VfGH B3/80

VfGHB3/8024.9.1982

Art144 Abs1 B-VG; Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Plombierung eines Sprechfunkgerätes; Verletzung des Eigentumsrechtes

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
StGG Art5
FernmeldeG §8 Abs3
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
StGG Art5
FernmeldeG §8 Abs3

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist dadurch, daß am 6. Dezember 1979 in seiner Wohnung 1030 Wien, B-gasse 4b, ein Organ der Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. eine Sprechfunkanlage der Type ELME/ES 600 G plombiert hat, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde wendet sich gegen die am 6. Dezember 1979 in der Wohnung des Beschwerdeführers 1030 Wien, B-gasse 4b, durch ein Organ der Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. (Aufsichts- und Ausforschungsdienst) vorgenommene Plombierung der dem Beschwerdeführer gehörenden Sprechfunkanlage der Type ELME/ES 600 G.

Die Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. habe ihm mit Bescheid vom 11. Jänner 1977, abgeändert mit Bescheid vom 13. April 1977, den Besitz dieser Funkanlage bewilligt. Er habe das Gerät nicht betrieben; es habe keinerlei Rechtsgrundlage für die Plombierung des Gerätes bestanden. Durch den bekämpften Verwaltungsakt sei er daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Er beantragt, dies kostenpflichtig festzustellen,

2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Plombierung der Funkanlage zugibt. Sie behauptet jedoch, daß der Beschwerdeführer selbst das bei ihm (aus anderem Anlaß) vorsprechende Organ ihres Aufsichts- und Ausforschungsdienstes darauf hingewiesen habe, er besitze ein Sprechfunkgerät in unplombiertem Zustand; er habe dieses Gerät dem Postorgan bereitwillig zur Plombierung übergeben und sich gegen diese Maßnahme nicht verwahrt. Es müsse daher angenommen werden, daß er "die vorliegende Beschwerde listig provoziert" habe. Durch die Plombierung werde der Beschwerdeführer in seinem Eigentumsrecht nur insoweit behindert, als ein ihm nicht bewilligtes Errichten und Betreiben der Funkanlage verhindert werden sollte. Die Plombierung liege vor allem im eigenen Interesse des Beschwerdeführers, um ihn vor jedem Verdacht einer strafbaren Handlung (Errichten und Betreiben der Funkanlage) zu schützen. Es sei ihm trotz der Plombierung des Gerätes unbenommen geblieben, über sein Gerät zu verfügen.

Die belangte Behörde begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. 1. Der VfGH hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten der Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld., Zlen. 142.461-13/1976 und 21.720-13/1977 sowie durch Einvernahmen des einschreitenden Postorgans FI K. H. als Zeuge und des Beschwerdeführers als Partei.

2. Auf Grund dieser Beweise steht fest:

Die Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. hat dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 11. Jänner 1977, Z 142.461-13/1976 gemäß §4 Abs2 des Fernmeldegesetzes, BGBl. 170/1949 (FG) und zufolge der gemäß Bundesgesetz BGBl. 167/1972 auf Gesetzesstufe stehenden Verordnung über Privatfernmeldeanlagen BGBl. 239/1961 die Bewilligung zum Besitz eines Sprechfunkgerätes ELME/EL 600 erteilt. Mit Bescheid derselben Behörde vom 13. April 1977, Z 21.720-13/1977 wurde diese Besitzbewilligung dahin abgeändert, daß sie nunmehr für ein Sprechfunkgerät ELME/ES 600 G gilt.

Anfang Dezember 1979 sprach FI K. H. als Organ der Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. (Aufsichts- und Ausforschungsdienst) in einer anderen Angelegenheit in der Wohnung des Beschwerdeführers vor. Dem Beschwerdeführer war als Amateurfunker die Praxis der Fernmeldebehörden bekannt, Funkgeräte, für die bloß eine Besitz- jedoch keine Betriebsbewilligung vorliegt, zu plombieren. Da in seinem Fall der Verkäufer des erwähnten Gerätes offenbar vergessen hatte, die übliche Meldung der Fernmeldebehörde zu erstatten, machte er das Postorgan darauf aufmerksam, daß er die wiederholt erwähnte Sprechfunkanlage in - unplombiertem - Zustand besitze.

