Spruch:
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Die Beschwerdeführer haben am 28. August 1981 bei der Sicherheitsdirektion für Wien die beabsichtigte Bildung eines Vereines mit dem Namen "Verband der Kraftfahrzeugversicherten" mit dem Sitz in Wien angezeigt.
§1 der vorgelegten Statuten umschreibt den Vereinszweck wie folgt:
"(1) Der Verein bezweckt, seinen Mitgliedern die Behebung und erleichterte Abwicklung von Kraftfahrzeugschäden zu ermöglichen.
(2) Der Verein ist nicht auf Gewinn gerichtet."
Der mit "Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes" überschriebene §3 der Statuten lautet:
"(1) Der Verein verfolgt seine Ziele insbesondere durch
1. Auswahl leistungsfähiger Kraftfahrzeugwerkstätten für seine Mitglieder;
2. Prüfung der Qualität der Kraftfahrzeug-Reparaturen und der Angemessenheit der Preise;
3. Beistellung von Leihwagen während der Reparaturdauer;
4. vereinfachte Verrechnung mit den Versicherungen.
(2) Alle Tätigkeiten gemäß Abs1 haben sich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu halten."
§4 der Statuten trägt die Überschrift "Mitglieder". Er bestimmt:
"(1) Ordentliche Vereinsmitglieder können alle Halter eines Kraftfahrzeuges sein.
(2) Außerordentliche Mitglieder (Förderer) können Kraftfahrzeugreparaturwerkstätten, Versicherungsgesellschaften, Versicherungsmakler und Versicherungsberater werden.
(3) Die Mitgliederaufnahme obliegt dem Vorstand."
Dem §6 Abs1 der Statuten zufolge werden die Mittel des Vereines aufgebracht insbesondere durch
"1. Beitrittsgebühren,
2. Mitgliedsbeiträge,
3. Erträgnisse von Vereinsveranstaltungen und von Beteiligungen des Vereins an anderen Gesellschaften,
4. Spenden."
b) Die Sicherheitsdirektion für Wien hat mit Bescheid vom 9. Oktober 1981 die beabsichtigte Bildung des Vereines "Verband der Kraftfahrzeugversicherten" gemäß §6 Abs1 iVm §2 des Vereinsgesetzes 1951, BGBl. 223 (im folgenden kurz: VG), untersagt.
Dieser Bescheid wurde im wesentlichen wie folgt begründet:
"Die rechtsfreundlich vertretenen Proponenten zeigten am 28. 8. 1981 der Sicherheitsdirektion für Wien die beabsichtigte Bildung des Vereines Verband der Kraftfahrzeugversicherten an. Im §1 Absatz 1 der Vereinsstatuten ist angeführt, daß der Verein bezweckt, seinen Mitgliedern die Behebung und erleichterte Abwicklung von Kraftfahrzeugschäden zu ermöglichen. Im §3 Absatz 1 Punkt 3 der Statuten wird als eines von mehreren Mitteln zur Erreichung des Vereinszweckes die Beistellung von Leihwagen während der Reparaturdauer angeführt. Diese Beistellung von Leihwagen soll offensichtlich unentgeltlich erfolgen, da andernfalls in den Statuten die Worte Vermittlung von Leihwagen oder etwa Betrieb eines Leihwagengewerbes zu wählen gewesen wären.
Die unentgeltliche Beistellung eines Leihwagens stellt ohne Zweifel einen erheblichen wirtschaftlichen Wert dar. Aus dieser Statutenbestimmung kann daher entnommen werden, daß den Vereinsmitgliedern in Fällen, wo mangels anderer Deckung (zum Beispiel Abschluß einer teureren Kraftfahrzeugversicherungsvariante mit Leihwagenanspruch) ein wirtschaftlicher Nachteil entstehen würde, dieser durch eine Leistung des Vereines ausgeglichen werden soll. Ohne auf die Frage einzugehen, ob es sich hier um ein Versicherungsgeschäft handelt, bedeutet dies, daß den Vereinsmitgliedern zweifelsfrei eine Besserstellung in ihrer wirtschaftlichen Lebenshaltung zuteil wird. Hierin aber erblickt die Vereinsbehörde eine Tätigkeit des Vereines, die nicht nach ideellen Zielsetzungen orientiert ist.
