VfGH B374/78

VfGHB374/7812.3.1980

Nö. Jagdgesetz; keine Bedenken gegen §6 Abs1, §7, §9 Abs1 und 2 und §12; keine denkunmögliche Anwendung; keine Willkür

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art15 Abs1
StGG Art5
Nö JagdG 1974 §6 Abs1
Nö JagdG 1974 §7
Nö JagdG 1974 §9 Abs1, §9 Abs2
Nö JagdG 1974 §12
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art15 Abs1
StGG Art5
Nö JagdG 1974 §6 Abs1
Nö JagdG 1974 §7
Nö JagdG 1974 §9 Abs1, §9 Abs2
Nö JagdG 1974 §12

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit Schriftsatz vom 29. Juni 1977 stellte die Beschwerdeführerin in der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha den Antrag auf Feststellung, daß ihr auf näher umschriebenen Grundflächen im Gebiet der Gemeinde P. (im Gesamtausmaß von 124 ha 94 a 31 Quadratmeter, davon in der KG W. 106 ha 02 a 61 Quadratmeter und in der KG D.-H. 18 ha 91 a 70 Quadratmeter) die Befugnis zur Eigenjagd zustehe. Des weiteren beantragte sie, ihr auf weiteren näheren angeführten Grundflächen (Ausmaß 109 ha 20 a 53 Quadratmeter) ein Vorpachtrecht zuzuerkennen.

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid der Nö. Landesregierung vom 12. Mai 1978, Z VI/4-J-56/3-1978, wurde in diesen Anträgen gem. §66 Abs4 AVG 1950 iVm §§6, 9, 12 des Nö. Jagdgesetzes 1974 (Nö. JG) idF der 2. Nov., LGBl. 6500-2, keine Folge gegeben.

2. Gegen den Berufungsbescheid der Nö. Landesregierung richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Es wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. VfGH hat erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur dann verletzt, wenn dieser auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht oder wenn er gesetzlos ist, wobei die denkunmögliche Anwendung eines Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird (vgl. VfSlg. 7891/1976).

2. a) Der VfGH hat wiederholt ausgesprochen (vgl. VfSlg. 7891/1976 und die dort angeführte Vorjudikatur), daß das Jagdrecht ein aus dem Eigentum an Grund und Boden fließendes Privatrecht ist; seine Ausübung kann jedoch im allgemeinen Interesse der Jagdwirtschaft und der Jagdpolizei durch die Landesgesetzgebung geregelt und damit eingeschränkt werden.

b) Nach §6 Abs1 Nö. JG steht die Befugnis zur Eigenjagd in der Regel dem Eigentümer einer zusammenhängenden Grundfläche von mindestens 115 ha zu, welche eine für die zweckmäßige Ausübung der Jagd geeignete Gestaltung und insb. Breite besitzt (Eigenjagdgebiet). §9 enthält nähere Bestimmungen über die Voraussetzungen, unter denen eine Grundfläche als zusammenhängend zu betrachten ist. So ist nach §9 Abs1 letzter Satz der jagdrechtliche Zusammenhang von Grundflächen auch dann gegeben, wenn sie nur in einem Punkt zusammenstoßen.

Nach §9 Abs2 wird, wenn Teile einer Grundfläche durch den Längenzug von Grundstücken, die zwischen fremden Gründen liegen, verbunden werden, der für die Bildung eines Eigenjagdgebietes erforderliche Zusammenhang dadurch nur dann hergestellt, wenn die die Verbindung bildenden Grundstücke infolge ihrer Breite und übrigen Gestaltung für die zweckmäßige Ausübung der Jagd geeignet sind.

Auf Grundflächen, die nicht ein Eigenjagdgebiet oder ein Jagdgehege iS des §7 Nö. JG sind, steht die Jagdausübung der Jagdgenossenschaft zu.

Nach §12 Nö. JG sind die Eigenjagd- und Genossenschaftsjagdgebiete von der Bezirksverwaltungsbehörde festzustellen.

c) Die angeführten Bestimmungen enthalten nicht - wie die Beschwerdeführerin meint - Regelungen über die Enteignung des mit dem Eigentum an Grund und Boden untrennbar verbundenen Jagdrechtes, sondern Beschränkungen für die Ausübung des Jagdrechtes durch den Grundeigentümer. Sie sind von dem hiefür zuständigen Landesgesetzgeber im Interesse der Jagdwirtschaft und der Jagdpolizei erlassen worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelungen, insb. auch gegen die den angefochtenen Bescheid tragende Bestimmung des §9 Abs2 Nö. JG, sind unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden.

