorhandenen ausländischen Grundbesitzes bzw. der Zahl der ausländischen Grundbesitzer eine Überfremdung einzutreten drohe. Seefeld sei die Gemeinde Tirols, die zumindest im Hinblick auf die Zahl der ausländischen Grundbesitzer den größten Prozentsatz aufweise. 52,5 vH der Grundbesitzer in Seefeld seien ausländische Staatsangehörige, und auch das Ausmaß des ausländischen Grundbesitzes mit 18,6 ha liege weit über dem üblichen Landesdurchschnitt. Es sei zu berücksichtigen, daß Seefeld eine Gesamtfläche von 1737 ha habe, wovon nur 242 ha intensive Nutzfläche seien, wobei der ausländische Grundbesitz hauptsächlich solche Flächen umfasse. Die von der Bf. geltend gemachten Umstände (Familienverhältnis, Durchsetzung im Erbwege) könnten nichts daran ändern, daß die Behörde den Rechtserwerb anhand der Bestimmungen des GVG und der darin normierten öffentlichen Interessen zu messen hätte; mangels gesetzlicher Grundlage sei die Behörde nicht berechtigt, Zweckmäßigkeitsentscheidungen zu treffen oder auf allfällige, in der Zukunft gelegene Umstände, die ihre Zuständigkeit ausschließen würden, Rücksicht zu nehmen.

4.1.3. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 9708/1983, 9720/1983) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die Bestimmungen des GVG 1983. Bei den von der Bf. übertragenen Liegenschaftsanteilen handelt es sich um ein Grundstück iS des §1 Abs1 Z2 leg. cit. Die Verweigerung der Zustimmung zur beabsichtigten Eigentumsübertragung gründet sich auf §4 Abs2 GVG 1983. Der VfGH hat die zitierten Bestimmungen in den Erk. VfSlg. 6546/1971, 6682/1972, 7274/1974, 8436/1978 und 8501/1979 als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet; auch aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmungen nicht entstanden.

Die Bf. könnte, wie von ihr geltend gemacht, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums daher nur im Falle einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes verletzt worden sein. Davon kann aber hier keine Rede sein. Ausgehend von den - unwidersprochenen - Ausführungen des angefochtenen Bescheides, wonach Seefeld im Hinblick auf die Zahl der ausländischen Grundbesitzer den höchsten Prozentsatz in Tir. aufweise, ist es jedenfalls nicht denkunmöglich, wenn die bel. Beh. von der Gefahr einer drohenden Überfremdung durch Ausländer ausgegangen ist und auf dem Boden des §4 Abs2 lita GVG 1983 der beabsichtigten Eigentumsübertragung die Zustimmung verweigert hat. Die bel. Beh. hat das Gesetz aber auch denkmöglich angewendet, wenn sie im angefochtenen Bescheid ausführte, daß sie bei ihrer Entscheidung nicht darauf Bedacht nehmen könne, daß die in Frage stehende Liegenschaft auf die Tochter der Bf. im Erbwege übergehen könne, ohne daß es einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit nicht vor.

4.2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde; da im Beschwerdefall der Landesgrundverkehrsreferent nicht eingeschritten ist, kommt insbesondere auch ein dem Vollzugsgeschehen anzulastender Verfassungsverstoß, wie er im Fall Sramek auftrat und Gegenstand des hieran anknüpfenden Erk. des VfGH VfSlg. 10634/1985 war, nicht in Frage. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es aber auch ausgeschlossen, daß die Bf. in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

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