In einer vom Rechtsvertreter der Proponenten im Zuge des Bildungsverfahrens der Vereinsbehörde am 7. 10. 1981 übermittelten Stellungnahme wird der wirtschaftliche Vereinszweck sogar noch dadurch bestätigt, daß mitgeteilt wurde, daß es selbstverständlich sei, daß der Verein seinen Mitgliedern indirekt wirtschaftliche Vorteile verschaffen wolle, wie das auch bei einer Reihe anderer Vereine der Fall sei.
Daraus schließt, daß die Bestimmung des §1 Absatz 2 der Vereinsstatuten, daß der Verein nicht auf Gewinn gerichtet sei, lediglich eine inhaltslose Absichtserklärung darstellt, die mit dem normierten Vereinszweck in Widerspruch steht.
Aus den angeführten Gründen ergibt sich, daß der proponierte Verein nach seinem Zweck und seinen Einrichtungen dem §2 des Vereinsgesetzes 1951 widerspricht, weshalb seine Bildung gemäß §6 Absatz 1 leg. cit. zu untersagen war."
c) Der Bundesminister für Inneres hat der gegen den Untersagungsbescheid der Sicherheitsdirektion von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid bestätigt. In der Begründung dieses Berufungsbescheides lautet es wörtlich:
"Das Bundesministerium für Inneres als Berufungsbehörde hat erwogen:
Den Ausführungen der Sicherheitsdirektion für Wien in dem Untersagungsbescheid ist im wesentlichen beizupflichten. Ergänzend hiezu wird bemerkt:
Die Intentionen des Gesetzgebers waren zweifellos darauf gerichtet, dem Vereinsgesetz nur jene Vereine zu unterstellen, die sogenannte 'ideelle', also wissenschaftliche, kulturelle, sportliche, gesellige, religiöse, politische usw. Ziele verwirklichen wollen. Für andere, auf Gewinn gerichtete Vereine sollten das Vereinspatent 1852, RGBl. Nr. 252, bzw. andere Rechtsvorschriften maßgeblich sein. Durch den ungenauen gesetzlichen Begriff im §2 des Vereinsgesetzes ergeben sich in der Praxis vielfache und auch schwierig zu lösende Abgrenzungsprobleme, wann ein Verein eine auf Gewinn gerichtete Tätigkeit entfaltet oder nicht. Nach ho. Ansicht erhält ein Verein, der den Bestimmungen des geltenden Vereinsgesetzes unterliegt, seine Merkmale ausschließlich durch seine ideellen Zielsetzungen. Diese bestimmen und beschränken die Wahl der Mittel, die ein Verein zur Erreichung des Vereinszweckes benötigt (siehe FREUND, Vereins- und Versammlungsgesetz, S 55). Ob die Einkünfte, aber auch die Gewinne aus einer unternehmerischen Tätigkeit die Ausgaben des Vereines übersteigen dürfen (siehe JUD, ÖZW, 1980, Heft 2) oder nicht (s. FESSLER - KÖLBL, Österr. Vereinsrecht 3, S 27), ist als Unterscheidungskriterium von zweitrangiger Bedeutung. Ausschlaggebend ist, daß die Mittel (Einkünfte, Gewinne usw.) einzig und allein zur Erreichung der primären ideellen Ziele des Vereines herangezogen werden.
Die seit langem erkennbare Entwicklung, deren Ursachen hier nicht zu erörtern sind, geht nun dahin, bei der Zwecksetzung eines Vereines wirtschaftliche und ideelle Interessen zu vermengen, so daß die Frage, welche Tätigkeit nun die Lebensgrundlage des Vereines bilden soll, kaum mehr beantwortet werden kann. In den großen wirtschaftlichen Vorteilen, gleichgültig ob diese direkt oder indirekt zuteil werden, liegt daher oft das einzige und auch ausschließliche Motiv der Mitgliedschaft zu einem Verein. Es ist daher bereits ein Zugeständnis an diese Entwicklung, wenn das Bundesministerium für Inneres die Ansicht vertritt, daß dann noch von einem Idealverein gesprochen werden kann, wenn bei Wegdenken der wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder und des Vereines ideelle Zielsetzungen erkennbar sind und diese überwiegend bzw. vorrangig den Wirkungsbereich bestimmen.
