Normen
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
AVG §36
FinStrG §93 Abs1
FinStrG §152 Abs1
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
AVG §36
FinStrG §93 Abs1
FinStrG §152 Abs1
Spruch:
1. Soweit sich die Beschwerde gegen den Hausdurchsuchungsbefehl des Finanzamtes Wr. Neustadt vom 23. Jänner 1980 richtet, wird sie zurückgewiesen.
2. Der Bf. ist durch die am 24. Jänner 1980 in seinen Kanzleiräumlichkeiten von Organen des Finanzamtes Wr. Neustadt durchgeführte Hausdurchsuchung und die bei dieser Hausdurchsuchung erfolgte Beschlagnahme von Handakten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Der Bf. ist öffentlicher Notar in K.
Das Finanzamt Wr. Neustadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz hat mit Hausdurchsuchungsbefehl vom 23. Jänner 1980 die Vornahme einer Hausdurchsuchung in der Wohnung und sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten sowie in den Wirtschafts-, Gewerbe- und Betriebsräumen des Bf. angeordnet. In der Begründung des Hausdurchsuchungsbefehles wird ausgeführt, daß gegen Klienten des Kanzleivorgängers des bf. Notars verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes von Finanzvergehen nach §33 ua. FinStrG anhängig seien. Aufgrund von konkreten Feststellungen der Behörde zum obigen Sachverhalt bestehe der begründete Verdacht, daß sich in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten und Behältnissen Gegenstände befänden, die in den obgenannten Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kämen.
Die Hausdurchsuchung wurde am 24. Jänner 1980 in den Kanzleiräumlichkeiten des Bf. durch Organe des Finanzamtes Wr. Neustadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz durchgeführt. Hiebei wurden die in der Niederschrift vom 24. Jänner 1980 angeführten Handakten beschlagnahmt.
Der Bf. bekämpft folgende Verwaltungsakte:
a) den Hausdurchsuchungsbefehl des Finanzamtes Wr. Neustadt vom 23. Jänner 1980;
b) die Hausdurchsuchung vom 24. Jänner 1980 und
c) die am 24. Jänner 1980 erfolgte Beschlagnahme von Handakten.
2. Insoweit mit der vorliegenden Beschwerde der Hausdurchsuchungsbefehl vom 23. Jänner 1980 angefochten wird, war sie aus folgenden Gründen zurückzuweisen:
Gemäß §93 Abs1 FinStrG muß der Hausdurchsuchungsbefehl schriftlich erlassen und dem Betroffenen zugestellt werden. Ein solcher schriftlicher Befehl greift in die Rechtssphäre des Betroffenen ein und gestaltet dessen Rechtslage gegenüber der Finanzstrafbehörde. Ihm kommt daher der Charakter eines Bescheides zu. Da eine gesetzliche Anordnung, mit der ein Rechtsmittel gegen einen Hausdurchsuchungsbefehl für unzulässig erklärt wird, nicht besteht, ist gegen diesen gemäß §152 Abs1 FinStrG das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig (VfSlg. 7067/1973). Der Bf. hat gegen den Hausdurchsuchungsbefehl vom 23. Jänner 1980 das ihm offenstehende administrative Rechtsmittel zwar ergriffen, aber gleichzeitig gegen den Hausdurchsuchungsbefehl vom 23. Jänner 1980 Beschwerde nach Art144 B-VG erhoben. Die Erhebung dieser Beschwerde setzt aber die Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges voraus. Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen den bezeichneten Hausdurchsuchungsbefehl richtet, war sie daher wegen Nichtzuständigkeit des VfGH infolge Nichterschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen.
Hingegen ist die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme vom 24. Jänner 1980 richtet, zulässig (s. zur Zulässigkeit das Erk. VfSlg. 10291/1984).
3. Aus Anlaß des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hat der VfGH zu G24/83 ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der §§89 bis 92 FinStrG von Amts wegen eingeleitet. Mit Erk. vom 3. Dezember 1984 wurden folgende Worte im ersten Abs. des §89 FinStrG, BGBl. 129/1958, idF des BGBl. 335/1975, als verfassungswidrig aufgehoben: "und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen können," sowie "oder zur Beweissicherung".
Wie sich aus Art140 Abs7 B-VG ergibt, bewirkt der Ausspruch des VfGH, ein Gesetz sei verfassungswidrig, daß im Anlaßfall so vorzugehen ist, als ob die Norm bereits zum Zeitpunkt der Setzung des angefochtenen Aktes nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hätte. Da die angefochtene Hausdurchsuchung und Beschlagnahme auf der als verfassungswidrig befundenen Gesetzesstelle beruht und diese Akte im übrigen auch auf keine andere taugliche Rechtsgrundlage gestützt werden können, ist auszusprechen, daß der Bf. wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
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