VfGH B249/80

VfGHB249/8025.2.1984

BAO; keine Bedenken gegen die Regelung des Säumniszuschlages iVm. der Anrechnungsregel in den §213 Abs4, §217 Abs1 und §219 unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsrechtes; keine gleichheitswidrige und keine denkunmögliche Gesetzesanwendung

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BAO §213 Abs4
BAO §217 Abs1 BAO §219
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BAO §213 Abs4
BAO §217 Abs1 BAO §219

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Der Bf. ist Arzt; seine Ordination befindet sich in Wien.

Das Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk in Wien (künftig kurz: FA) verbucht gemäß §213 Abs1 BAO die von ihm wiederkehrend zu leistenden Abgaben in laufender Rechnung.

Am 21. Mai 1979 belastete das FA das Abgabenkonto des Bf. mit der Einkommensteuervorauszahlung für das 2. Kalendervierteljahr 1979 in der Höhe von 11000 S. Damals wies das Konto ein Guthaben von 263,50 Sauf. Am 5. Juni 1979 belastete das FA das Konto mit der Umsatzsteuervorauszahlung für den Kalendermonat März 1979 in der Höhe von 3618 S. Am 11. Juni 1979 bezahlte der Bf. 10736,50 S und am 15. Juni 1979 3618 S aufsein Abgabenkonto ein.

b) Mit Bescheid des FA vom 5. Oktober 1979 wurden dem Bf. folgende Säumniszuschläge vorgeschrieben:

Wegen Nichtentrichtung der Umsatzsteuer für den Kalendermonat März 1979 im Teilbetrag von 3354 S der Betrag von 67 S und wegen Nichtentrichtung der Einkommensteuervorauszahlung für das zweite Kalendervierteljahr 1979 im Teilbetrag von 3618 S der Betrag von 72 S.

Das FA errechnete diese Säumniszuschläge wie folgt:

Als Bemessungsgrundlage hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlung für den Kalendermonat März 1979 (fällig am 10. Mai 1979) wurde ein Betrag von 3354 S angenommen 3618 S abzüglich des Guthabens von 263,50 S). Hievon wurde gemäß §219 BAO ein Säumniszuschlag von 2 vH ermittelt, das sind abgerundet 67 S.

Das FA verrechnete die Zahlung des Bf. vom 11. Juni 1979 in der Höhe von 10736,50 S in Anwendung des §213 Abs4 BAO in der damals geltenden Fassung zunächst auf die am 10. Mai 1979 fällig gewordene Umsatzsteuer, wodurch diese zur Gänze getilgt wurde; der Restbetrag von 7382 S wurde auf die erst später (nämlich am 11. Juni 1979) fällig werdende Einkommensteuervorauszahlung verrechnet. Dadurch blieb nach Meinung des FA die Einkommensteuer im Betrag von 3618 S (11000 S minus 7382 S) nach Ablauf des Fälligkeitstages unberichtigt (dieser Betrag wurde erst am 15. Juni 1979 bezahlt). Daher schrieb das FA für diesen Betrag einen Säumniszuschlag in der Höhe von 72 S (2 vH von 3618 S) vor.

c) Gegen den Nebengebührenbescheid vom 5. Oktober 1979 erhob der Bf. Berufung.

Diese wurde von der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. (künftig: FLD) mit Bescheid vom 28. Dezember 1979 abgewiesen.

Dieser Bescheid wird wie folgt begründet:

"Gemäß §213 Abs4 BAO sind Zahlungen und sonstige Gutschriften, soweit

§214 BAO nicht Abweichendes bestimmt, auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten Schuldigkeiten des Abgabepflichtigen zu verrechnen.

§217 Abs1 BAO lautet in seinem ersten Satz: Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß Absatz 2 bis 6 hinausgeschoben wird.

Im gegenständlichen Fall hat der Bw. auf sein Abgabenkonto am 11. Juni 1979 eine Zahlung von 10736,50 S geleistet. Damit beabsichtigte er, die Einkommensteuervorauszahlung, die an diesem Tag fällig geworden ist, zu entrichten (11000 S unter Berücksichtigung des zum 7. Mai 1979 auf dem Abgabenkonto ausgewiesenen Guthabens in der Höhe von 263,50 S). Dabei berücksichtigte er nicht die bereits zum 10. Mai 1979 fällig gewordene Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat März 1979 in der Höhe von 3618 S, welche auf dem Abgabenkonto am 5. Juni 1979 eingetreten war. Zur Tilgung dieser Fälligkeit waren nach der zwingenden Vorschrift des §214 Abs4 BAO zunächst das Abgabenguthaben von 263,50 S heranzuziehen, wodurch insoweit eine teilweise termingerechte Entrichtung der genannten Abgabe bewirkt wurde. Für den verbleibenden Restbetrag dieser Umsatzsteuervorauszahlung (3354,50 S) war ein Teil der Zahlung vom 11. Juni 1979 zu verwenden. Diese Zahlung kann jedoch nicht als rechtzeitig angesehen werden und es erfolgte daher die Festsetzung eines Säumniszuschlages in der Höhe von 67 S zu Recht.