Der zur Bildung angezeigte Verein sollte den Namen 'Verband der Kraftfahrzeugversicherten' führen und nachstehenden Zweck verfolgen:
'Der Verein bezweckt, seinen Mitgliedern die Behebung und erleichterte Abwicklung von Kraftfahrzeugschäden zu ermöglichen.' Bei strenger Auslegung des §4 Absatz 3 Vereinsgesetz 1951 könnte auch begründet die Ansicht vertreten werden, daß der Vereinsname keinen eindeutigen Hinweis auf den Vereinszweck gibt, was einen weiteren Untersagungsgrund bedeuten würde. Im Lichte der Judikatur des VfGH legt jedoch die Berufungsbehörde im Zweifel diese Statutenbestimmung als gesetzeskonform aus.
Der Vereinszweck gibt in seiner Kurzfassung keinen besonderen Aufschluß über die Vereinsziele, so daß zulässigerweise auch die Mittel zur Aufhellung des Vereinszweckes herangezogen werden müssen. Diese sind nach §3 der Statuten: 1. Auswahl leistungsfähiger Kraftfahrzeugwerkstätten für seine Mitglieder; 2. Prüfung der Qualität der Kraftfahrzeug-Reparaturen und der Angemessenheit der Preise; 3. Beistellung von Leihwagen während der Reparaturdauer; 4. vereinfachte Verrechnungen mit den Versicherungen.
Im Zusammenhang mit dem angegebenen Vereinszweck ergibt sich, daß dem Mitglied des Vereines nicht nur aus der Beistellung von Leihwagen, sondern aus jeder Betätigungsart des Vereines direkte vermögensrechtliche Vorteile entstehen würden. Die vom Vereinsgesetz 1951 vorausgesetzten ideellen Ziele sind jedoch hier selbst bei einer extensiven Interpretation der diesbezüglichen Statutenbestimmungen kaum erkennbar.
Das Bundesministerium für Inneres vertritt daher gleichfalls die Rechtsansicht, daß der zur Bildung angezeigte Verein 'Verband der Kraftfahrzeugversicherten' eine solche auf Gewinn gerichtete Tätigkeit entfalten wollte, die ihn der Wirksamkeit des Vereinsgesetzes 1951 entzog.
Der Hinweis des Berufungswerbers auf die Tätigkeiten anderer Vereine ist nach Ansicht des Bundesministeriums für Inneres nicht zielführend, da bei diesen angegebenen Vereinen doch die ideellen Zielsetzungen gegenüber anderen Interessen weitaus überwiegen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Vereinsfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführer traten im Administrativverfahren als Proponenten des Vereines auf, dessen beabsichtigte Bildung untersagt wurde. Sie sind beschwerdelegitimiert (vgl. zB VfSlg. 8844/1980).
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2. a) Nach §2 VG sind von der Wirksamkeit dieses Gesetzes ua. Vereine und Gesellschaften ausgenommen, "welche auf Gewinn berechnet sind".
Dem §6 Abs1 VG zufolge ist die beabsichtigte Bildung eines Vereines von der Behörde ua. dann zu untersagen, "wenn der Verein nach seinem Zweck oder nach seiner Einrichtung gesetz- oder rechtswidrig oder staatsgefährlich ist".
Jeder Bescheid, der entgegen den Bestimmungen des VG, also ohne daß eine der in §6 Abs1 VG umschriebenen Voraussetzungen vorliegt, die beabsichtigte Bildung eines Vereines untersagt, verletzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Vereinsfreiheit (vgl. zB VfSlg. 8844/1980).
b) Das VG definiert den Begriff "auf Gewinn berechnet" nicht. Aus der Umschreibung desselben oder eines ähnlichen Begriffes in anderen Rechtsvorschriften ist für die Ermittlung des Inhaltes des Gewinnbegriffes iS des VG nichts abzuleiten, da sie andere Gegenstände als das VG regeln und andere Zwecke verfolgen.
