VfGH B76/80

VfGHB76/8026.9.1984

UStG 1972; Verletzung im Eigentumsrecht durch Festsetzung der Umsatzsteuer infolge Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Worte "die Umsätze, die unter das Kapitalverkehrssteuergesetz, Teil I (Gesellschaftssteuern), fallen, und" im §6 Z9 litb als gleichheitswidrig

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5

 

Spruch:

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit er die Umsatzsteuer für das Jahr 1974 festsetzt, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bf. war Alleininhaber einer im Handelsregister unter der Firma 'M B KG & Co' (mit dem Sitz P) eingetragenen Strickwarenfabrik. Mit Gesellschaftsvertrag vom 10. September 1974 gründete er zusammen mit der in München ansässigen GesmbH & Co KG 'M B KG & Co' (bestehend aus zwei GesmbH.) eine KG, in die der Bf. gegen Gewährung einer Kommanditbeteiligung in Höhe von 8 Millionen Schilling sein Einzelunternehmen samt Aktiven und Passiven einbrachte. Die KG - eine sogenannte "doppelstöckige" GesmbH & Co KG (bestehend aus einer GesmbH & Co KG als Komplementär ohne Einlage und F B als Kommanditist mit einer Einlage von 8 Millionen Schilling) - führt die Firma des bisherigen Einzelunternehmens fort.

Nachdem der Bf. aus der Einbringung seines Unternehmens in die neue KG keine umsatzsteuerlichen Folgerungen zog, kam es 1978 nach einer Betriebsprüfung zur Berichtigung der an den Bf. bereits ergangenen Umsatzsteuerbescheide der Jahre 1973 und 1974. Im berichtigten Umsatzsteuerbescheid 1974 behandelte das Finanzamt die Einbringung des Unternehmens in die neugegründete KG als steuerbaren Umsatz iS des §1 Abs1 Z1 UStG 1972, nämlich als Geschäftsveräußerung im ganzen (§4 Abs7: Bemessungsgrundlage ist das Entgelt für die auf den Erwerber übertragenen Gegenstände und Rechte - Besitzposten -, die Befreiungsvorschriften bleiben unberührt und übernommene Schulden können nicht abgezogen werden). Soweit die Gegenleistung für die Einbringung des Unternehmens des Bf. in die neu gegründete KG in der Übernahme von Schulden bestand, behandelte die Behörde den Umsatz als steuerpflichtig, soweit sie aber in der Gewährung von Gesellschaftsrechten bestand, als unecht umsatzsteuerfrei nach §6 Z9 litb UStG, da sie den Erwerb des Kommanditanteiles des Bf. an der neuen KG als einen iS des §6 Abs1 Z4 KVStG kapitalverkehrsteuerpflichtigen Vorgang beurteilte. Sie unterwarf den nicht umsatzsteuerfreien Teil der Umsatzsteuer und anerkannte nur in diesem Ausmaß einerseits die mit den eingebrachten Warenvorräten zusammenhängenden Vorsteuern, andererseits einen Kürzungsbetrag für eingebrachte, der Selbstverbrauchsteuer unterliegende Anschaffungen (§29 Abs10 UStG). Der gegen die Umsatzsteuerbescheide erhobenen Berufung gab die Finanzlandesdirektion für 1973 Folge, für 1974 aber nur insoweit, als sie den Wertanteil des Gesellschaftsrechtes am Gesamtwert der Gegenleistung mit 48,82 vH (Finanzamt 48,38 vH) festsetzte, wodurch sich eine Umsatzsteuer in Höhe von 1431070 S (statt 2009796 S) ergab.

2. Gegen diesen Bescheid, soweit er die Umsatzsteuer für 1974 festsetzt, richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums wegen denkunmöglicher Anwendung des §6 Abs1 Z4 KVStG gerügt wird.

Die bel. Beh. hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der VfGH ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Worte "die Umsätze, die unter das Kapitalverkehrssteuergesetz, Teil I (Gesellschaftssteuer), fallen, und" im §6 Z9 litb UStG 1972, BGBl. 223, eingeleitet. Mit Erk. vom 13. Juni 1984, G90/83-13, G106/84-9, hat er diese Worte wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben.

III. Der angefochtene Bescheid ist, soweit er die Umsatzsteuer für 1974 festsetzt und dabei die Unternehmenseinbringung gegen Gewährung von Kommanditanteilen als umsatzsteuerfrei behandelt, in Anwendung einer verfassungswidrigen Bestimmung ergangen. Er vermag sich in diesem Teil ausschließlich auf die aufgehobene Bestimmung zu stützen. Er verletzt den Bf. daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

Der Bescheid ist folglich insoweit aufzuheben.

Im Hinblick auf dieses Ergebnis ist auf das Beschwerdevorbringen, daß bei der Einbringung einer GesmbH & Co KG in eine KG zu einer sog. "doppelstöckigen" GesmbH & Co KG kein iS des §6 Abs1 Z4 KVStG steuerpflichtiger Vorgang vorliegt, zu dem im übrigen auf das jüngst ergangene Erk. des VfGH (VfGH 9. Juni 1984 B407/80-10) verwiesen sei, nicht mehr einzugehen.

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