Für die am 11. Juni 1979 zu entrichtende Einkommensteuervorauszahlung verblieb demnach nur mehr ein Betrag von 8382 S. Nur insoweit kann die Einkommensteuervorauszahlung für das zweite Vierteljahr 1979 als rechtzeitig entrichtet angesehen werden. Der Differenzbetrag von 3618 S wurde erst am 15. Juni 1979 zur Einzahlung gebracht. Diese Zahlung kann jedoch nicht als rechtzeitig angesehen werden. Demgemäß erfolgte auch die Festsetzung des Säumniszuschlages in der Höhe von 72 S zu Recht.

Der Bw. irrt, wenn er der Ansicht ist, daß im gegenständlichen Fall nur eine Säumnis vorlag, aufgrund derer zwei Säumniszuschläge vorgeschrieben wurden. Vielmehr liegen aufgrund der dargestellten Auswirkungen der zwingenden Verrechnugsvorschriften der Bundesabgabenordnung zwei Fälle von Säumnis vor, aufgrund derer zwei Säumniszuschläge vorzuschreiben waren. Der Bw. hätte überdies die Vorschreibung des Säumniszuschlages von 72 S durch Entrichtung eines Betrages von 14354 S zum 11. Juni 1979 oder durch Einbringung eines Ansuchens um Zahlungserleichterungen eine Woche vor dem genannten Fälligkeitstag (§217 Abs2 BAO) verhindern können."

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

3. Die FLD als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet. Sie begehrt die Abweisung der Beschwerde.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides galt die BAO idF vor der Nov. BGBl. 151/1980. Alle folgenden Zitierungen beziehen sich daher auf diese Fassung.

§213 Abs4 BAO lautete damals:

"Zahlungen und sonstige Gutschriften sind, soweit §214 nicht Abweichendes bestimmt, auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten Schuldigkeiten des Abgabepflichtigen zu verrechnen."

Die Sonderbestimmungen des §214 BAO kommen hier nicht in Betracht.

§217 Abs1 BAO bestimmte:

"Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß Abs2 bis 6" (diese Bestimmungen kommen hier nicht zum Tragen) "hinausgeschoben wird. Auf Nebengebühren der Abgaben (§3 Abs2 litd) finden die Bestimmungen über den Säumniszuschlag keine Anwendung."

Nach §219 BAO beträgt der Säumniszuschlag 2 vH des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

2. Der Bf. vertritt die Meinung, daß die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und das Gesetz denkunmöglich angewendet habe.

In der Beschwerde wird folgendes fiktives Beispiel geschildert:

"Ein Abgabepflichtiger hat in einem bestimmten Jahr lediglich eine einzige Abgabe zu entrichten, beispielsweise die Einkommensteuer für das vergangene Jahr. Unter der Annahme, daß diese Abgabe etwa im März des Jahres fällig, aber von ihm bis Ende des Jahres nicht beglichen wird, wird ihm ein Säumniszuschlag, dem ja auch Strafcharakter zukommt, in der Höhe von 2 vH vorgeschrieben.

Ein anderer Abgabepflichtiger hat im betreffenden Jahr (wie der Bf.) mehrere Abgaben zu verschiedenen Fälligkeitszeitpunkten zu entrichten. Unter der Annahme, daß er mit der ersten am 10. März fällig werdenden Einkommensteuervorauszahlung in Verzug gerät, dies nicht bemerkt und dann stets pünktlich die weiteren fällig werdenden Abgaben entrichtet, würde er, wenn es sich beispielsweise noch um 10 weitere Fälligkeiten, auf die die Ausnahmeregelung des §214 Abs2 BAO nicht zur Anwendung kommt, handelt, insgesamt elfmal den Säuminszuschlag vorgeschrieben erhalten, insgesamt also eine 'Strafe' von 22 vH entrichten müssen. Obwohl er also - von der erstfälligen Abgabe abgesehen - brav seine Steuern bezahlt hat, wird er elfmal so hoch bestraft als der Abgabepflichtige im ersten Beispiel. Dieser zur Verdeutlichung unter extremeren Annahmen konstruierte Fall unterscheidet sich vom vorliegenden Fall bloß durch den Faktor, mit dem der 2prozentige Säumniszuschlag vervielfacht wird."

