Normen
B-VG Art83 Abs2
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Dienst- und GehaltsO der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956 §23
B-VG Art83 Abs2
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Dienst- und GehaltsO der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956 §23
Spruch:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer ist Beamter im Stadtvermessungsamt der Landeshauptstadt Graz. Mit Schreiben vom 14. Mai 1957 teilte er der Dienstbehörde gemäß §23 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Stadt Graz 1956, LGBl. 30/1957 (in Hinkunft: DO) mit, daß er "fallweise Nebenarbeiten im Rahmen des Vermessungswesens" ausübe. Die Erlassung eines Bescheides begehrte der Beschwerdeführer nicht. Mit Schreiben des Magistratsdirektors vom 23. Mai 1957 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, der Bürgermeister habe "mit Entschließung vom heutigen Tage keine Veranlassung gefunden, dem techn. Adjunkt H.L. die Ausübung der angezeigten Nebenbeschäftigung zu untersagen".
Im Jahre 1977 wurde - bei unverändertem Sachverhalt - die Frage der Vereinbarkeit der Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers mit §23 Abs1 DO von der Behörde neuerlich geprüft und mit Bescheid des Bürgermeisters vom 12. April 1978 die "mit Entschließung" des Bürgermeisters seinerzeit zur Kenntnis genommene Nebenbeschäftigung gemäß §23 Abs1 DO "auf Gebiete außerhalb der Stadt Graz eingeschränkt".
Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 29. November 1978 abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid - soweit er die Ausübung der Nebenbeschäftigung untersagt - richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsausübung geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Nach §100 Abs2 des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967, LGBl. 130, in der Fassung LGBl. 9/1973, findet gegen Bescheide des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz eine Vorstellung an die Aufsichtsbehörde nicht statt. Der Instanzenzug ist daher erschöpft.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2. Nach §23 Abs1 DO ist eine Nebenbeschäftigung, die der Erfüllung des Dienstes Abbruch tut, ihrer Natur nach die volle Unbefangenheit im Dienste beeinträchtigen kann oder dem Anstand und der Würde eines Beamten der Landeshauptstadt Graz widerstreitet, untersagt.
Nach Abs2 ist eine ausdrückliche Bewilligung der Ausübung einer Nebenbeschäftigung nicht erforderlich, doch ist der Beamte verpflichtet, vor Übernahme einer Nebenbeschäftigung dem Bürgermeister im Dienstwege hievon schriftlich Mitteilung zu machen. Dieser hat die Übernahme der Nebenbeschäftigung zu untersagen, wenn er sie nach Abs1 für unstatthaft hält. Das Unterlassen der vorgeschriebenen Mitteilung sowie die Ausübung einer untersagten Nebenbeschäftigung sind disziplinär zu ahnden.
Gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden. Der VfGH hat bereits im Erk. VfSlg. 7896/1976 zum Ausdruck gebracht, daß er gegen diese Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt.
3. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 8495/1979 und die dort angeführte Vorjudikatur) wäre der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, wenn die Behörde bei unverändertem Sachverhalt ungeachtet der Rechtskraft einer hierüber bereits früher ergangenen Entscheidung neuerlich in der Sache entscheiden würde.
Das ist jedoch hier deshalb nicht der Fall, weil dem auf einer "Entschließung" des Bürgermeisters beruhenden Schreiben der Magistratsdirektion vom 23. Mai 1957 kein Bescheidcharakter zukommt.
Ungeachtet dessen, daß das Schreiben nicht in der für Bescheide grundsätzlich vorgesehenen Form ergangen ist, könnte es nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 7202/1973, 7436/1974 und 8560/1979) dann als Bescheid angesehen werden, wenn die Behörde durch den Inhalt des Schreibens dem Beschwerdeführer gegenüber die Bewilligung zur Ausübung der Nebenbeschäftigung bindend erteilt hätte. Eine derartige Wirkung kann dem Schreiben - abgesehen von seiner Formlosigkeit - auch vor dem Hintergrund des §23 Abs2 DO nicht beigemessen werden, weil nach dieser Bestimmung eine ausdrückliche Bewilligung zur Ausübung einer Nebenbeschäftigung nicht erforderlich ist; die Ausübung der Nebenbeschäftigung wäre auch dann zulässig, wenn die Behörde dem Beamten kein derartiges Schreiben zukommen läßt. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer die Erlassung eines Bescheides auch nicht beantragt hat (vgl. in diesem Zusammenhang VfSlg. 8258/1978, S 117).
