VfGH B197/78

VfGHB197/7819.6.1980

Oö. Jagdgesetz; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung der §§65 Abs1 und 67 Abs1

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art15 Abs9
StGG Art5
Oö JagdG §64
Oö JagdG §65 Abs1
Oö JagdG §67 Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art15 Abs9
StGG Art5
Oö JagdG §64
Oö JagdG §65 Abs1
Oö JagdG §67 Abs1

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes in N. (Bezirk Kirchdorf/OÖ). Die Jagd auf den zu diesem Betrieb gehörenden Grundstücken wird von der Jagdgesellschaft N. als Genossenschaftsjagd ausgeübt.

Auf einer Grundfläche von etwa 12,5 ha haben die Beschwerdeführer eine Obstkultur angelegt, die insb. aus mehreren 100 Apfelbäumen und Birnbäumen besteht. Die Früchte werden industriell verwertet. Die Beschwerdeführer haben diese Grundfläche mit einem rund 2300 m langen Wildzaun umgeben.

Dennoch ist im Winter 1976/77 an den Obstbäumen durch Wildverbiß erheblicher Schaden entstanden, den die Beschwerdeführer bei der gem. §§70 ff. des Oberösterreichischen Jagdgesetzes, LGBl. 32/1964, idF der Nov. LGBl. 39/1970 (im folgenden kurz: Oö. JG) eingerichteten Jagd- und Wildschadenskommission N. (im folgenden kurz: Kommission) angemeldet haben. Diese hat mit Bescheid vom 5. April 1977 gem. §§64 ff. Oö. JG den von den Beschwerdeführern für die entstandenen Wildschäden an ihren Obstkulturen geltend gemachten Schadenersatz abgewiesen.

b) Die von den Beschwerdeführern gegen den Bescheid der Kommission erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 20. Jänner 1978 als unbegründet abgewiesen.

Die Berufungsbehörde hat dies im wesentlichen damit begründet, das durchgeführte Beweisverfahren (in dem mehrere Sachverständigengutachten eingeholt wurden) habe ergeben, daß von den Beschwerdeführern Vorkehrungen zum Schutze der geschädigten Objekte, wodurch sich ein ordentlicher Landwirt zu schützen pflegt, nicht ausreichend getroffen worden seien; der von den Beschwerdeführern errichtete Wildzaun habe das Eindringen von Rehen und Hasen bereits bei durchschnittlicher Schneelage nicht verhindert. Gem. §67 Oö. JG sei mangels ausreichender Schutzmaßnahmen die Haftung des Jagdausübungsberechtigten ausgeschlossen gewesen.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Dem §77 Abs1 Oö. JG zufolge ist gegen den in einer Wildschadensangelegenheit ergangenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Der Instanzenzug ist daher erschöpft.

Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen sind gegeben.

Die Beschwerde ist zulässig.

2. a) Nach §64 Abs1 Oö. JG sind der Grundbesitzer und der Jagdausübungsberechtigte, dieser jedoch nur im Einvernehmen mit dem Grundbesitzer, befugt, das Wild von den Kulturen durch Schutzmaßnahmen abzuhalten und zu diesem Zwecke Zäune, Gitter, Mauern u. dgl. (Flächenschutz) zu errichten oder einen Einzelpflanzenschutz durch geeignete Schutzmittel durchzuführen.

Gem. §64 Abs2 leg. cit. hat dann, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb durch Wildschäden an den Kulturen laufend schwere Einbußen am Ertrag erleidet, die Bezirksverwaltungsbehörde über Antrag des Geschädigten oder der Bezirksbauernkammer nach Anhörung des Jagdbeirates den Jagdausübungsberechtigten zu verhalten, die notwendigen Schutzmaßnahmen (Abs1) vorzukehren oder den Wildstand zu vermindern.

§65 Abs1 lautet:

"Soweit nicht besondere Vereinbarungen getroffen werden, hat der Jagdausübungsberechtigte allen entstandenen Jagd- und Wildschaden in dem in diesem Gesetz bestimmten Ausmaß zu ersetzen."

§67 Abs1 bestimmt:

"Wildschäden in Obst-, Gemüse- und Ziergärten, in Baumschulen und an einzelstehenden jungen Bäumen sind dann zu ersetzen, wenn dargetan ist, daß der Schaden erfolgte, obgleich zum Schutze der geschädigten Objekte solche Vorkehrungen vom Besitzer getroffen waren, wodurch ein ordentlicher Landwirt derlei Gegenstände zu schützen pflegt ..."

b) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 7453/1974) nur dann verletzt werden, wenn sich der angefochtene Bescheid auf eine mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehende Rechtsvorschrift stützt, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hat.

c) Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß es sich bei der Obstkultur der Beschwerdeführer um einen Obstgarten iS des §67 Abs1 Oö. JG handle; die Beschwerdeführer hätten nicht die erforderlichen Vorkehrungen nach dieser Gesetzesbestimmung getroffen.