Das Beschwerdevorbringen ist daher, soweit ihm der Vorwurf zugrunde liegt, daß die angeführten Regelungen die Rechtsgrundlagen für die Erlassung eines einer Enteignung gleichkommenden Bescheides gebildet hätten, "die in der österreichischen Bundesverfassung keine Deckung findet und dieser daher widerspricht", unbegründet.

3. a) Bei der verfassungsgesetzlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die Beschwerdeführerin im Eigentumsrecht nur durch eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes verletzt worden sein.

b) Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin zweier Grundkomplexe, von denen jeder für sich nicht das Ausmaß von 115 ha erreicht. Diese Grundkomplexe werden aber durch einen aus den im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstücken 24/3, 24/7 und 24/9 bestehenden Geländestreifen (Länge von zirka 147 m, mittlere Breite von zirka 70 m) miteinander verbunden, sodaß sich ein Gesamtausmaß der Grundflächen von mehr als 115 ha ergibt.

In der Begründung des Bescheides wird sodann darauf hingewiesen, daß dem Begehren der Beschwerdeführerin auf Feststellung des beschriebenen Grundbesitzes als Eigenjagdgebiet auch für die von 1973 bis 1978 dauernde Jagdperiode nicht entsprochen worden sei. Die diesbezügliche Entscheidung der Jagdbehörde sei durch das Erk. des VwGH vom 23. März 1973, Z 1633/72, bestätigt worden.

In der Folge setzt sich die belangte Behörde aufgrund eines von ihr eingeholten Gutachtens eines Amtssachverständigen mit einem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachten auseinander. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß der aus den angeführten Grundstücken bestehende Geländestreifen ein Längenzug sei, durch den der für die Bildung eines Eigenjagdgebietes erforderliche Zusammenhang zwischen den beiden Grundkomplexen nicht hergestellt werde. Dabei stehe nicht die Frage zur Beantwortung, ob ein Längenzug bejagdbar sei oder nicht, sondern lediglich, ob dort die Jagd zweckmäßig ausgeübt werden könne. Unter Bedachtnahme auf die klar zum Ausdruck gebrachten Intentionen des Gesetzgebers sei der Längenzug in seiner Gesamtheit und nicht unter dem Gesichtspunkt seiner möglichen Zusammensetzung aus quer- und längsgelagerten Einzelparzellen zu beurteilen.

Auch der Hinweis im Privatgutachten, wonach nach §9 Abs1 letzter Satz Nö. JG der jagdrechtliche Zusammenhang von Grundstücken auch dann gegeben sei, wenn sie nur in einem Punkt zusammenstießen und daß dieser Zusammenhang umsomehr bejaht werden müsse, wenn die Verbindung von Grundstücken durch einen nahezu quadratischen Grundstückskomplex (wie dies durch den beschriebenen Geländestreifen der Fall sei) hergestellt werde, sei nicht zielführend. Bei der "Punktberührung" iS des §9 Abs1 wiesen zwei Grundstückskomplexe ein unmittelbares Naheverhältnis auf; eine Verbindung durch einen Längenzug hingegen bedeute, daß die zu verbindenden Komplexe mehr oder weniger entfernt lägen. Gehe man davon aus, daß der Gesetzgeber zur Anerkennung der Eigenjagdbefugnis vor allem eine zweckmäßige Gestaltung des Jagdgebietes verlange, dann möge eine solche Gestaltung bei "Punktberührung" von Flächen gegeben sein, bei Vorhandensein eines Längenzuges hingegen schließe dies der Gesetzgeber von vornherein unmißverständlich aus. Für die Beschwerdeführerin könne daher mit ihrem Vorbringen, demzufolge auf dem Verbindungsstreifen Bäume und Sträucher mittlerweile höher geworden seien, nichts gewonnen werden. Die Voraussetzungen für die Jagdgebietsanerkennung seien nicht auf die Vegetation einer Fläche, sondern nur auf ihre durch die Begrenzung gegebene Gestaltung abgestellt.

Soweit im Privatgutachten dargestellt werde, daß Wildfolgeprobleme in jedem Grenzbereich eines Jagdgebietes auftreten könnten, sei dem entgegenzuhalten, daß der Jagdausübende bei arrondierenden Flächen in weit größerem Maße disponieren könne, solche Probleme zu vermeiden als im Bereich eines Längenzuges von Grundstücken, wo solche Probleme nahezu zwangsläufig und in der weit überwiegenden Mehrzahl der Jagdausübungsfälle auftreten würden.

c) Der VfGH kann nicht finden, daß die von der belangten Behörde nach den Ausführungen in litb gezogene Schlußfolgerung denkunmöglich, demnach so fehlerhaft wäre, daß sie als gesetzlos angesehen werden müßte.