Der Postbeamte holte in der Folge die Weisung seines Vorgesetzten ein und sprach am 6. Dezember 1979 gegen 08.00 Uhr neuerlich in der Wohnung des Beschwerdeführers vor. Er steckte das Gerät in einen Plastiksack, verschnürte es wie ein Paket und plombierte die Schnurenden mit einer Bleiplombe. Der Beschwerdeführer hat dieser Maßnahme nicht zugestimmt, sich allerdings auch nicht gegen sie verwahrt.

Das Postorgan hatte nicht angenommen, daß der Beschwerdeführer das Gerät betrieben hätte.

Die Plombierung wurde bisher nicht aufgehoben.

3. Die Beweisergebnisse stimmen in den hier wesentlichen Punkten überein.

III. Der VfGH hat erwogen:

1. Die vorgenommene Plombierung der dem Beschwerdeführer gehörenden Sprechfunkanlage greift in seine Rechtssphäre ein (s. die folgende Z2). Dieser Eingriff erfolgte nicht mit seinem Willen. Aus dem Umstand, daß er sich dagegen nicht zur Wehr setzte, kann nicht geschlossen werden, daß er dem Verwaltungsakt zustimmte. Vielmehr war ihm als Amateurfunker die Praxis der Fernmeldebehörde bekannt, sodaß ihm jeder Protest von vornherein sinnlos erschien.

Die Plombierung der Sprechfunkanlage ist sohin ein Verwaltungsakt, der in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Beschwerdeführer gesetzt wurde. Er ist nach Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG beim VfGH anfechtbar.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. Der VfGH würdigt den festgestellten Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der geltend gemachten Verletzung des Eigentumsrechtes wie folgt:

Durch die Plombierung der Funkanlage wurde der Beschwerdeführer in der Ausübung seiner Verfügungsmöglichkeit über dieses Gerät behindert. Diese Maßnahme stellt daher einen Eingriff in sein privates Vermögensrecht, sohin in sein Eigentumsrecht dar.

Dieser Eigentumseingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der sie verfügende Verwaltungsakt ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde (ein Hilfsorgan) beim Setzen des Verwaltungsaktes eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde (ein Hilfsorgan) einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Die belangte Behörde nennt für die Plombierung des Gerätes keine Rechtsgrundlage. Auch der VfGH kann keine solche finden:

So ist es insbesondere ausgeschlossen, §8 Abs3 FG zur Deckung der bekämpften Maßnahme heranzuziehen:

Nach dieser Bestimmung "können unbefugt errichtete oder betriebene Anlagen ohne vorherige Androhung außer Betrieb gesetzt werden". Diese Vorschrift ist eine Ermessensbestimmung, die die Fernmeldebehörden und ihre Hilfsorgane ermächtigt, unbefugt errichtete oder betriebene Anlagen außer Betrieb zu setzen. Das Gesetz geht daher davon aus, daß es Fälle gibt, in denen die Außerbetriebsetzung erfolgen darf, und andere, in denen sie unzulässig ist. Die Bestimmung des §8 Abs3 FG ist keine Strafnorm. Sie hat nicht bloße Ordnungsfunktion, sondern zielt ihrem Wortlaut und Zweck zufolge darauf ab, den gesetzwidrigen Zustand aus besonderen Gründen im öffentlichen Interesse unverzüglich zu beseitigen. Von der den Fernmeldebehörden und ihren Hilfsorganen eingeräumten Ermächtigung zur Außerbetriebsetzung wird also nur dann iS des Gesetzes Gebrauch gemacht, wenn schwerwiegende öffentliche Interessen erfordern, diese Maßnahme sofort zu treffen.

In den vorgelegten Verwaltungsakten finden sich keine wie immer beschaffenen Hinweise dafür, daß diese Voraussetzungen für die hier bekämpfte Plombierung der Funkanlage vorlagen. Die belangte Behörde hat auch in ihrer Gegenschrift zu dieser Frage keine konkreten Behauptungen aufgestellt. In der Tat kann der VfGH nach Lage des Falles nicht finden, daß am 6. Dezember 1979 besondere Umstände die Annahme rechtfertigten, es sei im öffentlichen Interesse unabweislich, die Sprechfunkanlage des Beschwerdeführers ohne Verzug außer Betrieb zu setzen.

Die Plombierung ist also gesetzlos erfolgt. Der Beschwerdeführer wurde somit im Eigentumsrecht verletzt.

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