In der Lehre wird zwar seit jeher die Ansicht vertreten, das VG erfasse nur sogenannte "ideale Vereine" oder "ideelle Vereine". Daraus ist aber gleichfalls nichts abzuleiten, weil diese Ausdrücke lediglich Komplementärbegriffe zu den "auf Gewinn berechneten Vereinen" darstellen.
Es ist daher bei Feststellung des Sinnes der Wendung "auf Gewinn berechnet" von deren üblicher Bedeutung im Sprachgebrauch und vom Zusammenhang, in dem sie im VG verwendet wird, auszugehen.
Daraus ergibt sich, daß Personenvereinigungen, die darauf abzielen, einen Gewinn zu erwirtschaften (der dann Vereinsmitgliedern oder dritten Personen zugute kommen soll) oder bloß den Deckmantel für die Erwerbstätigkeit anderer Personen abzugeben, von der Wirksamkeit des VG ausgenommen sind (vgl. VfSlg. 8844/1980, S 478 und VfSlg. 4411/1963, S 234 und die dort zitierte weitere Judikatur), daß sohin gemäß §2 iVm §6 VG ihre beabsichtigte Bildung als Verein iS dieses Gesetzes zu untersagen ist.
Der Umstand allein, daß die Mitgliedschaft bei einem Verein Vorteile für die Mitglieder - auch materieller Art, etwa das Senken der Kosten ihrer Wirtschaftsführung (vgl. VfSlg. 8844/1980, S 478) - bewirkt, bedeutet demnach noch nicht, daß der Verein "auf Gewinn berechnet" ist.
Die Gesetz- oder Rechtswidrigkeit eines Vereines darf im Bildungsverfahren nur aus den der Behörde vorgelegten Statuten erschlossen werden (vgl. zB VfSlg. 2208/1951, 2334/1952). Umstände, die in der Person des Proponenten liegen, sind keine Gründe, die Vereinsbildung nach §6 Abs1 erster Satz VG zu untersagen; ebensowenig ist dies die Möglichkeit eines künftigen Mißbrauches des Vereines (vgl. VfSlg. 1735/1949, 3496/1959) oder die Vermutung der Behörde, daß der Verein eine gesetz- oder rechtswidrige Tätigkeit entfalten werde (vgl. VfSlg. 2334/1952, 4936/1965).
Im Zweifel sind Vereinsstatuten gesetzeskonform und iS der Vereinsfreiheit auszulegen (vgl. VfSlg. 8844/1980 und die dort zitierte weitere Judikatur).
c) Aus den von den Beschwerdeführern der Vereinsbehörde vorgelegten Statuten des zu bildenden Vereines "Verband der Kraftfahrzeugversicherten" ergibt sich nicht, daß er "auf Gewinn berechnet" ist:
Wohl geht aus den Statuten hervor, daß den ordentlichen Mitgliedern wirtschaftliche Vorteile bei der Behebung von Schäden an ihren Kraftfahrzeugen erwachsen, insbesondere daß sie dabei Kosten sparen sollen. In keiner Weise ist den Statuten aber zu entnehmen, daß der Verein Überschüsse erzielen und diese etwa auf die Mitglieder ausschütten will.
Ähnliches gilt für die außerordentlichen Mitglieder (etwa die Inhaber von Kraftfahrzeugwerkstätten). Die in den Statuten vorgesehene Vereinstätigkeit mag sich - als Nebeneffekt - für Gewerbetreibende wirtschaftlich positiv auswirken; diese Vorteile sind aber nicht dem Verein selbst zuzurechnen, da nicht er es ist, der im Wirtschaftsleben gewinnstrebend auftritt.
Die Behörde hat sohin die Vereinsbildung zu Unrecht untersagt. Sie hat damit die Proponenten (die Beschwerdeführer) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Vereinsfreiheit verletzt. Der angefochtene Bescheid war demnach aufzuheben.
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