Ob aber das Gesetz bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch richtig angewendet wurde, hat der VfGH nicht zu prüfen.

Zusammenfassend ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid, da bei seiner Erlassung die ihm zugrunde liegenden verfassungsrechtlich unbedenklichen Rechtsvorschriften nicht denkunmöglich angewendet wurden, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nicht verletzt worden ist.

4. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die Beschwerdeführerin im Gleichheitsrecht nur verletzt worden sein, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte.

a) Zur Begründung der Gleichheitsverletzung wird in der Beschwerde vorgebracht, daß die Grundflächen, die dem nunmehrigen Verfahren zugrunde lägen, mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 21. Dezember 1965 für die Jagdperiode von 1966 bis 1973 als Eigenjagdgebiet anerkannt worden seien. Sodann heißt es:

"Wenn nun die Behörde in einer bestimmten Jagdperiode auf Grund eines festgestellten Sachverhaltes den Tatbestand für eine Eigenjagd erfüllt sieht und die Befugnis zur Eigenjagdausübung ausspricht, in einer Folgeperiode bei gleichen tatsächlichen Voraussetzungen eine völlig anders geartete - ja konträre - Wertung vornimmt, so läßt sie sich von willkürlichen Erwägungen leiten und verstößt dadurch gegen Art2 StGG."

b) Zu diesem Vorbringen ist zu bemerken, daß die Grundflächen der Beschwerdeführerin wohl für die Jagdperiode von 1966 bis 1972, nicht aber für die Jagdperiode von 1973 bis 1978 als Eigenjagdgebiet festgestellt waren. Es trifft demnach die Behauptung der Beschwerdeführerin, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid eine völlig andersgeartete Wertung ihrer Grundstücke hinsichtlich ihrer Eignung als Eigenjagdgebiet gegenüber der vorangegangenen Jagdperiode vorgenommen habe, bezüglich der unmittelbar vorangegangenen Jagdperiode nicht zu.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid eingehend begründet, daß eine Änderung der Voraussetzungen, die zu einer Anerkennung der Grundflächen der Beschwerdeführerin als Eigenjagdgebiet hätte Anlaß sein können, nicht eingetreten ist und daß demnach die Zuerkennung der Eigenjagdbefugnis in gleicher Weise wie für die vorausgegangene Jagdperiode abzulehnen war.

Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus dem Ablauf des Verwaltungsgeschehens ergibt sich ein Anhaltspunkt für eine Annahme, daß durch ein Verhalten der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Verletzung des Gleichheitsrechtes der Beschwerdeführerin bewirkt worden sein könnte.

Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus am 22. Feber 1980 noch einen weiteren Schriftsatz beim VfGH eingebracht, in dem sie auf die Anerkennung eines anderen Gebietes als Eigenjagdgebiet durch die Nö. Landesregierung hinweist. Dort sind nach den Angaben der Beschwerdeführerin zwei Grundkomplexe durch einen wesentlich längeren Längsstreifen miteinander verbunden. Aus dieser unterschiedlichen Wertung der Längsstreifen hinsichtlich ihrer Eignung als Längenzug, der einen für die Bildung eines Eigenjagdgebietes erforderlichen Zusammenhang iS des §9 Abs2 Nö. JG hergestellt, leitet die Beschwerdeführerin ebenfalls eine Verletzung des Gleichheitsrechtes ab.

Der VfGH vermag auch dieser Behauptung nicht zu folgen. Der von der Beschwerdeführerin angeführte Fall ist nach ihren eigenen Angaben anders gelagert. So ist der Längenzug dort zirka doppelt so breit wie bei ihrem Fall; auch handelt es sich das eine Mal um eine Niederwildjagd, das andere Mal um eine Hochwildjagd. Dem Gesetzeswortlaut zufolge stellen die Grundstücke des Längenzuges den für die Bildung eines Eigenjagdgebietes erforderlichen Zusammenhang nur dann her, wenn sie für die zweckmäßige Ausübung der Jagd geeignet sind. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ua. aufgrund eines Gutachtens eines Amtssachverständigen (II.3.b) die Frage verneint, daß auf dem bezüglichen Längenzug die Jagd zweckmäßig ausgeführt werden könnte. Wenn in einem anderen Fall die Behörde zu einer anderen Beurteilung gelangt, so ist das noch kein Indiz für eine willkürliche Vorgangsweise der Behörde.

Im Gleichheitsrecht ist die Beschwerdeführerin offenkundig nicht verletzt worden.

5. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden und im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides ist die Beschwerdeführerin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

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