Es sei offensichtlich, daß ohne sachliche Berechtigung Gleiches (nämlich in beiden Fällen der einmalige Verzug der Entrichtung einer einzigen Abgabe) ungleich gehandelt werde; der bloße Zufall, ob nach diesem Verzug weitere Abgaben fällig und bezahlt werden oder nicht, entscheide.

Da Gesetze verfassungskonform auszulegen seien, komme dem Gesetz nicht der ihm von der bel. Beh. unterstellte Inhalt zu; vielmehr sei anzunehmen, daß die Bestimmung über den vorzuschreibenden Säumniszuschlag als lex specialis anzusehen sei, für die die Anrechnungsregel des §213 Abs4 nicht gelte.

Vertrete man aber den Standpunkt, daß kein Raum für eine derartige (verfassungskonforme) Interpretation der BAO bestehe, so seien die betreffenden Bestimmungen verfassungswidrig.

§219 BAO sei aber noch aus einem weiteren Grund verfassungsrechtlich bedenklich: Gerate jemand mit einer Abgabe auch nur einen Tag in Verzug, so habe er 2 vH der Abgabe als Säumniszuschlag zu entrichten; genausoviel wie jemand, der mit derselben Abgabe beispielsweise ein Jahr in Verzug ist. Hier werde ohne sachliche Rechtfertigung Ungleiches gleich behandelt. Der Eingriff in die Vermögenssphäre des Abgabepflichtigen und damit in sein Eigentum betrage, wenn man den 2prozentigen Säumniszuschlag für einen einzigen Tag Verzug auf 365 Tage umlege, 730 vH, gegenüber 2 vH, die derjenige zu zahlen hat, der ein ganzes Jahr in Verzug ist. Dieser Effekt werde durch die vorher aufgezeigte Problematik der mehrfachen Vorschreibung eines Säumniszuschlages für einen einzigen Verzug noch verstärkt.

3. a) Der Vorwurf des Bf. läßt sich dahin reduzieren, daß das Gesetz, hätte es den von der Behörde angenommenen Inhalt, als dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend verfassungswidrig sei.

Der VfGH hat diese Bedenken nicht:

Schon durch die bloße Tatsache der nicht zeitgerechten Entrichtung der Abgabe ist der Säumniszuschlag verwirkt. Auf ein Verschulden kommt es hiebei nicht an. Die Pflicht zur Entrichtung eines Säumniszuschlages trifft jeden, der eine Abgabe bis zum Fälligkeitstag nicht entrichtet und ein Ansuchen um Zahlungserleichterung nicht rechtzeitig eingebracht hat (VwGH 30. 10. 1961 Z 902/61). Der Säumniszuschlag bezweckt, die rechtzeitige Entrichtung der Abgabe zu bewirken. Gegen dieses Ziel ist nichts einzuwenden, aber auch nicht gegen die Mittel, es zu erreichen. Gegen die Anrechnungsvorschrift des §213 Abs4 BAO bringt selbst der Bf. nichts vor. Aber auch wenn bei Lösung der Frage, ob die Abgabe zeitgerecht bezahlt wurde, auf diese Anrechnungsregel zurückgegriffen wird, kann nicht der Vorwurf der Unsachlichkeit erhoben werden. Die Regelung trift eine Pauschallösung, die im Interesse der Verwaltungsökonomie liegt. Wie der VfGH schon mehrfach ausgeführt hat (vgl. zB VfSlg. 9258/1981 und die dort zitierte weitere Vorjuikatur), steht es dem Gesetzgeber zu, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu erlassen. Dadurch bewirkte, in Einzelfällen eintretende Härten müssen hiebei in Kauf genommen werden (vgl. zB VfSlg. 7996/1977). Die vom Bf. geschilderten Beispiele sind Extremfälle. So wird die Finanzbehörde kaum die Säumnis von einem Jahr auf sich beruhen lassen, in anderen Fällen aber bereits nach wenigen Tagen einschreiten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der VfGH gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat, und zwar auch dann, wenn sie den von der bel. Beh. angenommenen Inhalt haben.

b) Der Bf. könnte sohin im Eigentumsrecht und im Gleichheitsrecht nur durch eine denkunmögliche oder willkürliche Gesetzesanwendung verletzt worden sein (vgl. zB VfSlg. 9186/1981 und 9014/1981).

Derartige Vorwürfe können der Behörde jedoch nicht gemacht werden. Auch der Bf. bringt in dieser Hinsicht nichts vor.

c) Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem VwGH abzutreten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte