VfGH B73/77

VfGHB73/771.3.1980

Denkmalschutzgesetz; keine Bedenken gegen §§1, 3 und 4 Abs1; keine denkunmögliche Gesetzesanwendung; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Normen

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
DenkmalschutzG §1, §1 Abs1, §1 Abs2
DMSG §3
DenkmalschutzG §4 Abs1 idF vor Nov 167/1978, §4 Abs2
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
DenkmalschutzG §1, §1 Abs1, §1 Abs2
DMSG §3
DenkmalschutzG §4 Abs1 idF vor Nov 167/1978, §4 Abs2

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit Kaufvertrag vom 30. Mai 1974 bzw. 14. Juni 1974 hat die Stadt Linz den in ihrem Eigentum befindlichen Befestigungsturm IX in L. an den Beschwerdeführer veräußert.

Mit Bescheid vom 23. Feber 1976 wies das Bundesdenkmalamt die Anträge des Beschwerdeführers und der Stadt Linz auf nachträgliche Erteilung der Zustimmung zum Verkauf des Befestigungsturmes IX gem. §4 Abs1 Denkmalschutzgesetz, BGBl. 533/1923 (in der hier maßgeblichen Fassung vor der Nov. BGBl. 167/1978), ab.

Mit Bescheid vom gleichen Tag (23. Feber 1976) stellte das Bundesdenkmalamt - obwohl eine solche Feststellung im Denkmalschutzgesetz nicht vorgesehen ist - fest, daß die Erhaltung des Befestigungsturmes IX gem. §§1 und 3 des Denkmalschutzgesetzes im öffentlichen Interesse gelegen ist.

2. Gegen den die Zustimmung zum Verkauf verweigernden Bescheid des Bundesdenkmalamtes erhoben sowohl der Beschwerdeführer als auch die Stadt Linz Berufung. Der Beschwerdeführer führte in seiner Berufung aus, inwieweit die Erhaltung des Turmes IX tatsächlich im öffentlichen Interesse stehe, werde in einer abgesonderten Berufung geltend gemacht werden. Ungeachtet dessen erscheine der angefochtene Bescheid über die Verweigerung der Zustimmung zur Veräußerung des Befestigungsturmes IX rechtswidrig, weshalb er den Berufungantrag stelle, den angefochtenen Bescheid wegen formeller und inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben und dem Bundesdenkmalamt zur neuerlichen Verfahrensdurchführung und Entscheidung zuzuleiten oder selbst zu entscheiden und den Bescheid dahin gehend abzuändern, daß die beantragte nachträgliche Zustimmung zur Veräußerung erteilt werde.

Mit Bescheid vom 10. Jänner 1976 (richtig: 1977) erteilte der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung gem. §4 Abs1 Denkmalschutzgesetz die Zustimmung zum Verkauf des Befestigungsturmes. Im selben Bescheid stellte der Bundesminister gem. §4 Abs2 Denkmalschutzgesetz überdies fest, daß an der Erhaltung des Befestigungsturmes IX ein öffentliches Interesse besteht.

3. Gegen den zweiten Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 23. Feber 1976 (betreffend die Feststellung, daß ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Befestigungsturmes besteht) hat der Beschwerdeführer Vorstellung erhoben. Das Bundesdenkmalamt hat daraufhin mit Bescheid vom 13. November 1976 neuerlich festgestellt, daß die Erhaltung des Turmes im öffentlichen Interesse gelegen ist. Über eine gegen diesen Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom Beschwerdeführer erhobene Berufung hat - wie der Gegenschrift zu entnehmen ist - der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung noch nicht entschieden.

4. Gegen den gesamten Inhalt des Bescheides des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 10. Jänner 1977 richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht sowie verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmungen der §§1 Abs2, 4 Abs1 sowie 7 Abs1 Denkmalschutzgesetz vorgebracht werden.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der VfGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß gegen die §§1 und 3 des Denkmalschutzgesetzes - welche die materielle Grundlage des angefochtenen Bescheides bilden - keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, insb. auch nicht unter dem Blickpunkt des Art5 StGG (s. zB VfSlg. 7306/1974 und die dort angeführte Vorjudikatur). Die erwähnten Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes enthalten Eigentumsbeschränkungen (s. dazu VfSlg. 5991/1969). Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. dazu VfSlg. 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur) gilt der erste Satz des Art5 StGG, wonach das Eigentum unverletzlich ist, auch für Eigentumsbeschränkungen; allerdings bezieht sich auch auf diese der im zweiten Satz dieses Artikels festgelegte Gesetzesvorbehalt. Der Gesetzgeber kann daher verfassungsrechtlich einwandfreie Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums berührt oder in einer anderen Weise gegen einen den Gesetzgeber bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt. Dies trifft - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - bei den in Rede stehenden Gesetzesbestimmungen jedoch keineswegs zu.

Der VfGH hegt auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §4 Abs1 Denkmalschutzgesetz, auch nicht gegen die Worte "jede Veränderung" unter dem Blickwinkel des Art18 Abs1 B-VG. Eine Veränderung, welche den Bestand, die überlieferte Erscheinung oder künstlerische Wirkung eines Denkmals beeinflussen könnte, ist objektiv feststellbar und somit auch im Rechtsmittelverfahren einer Überprüfung zugänglich. Von einer nicht hinreichenden Determinierung kann somit keine Rede sein.

Die Bestimmung des §7 Denkmalschutzgesetz wurde von der belangten Behörde nicht angewendet und war auch nicht anzuwenden. Auf das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers ist somit mangels Präjudizialität nicht einzugehen.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt.

Hiezu ist zunächst festzustellen, daß die Behörde zurecht davon ausgegangen ist, daß die Übertragung des Eigentums am Befestigungsturm IX von der Stadt Linz an den Beschwerdeführer der behördlichen Zustimmung bedarf. Zwar gelten die im Denkmalschutzgesetz enthaltenen Beschränkungen gem. §1 Abs1 nur für Denkmäler, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist. §4 Abs1 Denkmalschutzgesetz, wonach die Zustimmung des Bundesdenkmalamtes zur Veräußerung eines Denkmals (ohne ausdrückliche Bezugnahme auf dessen Erhaltungswürdigkeit) von der öffentlichen Hand in das Privateigentum erforderlich ist, muß aber sinngemäß dahin interpretiert werden, daß der Verkauf von Denkmälern von der öffentlichen Hand in das Privateigentum in jedem Fall ohne Rücksicht auf die Erhaltungswürdigkeit der Zustimmung des Bundesdenkmalamtes bedarf; ansonsten wäre die Bestimmung des §4 Abs2 Denkmalschutzgesetz sinnlos, wonach bei Erteilung der Zustimmung zugleich festzustellen ist, ob ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Denkmals besteht.

Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang auch vor, der angefochtene Bescheid stelle einen Rechtszustand her, der weder von den Parteien des seinerzeitigen Kaufvertrages noch von den Rechtsmittelwerbern im Verwaltungsverfahren angestrebt worden sei. Sinn der Rechtsmittel der Stadt Linz und des Beschwerdeführers sei es gewesen, daß entweder der Befestigungsturm IX unter Denkmalschutz gestellt und die Erteilung der Zustimmung zum Verkauf verweigert werde oder aber der Ausspruch des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Turmes entfällt, der Turm also nicht unter Denkmalschutz gestellt und daher auch der Veräußerung der Liegenschaft an den Beschwerdeführer nachträglich zugestimmt werde. Nach der Entscheidung der belangten Behörde werde nämlich die Stadt Linz aus ihrer im §3 (richtig: §2) Denkmalschutzgesetz festgelegten Verantwortung für die Erhaltung des Befestigungsturmes IX entlassen, der Eigentumsübergang an den Beschwerdeführer genehmigt, dem Beschwerdeführer jedoch gleichzeitig die unzumutbare und unerschwingliche Last des Denkmalschutzes auferlegt. Da die belangte Behörde damit einen Rechtszustand geschaffen habe, der von niemandem angestrebt worden sei, liege ein Verstoß "gegen die im Verwaltungsverfahren und insbesondere im Rechtsmittelverfahren bestehenden Grundsätze" vor, womit das "gesetzlich gewährleistete Recht auf den ordentlichen Richter und eine gesetzmäßige Entscheidung" verletzt worden sei.

Zu diesem Vorbringen des Beschwerdeführers ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den die Zustimmung zum Verkauf verweigernden Bescheid des Bundesdenkmalamtes davon ausgegangen ist (s. o. unter Punkt I 2), daß der Bescheid des Bundesdenkmalamtes "ungeachtet dessen", inwieweit die Erhaltung des Befestigungsturmes IX tatsächlich im öffentlichen Interesse steht, rechtswidrig sei; im Berufungsantrag hat der Beschwerdeführer für den Fall, daß die Berufungsbehörde in der Sache selbst entscheidet, die Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides dahin gehend beantragt, daß die nachträgliche Zustimmung zur Veräußerung erteilt werde. Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung nicht zum Ausdruck gebracht, daß er die Genehmigung des Kaufvertrages ausschließlich unter der Voraussetzung begehrt, daß zugleich erklärt wird, daß kein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Befestigungsturmes IX besteht, obwohl er aufgrund des §4 Abs2 Denkmalschutzgesetz damit rechnen mußte, daß die Behörde im Falle der Erteilung der Zustimmung zum Verkauf zugleich feststellt, daß ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Denkmals besteht. Wenn der Beschwerdeführer mit seiner Berufung einen anderen als den dann aufgrund der Berufungsentscheidung eingetretenen Rechtszustand angestrebt hat, so hat er dies jedenfalls in seiner Berufung nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht.

Es liegt daher unter diesem Gesichtspunkt kein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vor.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, das Bundesdenkmalamt, dem die Aufsicht und Pflege betreffend Denkmäler und die Wahrung des Denkmalschutzes obliege, werde "zum Richter in eigener Sache erhoben", wenn es gem. §1 Abs2 Denkmalschutzgesetz selbst darüber zu entscheiden habe, ob ein Interesse an der Erhaltung von bestimmten Gegenständen wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen oder kulturellen Bedeutung bestehe, womit der Beschwerdeführer offenbar zum Ausdruck bringen will, das Bundesdenkmalamt sei gleichsam befangen, ist folgendes zu bemerken:

Der Umstand, daß das Bundesdenkmalamt selbst Aufgaben der Denkmalpflege wahrzunehmen hat und ihm die Überwachung der Durchführung der Denkmalpflege durch die Eigentümer von Denkmälern obliegt, steht der Einräumung behördlicher Befugnisse an das Bundesdenkmalamt im Rahmen des Denkmalschutzes nicht entgegen. Es gibt keine Bestimmung der Bundesverfassung, welche es verbietet, daß eine Behörde, die bestimmte, ihr vom Gesetz aufgetragene Interessen wahrzunehmen hat, in diesen Angelegenheiten im Rahmen ihrer Zuständigkeit Bescheide erläßt.

Es liegt also auch unter diesem Gesichtspunkt kein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vor.

4. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers ein (s. hiezu die unter Punkt II 1 angeführte Rechtsprechung des VfGH). Bei der Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides wäre der Beschwerdeführer im Eigentumsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. zB VfSlg. 7458/1974) nur dann verletzt, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.

Das ist jedoch nicht der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (s. zB VwSlg. 8950 A/1975) ist in einem Verfahren nach den §§1 und 3 Denkmalschutzgesetz das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Gegenstandes ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der geschichtlichen, künstlerischen oder kulturellen Bedeutung dieses Gegenstandes zu prüfen, während die technische Möglichkeit der (weiteren) Erhaltung des Gegenstandes auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, die Kosten einer solchen Erhaltung und die Wirtschaftlichkeit der Aufwendung solcher Kosten hier außer Betracht zu bleiben hätten. Insb. habe keine Abwägung möglicherweise widerstreitender öffentlicher Interessen (an der Erhaltung wegen geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung) und etwa nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteter privater oder auch von anderen staatlichen Stellen (zB der Baubehörde) wahrzunehmender öffentlicher Interessen anderer Art stattzufinden.

Die belangte Behörde hat daher nicht denkunmöglich gehandelt, wenn sie die Ausführungen in der Berufung, die auf eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers und des derzeitigen Bauzustandes des Befestigungsturmes IX (Renovierungsbedürftigkeit, Unbewohnbarkeit) abzielten, als für die Entscheidung nicht wesentlich behandelt hat.

5. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

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