Normen
B-VG Art83 Abs2
FinStrG §154
FinStrG §165 Abs3
FinStrG §173
B-VG Art83 Abs2
FinStrG §154
FinStrG §165 Abs3
FinStrG §173
Spruch:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit dem Erk. des Spruchsenates beim Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 20. Dezember 1976, Z 80.875/76-Str IV/Zi/Dr.Bl, wurden über S.A. - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - wegen des Finanzvergehens des vollbrachten Schmuggels nach §35 Abs1 FinStrG gemäß §35 Abs4 FinStrG eine Geldstrafe von 36.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit 46 Tage Ersatzfreiheitsstrafe und eine zusätzliche Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verhängt. Zugleich wurde auf Verfall von Gegenständen erkannt und die Höhe der zu ersetzenden Verfahrenskosten mit 3.600 S bestimmt.
Laut der gemäß §135 FinStrG über die mündliche Verhandlung aufgenommenen Niederschrift verzichteten der Beschuldigte und der Amtsbeauftragte nach Verkündung des Straferkenntnisses ausdrücklich auf Rechtsmittel; des weiteren erklärte sich der Bestrafte mit der Heranziehung sichergestellter Geldbeträge und Wertpapiere zur sofortigen Abdeckung der Geldstrafe und der Verfahrenskosten einverstanden. Demzufolge wurde die verhängte Geldstrafe noch am 20. Dezember 1976 erlegt (bezahlt).
Am 9. Jänner 1977 verstarb der Bestrafte.
1.2.1. Am 11. März 1977 beantragten A.E. und D.E. als Erben des Verstorbenen beim Zollamt Wien die Wiederaufnahme und zugleich die nachträgliche Einstellung des Finanzstrafverfahrens "infolge Ablebens des Beschuldigten", ferner die Unwirksamerklärung des abgegebenen Rechtsmittelverzichts und die Einstellung des Finanzstrafverfahrens nach §173 FinStrG.
1.2.2. Mit Bescheid des Spruchsenats beim Zollamt Wien als Organ der Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 29. März 1977, Z 80875/76-Str IV/Zi/Dr.Bl, wurden diese Anträge abgewiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die Erben seien zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrags nicht legitimiert, weil Geldstrafen, Wertersätze und Kosten auf sie nicht übergegangen seien, zumal der Beschuldigte die Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens bezahlt und die Behörde erster Instanz Wertersätze gar nicht ausgesprochen habe. Ferner führte der Spruchsenat aus, der verstorbene Beschuldigte sei der englischen Sprache mächtig gewesen, es sei der Verhandlung ein Dolmetsch für die englische Sprache beigezogen und kein wie immer gearteter Zwang zur Abgabe des Rechtsmittelverzichts ausgeübt worden.
1.2.3. Der gegen diesen Bescheid von A.E. und D.E. erhobenen Beschwerde wurde mit Entscheidung des Berufungssenates bei der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 30. Jänner 1978, Z GA 14-E-50/1/3/1977, nicht Folge gegeben.
1.3.1. Gegen diesen Bescheid des Berufungssenates richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des A.E. und des D.E. an den VfGH, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, insbesondere des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
1.3.2. Der Berufungssenat bei der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.
2. Über die Beschwerde wurde erwogen:
2.1. Gemäß §164 FinStrG ist gegen Rechtsmittelentscheidungen der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz ein weiteres ordentliches Rechtsmittel nicht gegeben. Der Instanzenzug ist damit erschöpft.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2.2.1. Mit Bescheid der Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 29. März 1977 wurden die Anträge der beiden Beschwerdeführer "abgewiesen". Aus den Gründen dieses Bescheides erhellt jedoch, daß die Behörde sich dabei im Ausdruck vergriff; sie hätte ihre Entscheidung prozeßtechnisch richtig als "Zurückweisung" bezeichnen müssen, weil die Antragslegitimation der Antragsteller verneint wurde (vgl. VfSlg. 7920/1976, 8249/1978, 8251/1978). Mit Bescheid der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 30. Jänner 1978 wurde folglich die Beschwerde gegen einen die Anträge der Beschwerdeführer der Sache nach zurückweisenden Bescheid als unbegründet abgewiesen. Dabei ist dieser - verfahrensrechtliche - zweitinstanzliche Bescheid so zu werten, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte (vgl. zB VfSlg. 6016/1969, 6486/1971, 8098/1977). Gegenstand des vor dem VfGH angefochtenen zweitinstanzlichen Bescheides ist somit die Zurückweisung eines Antrages wegen Fehlens der Antragslegitimation, daher die Verweigerung einer Sachentscheidung.
Hätte die Behörde die Anträge der Beschwerdeführer rechtswidrig zurückgewiesen, wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden (s. zB VfSlg. 7004/1973, 7171/1973, 8098/1977).
Der VfGH mußte daher prüfen, ob die Auffassung der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführer im Finanzstrafverfahren gegen S.A. in ihrer Eigenschaft als Erben des Beschuldigten zur Antragstellung nicht legitimiert gewesen seien, dem Gesetz entspricht.
2.2.2. §173 FinStrG hat folgenden Wortlaut:
"Stirbt der Beschuldigte vor Eintritt der Rechtskraft des Erk. (der Strafverfügung), so ist das Strafverfahren einzustellen. Stirbt der Bestrafte erst nach Rechtskraft des Erk. (der Strafverfügung), so geht die Verbindlichkeit zur Entrichtung von Geldstrafen, Wertersätzen und Kosten auf die Erben über."