4. Das durch Art6 StGG gewährleistete Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung steht unter dem Gesetzesvorbehalt. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8303/1978) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Erwerbsbetätigung durch den in seine Erwerbsbetätigung eingreifenden angefochtenen Bescheid nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Rechtsvorschriften in denkunmöglicher Weise angewendet hätte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Ausübung der Nebenbeschäftigung teilweise untersagt. Die Behörde hat ihre Entscheidung, wonach die Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers ihrer Art nach seine volle Unbefangenheit im Dienst beeinträchtigen kann, im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer (auf dem Gebiet der Landeshauptstadt Graz) sowohl im Rahmen seiner Nebenbeschäftigung als auch in seiner Amtstätigkeit mit ein und derselben Liegenschaft befaßt sein könnte.
Der Beschwerdeführer tritt dieser Argumentation der belangten Behörde mit der Behauptung entgegen, er könne auf Grund seiner dienstrechtlichen Stellung weder Rechtshandlungen für die belangte Behörde setzen, noch sei er mit Aufgaben der Verwaltung der belangten Behörde betraut, die mit seiner Nebenbeschäftigung kollidieren könnten; dies insbesondere deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Nebenbeschäftigung nur eine untergeordnete Gehilfentätigkeit ausübe, die in der Verfertigung von Plänen bestehe, welche von dem als Auftraggeber auftretenden befugten Zivilingenieur im Rahmen von dessen Befugnis verfaßt und beglaubigt würden. Da sich der Beschwerdeführer auf der einen Seite im Rahmen seiner Nebenbeschäftigung an die ihm erteilten Aufträge des Ziviltechnikers zu halten habe, andererseits im Rahmen seiner Tätigkeit im Stadtvermessungsamt an die bestehenden Beschlüsse der Organe der Landeshauptstadt Graz gebunden sei, bleibe für die Ausübung einer Parteilichkeit kein Raum, und der Beschwerdeführer habe gar keine Möglichkeit, "sich im Dienste der Parteilichkeit oder der Unbefangenheit zu befleißigen".
Nach §23 Abs1 DO ist es für die Untersagung der Nebenbeschäftigung nicht erforderlich, daß eine tatsächliche Befangenheit des Beamten eintreten muß oder daß er auf Grund seiner Nebenbeschäftigung (sogar) in die Lage versetzt wird, behördliche Entscheidungen in einer bestimmten Richtung zugunsten einer Seite zu beeinflussen (vgl. auch VwGH 30. 6. 1977 Z 2496/76); ebensowenig ist es von Belang, wie groß der Einfluß des betreffenden Beamten in bestimmten behördlichen Verfahren tatsächlich ist. Es genügt vielmehr, daß die Nebenbeschäftigung ihrer Natur nach die volle Unbefangenheit im Dienste beeinträchtigen kann.
Der VfGH kann nicht finden, daß die Schlußfolgerung der belangten Behörde, wonach eine derartige Beeinträchtigung der vollen Unbefangenheit im Hinblick auf die mögliche Befassung des Beschwerdeführers mit ein und derselben Liegenschaft sowohl im Rahmen seiner Nebenbeschäftigung als auch bei seiner Amtstätigkeit eintreten kann, denkunmöglich ist. Im übrigen hat der Beschwerdeführer nicht bestritten, daß ein solcher Fall (Befassung mit derselben Liegenschaft anläßlich beider Tätigkeiten) eintreten kann.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, daß sich seine dienstliche Tätigkeit nur auf drei Bezirke von Graz erstrecke, während ihm die Ausübung der Nebenbeschäftigung für ganz Graz untersagt worden sei, genügt der Hinweis, daß es keineswegs ausgeschlossen werden kann, daß sich der Beschwerdeführer auch mit Fällen aus anderen Bezirken in irgendeiner Weise dienstlich zu befassen hat und in die betreffenden Aktenvorgänge Einsicht erhält. Im übrigen würde - wenn man dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgt - dies eine Einschränkung der dienstlichen Verwendungsmöglichkeit des Beschwerdeführers mit sich bringen.
Ein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit liegt daher schon deshalb nicht vor, sodaß auf das übrige, weitwendige Vorbringen in der Beschwerde nicht weiter eingegangen zu werden braucht.
Ob die Behörde bei ihrer Entscheidung das Gesetz auch richtig angewendet hat, ist vom VfGH nicht zu prüfen.
5. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
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