Abs3 des mit "Wiederaufnahme des Verfahrens" überschriebenen §165 FinStrG lautet:
"Antragsberechtigt sind die Beschuldigten und die Nebenbeteiligten des abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens ... Einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens können auch Erben des Beschuldigten stellen, wenn die Verbindlichkeit zur Entrichtung der dem Beschuldigten auferlegten Geldstrafe oder des Wertersatzes auf sie übergegangen ist (§173)."
2.2.3. Die belangte Behörde geht ersichtlich von der zutreffenden Rechtsauffassung aus, daß Erben in dieser Eigenschaft in einem Finanzstrafverfahren, das gegen den Erblasser anhängig war, nur insoweit antragsberechtigt sind, als ihnen das Gesetz eine Antragslegitimation ausdrücklich zuerkennt. Nach den hier allein in Betracht kommenden §§165 Abs3, 173 FinStrG sind Erben zur Stellung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens dann legitimiert, wenn die Verbindlichkeit zur Entrichtung der Geldstrafe oder des Wertersatzes auf sie überging, was wieder voraussetzt, daß der Bestrafte erst nach Eintritt der Rechtskraft des (Straf-)Erk. verstarb.
Es erhebt sich daher zunächst die Frage, ob das am 20. Dezember 1976 verkündete Straferkenntnis - gegen das die innerhalb eines Monats zu ergreifende Berufung offenstand (§150 FinStrG) - noch vor dem Ableben des Beschuldigten (am 9. Jänner 1977) rechtskräftig wurde. Die belangte Behörde stellte dazu fest, daß der Beschuldigte auf Rechtsmittel verzichtet habe. Nach der Aktenlage gab der Beschuldigte eine ausdrückliche Rechtsmittelverzichtserklärung unmittelbar nach Verkündung des Straferkenntnisses zu Protokoll. Im Verfahren kam nichts hervor, was Zweifel an der Richtigkeit der hierüber aufgenommenen Niederschrift hervorzurufen vermöchte: Das dem Rechtsmittelverzicht gewidmete Beschwerdevorbringen erschöpft sich in Wahrheit in bloßen nachträglichen spekulativen Mutmaßungen (über die für die Rechtsmittelverzichtserklärung maßgebenden Motive, die damalige psychische Situation und die Englischkenntnisse des Beschuldigten), die jeder inneren Wahrscheinlichkeit entbehren und im Akteninhalt keine Deckung finden. Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides ausführt, war der Beschuldigte der englischen Sprache hinreichend mächtig. Ein Dolmetsch für Englisch nahm aber laut Protokoll an der gesamten mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 1976 teil. Im Verhandlungsprotokoll ist auch unbedenklich festgehalten, daß ua. das Erk. und die Rechtsmittelbelehrung dem Beschuldigten vom Dolmetsch übersetzt wurden. Hierauf erst gab der Beschuldigte einen Rechtsmittelverzicht ab. Ein derartiger Verzicht bedarf keiner besonderen Form, er muß lediglich - wie hier - ausdrücklich erklärt werden (s. auch VfSlg. 4462/1963, 7425/1974).
Demnach wurde das Straferkenntnis infolge des vom Beschuldigten - ebenso wie vom Amtsbeauftragten - wirksam erklärten Rechtsmittelverzichts bereits am 20. Dezember 1976 rechtskräftig. Da der Bestrafte die Geldstrafe noch am selben Tag bezahlte, somit eine Rechtspflicht zur Entrichtung dieser Strafe im Zeitpunkt seines Ablebens am 9. Jänner 1977 nicht mehr bestand, kam es auch nicht zum Übergang der Verbindlichkeit auf die Erben, wie ihn eine Antragsbefugnis nach §165 Abs3 FinStrG zwingend verlangt: Die belangte Behörde handelte also gesetzmäßig, wenn sie dem gegen den (Zurückweisungs-)Bescheid der ersten Instanz gerichteten Rechtsmittel nicht Folge gab und damit die Anträge der beiden Beschwerdeführer im Finanzstrafverfahren gegen S.A. mangels Antragslegitimation zurückwies.
2.2.4. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt wurden.
2.3. Daß die den angefochtenen Bescheid vom 30. Jänner 1978 tragenden Rechtsvorschriften verfassungswidrig seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht. Auch der VfGH hegt aus der Sicht dieses Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken.
Wies aber die belangte Behörde die in Rede stehenden Anträge im Finanzstrafverfahren gegen S.A. auf Grund verfassungsrechtlich unbedenklicher Rechtsvorschriften - durch Bestätigung des erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheids - zu Recht zurück (s. 2.2.4.), ist es ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden (VfSlg. 7515/1975, 7873/1976, 8144/1977, 8406/1978).
Auf die weitwendigen Beschwerdeausführungen, die sich mit dem Finanzstrafverfahren gegen S.A. und dem dieses Verfahren abschließenden Erk. des Spruchsenates erster Instanz vom 20. Dezember 1976 befassen, konnte der VfGH hier nicht eingehen, weil dieses Straferkenntnis nicht Gegenstand der in Prüfung stehenden Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG ist. Demgemäß mußten auch die Einwendungen der beiden Beschwerdeführer gegen die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen des gegen S.A. ergangenen Straferkenntnisses als unbeachtlich auf sich beruhen.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
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