Die Beschwerdeführer führen aus, daß dieses Ergebnis gleichheitswidrig sei. Besitzer von Obst- und Gemüsekulturen würden damit gegenüber anderen Landwirten benachteiligt; dies sei sachlich nicht zu rechtfertigen.

Mit diesem gegen das Gesetz gerichteten Vorwurf sind die Beschwerdeführer nicht im Recht:

Der VwGH hat mit Erk. vom 11. Juni 1980, Z 3397/79 (unter Bezugnahme auf seine Vorjudikatur) in einem ähnlich gelagerten Fall ausgeführt, daß unter "Obst- und Gemüsegärten" iS des §67 Abs1 Oö. JG nicht bloß Hausgärten, sondern auch alle Grundstücke zu verstehen seien, die erwerbswirtschaftlich zur Produktion von Obst und Gemüse genutzt werden; es komme nicht auf die Größe der Grundfläche an.

Die belangte Behörde ist offenbar von derselben Rechtsauffassung ausgegangen.

Auch wenn das Gesetz (§67 Abs1 Oö. JG) den erwähnten, von der belangten Behörde angenommenen Inhalt hat, widerspricht es - wie der VfGH aus der Sicht dieses Beschwerdefalles meint - nicht dem Gleichheitsgebot.

Es ist an sich sachlich begründet, aufgrund der gegebenen Besonderheiten das Schadenersatzrecht für Wildschäden einer speziellen, von den Schadenersatzbestimmungen des ABGB allenfalls abweichenden Regelung zu unterziehen. Der Landesgesetzgeber als Jagdgesetzgeber ist dazu nach Art15 Abs9 B-VG zuständig.

Es ist ferner sachlich, den Jagdausübungsberechtigten grundsätzlich als für alle entstandenen Wildschäden haftbar zu erklären (§65 Abs1 Oö. JG) und ihn zu verhalten, die notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Wildschäden dann vorzunehmen, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb durch Wildschäden an den Kulturen laufend schwere Einbußen am Ertrag erleidet (§64 Abs2 leg. cit.). Schließlich ist es auch sachlich, von der zuletzt genannten Regel eine Ausnahme vorzusehen und dem Grundbesitzer einen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Jagdausübungsberechtigten nur für den Fall einzuräumen, daß der Grundbesitzer die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen hat, sofern für eine solche (von der obigen Regel abweichende, die Schadensverhinderungs- oder Schadensminderungspflicht dem Grundbesitzer auferlegende) Bestimmung eine Abwägung der beiderseitigen Interessen spricht (vgl. VfSlg. 4213/1962, S 282).

Das Gesetz nimmt, wenn es für Obst- und Gemüsegärten eine besondere Regelung der Schadenersatzpflicht für Wildschäden enthält, auf die Intensität der Bewirtschaftung sowie auf den in der Regel damit verbundenen höheren Ertrag und das vergrößerte Risiko Bedacht. Nach dem zweiten Halbsatz des §67 Abs1 Oö. JG kommt es bezüglich der im ersten Halbsatz genannten Kulturen (ua. von Obst- und Gemüsegärten) darauf an, wie ein "ordentlicher Landwirt" solche zu schützen pflegt. Daraus ergibt sich, daß der Besitzer eines Obst- und Gemüsegartens, der seine Schadenersatzansprüche gegen den Jagdausübungsberechtigten wahren will, nur verpflichtet ist, solche Vorkehrungen vorzunehmen (zB Umzäunungen zu errichten), die einem "ordentlichen Landwirt" wirtschaftlich zumutbar sind; würde der dadurch erwachsende Kostenaufwand zum Ertrag in einem unwirtschaftlichen Verhältnis stehen, so würde ein ordentlicher Landwirt nämlich derartige Vorkehrungen nicht treffen (vgl. VwGH 11. 6. 1980 Z 3397/79). Das Gesetz stellt also bei der oben erwähnten Interessenabwägung darauf ab, ob und welche Kosten für Schutzvorkehrungen dem Grundbesitzer aufgrund der intensiveren Bewirtschaftung und des damit erhöhten Ertrages wirtschaftlich zumutbar sind. Das Verhältnis zwischen Ertrag und zumutbaren Kosten hängt nicht von der Größe des Grundstückes, sondern von der Art der Nutzung ab. Die vorgenommene Interessenabwägung ist daher nicht unsachlich.

d) Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die belangte Behörde Willkür geübt hätte. Auch die Beschwerdeführer behaupten derartiges nicht.

e) Die Beschwerdeführer sind also nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.

3. Die Beschwerdeführer begründen die behauptete Verletzung des Eigentumsrechtes lediglich damit, daß §67 Oö. JG im Hinblick auf Art5 StGG verfassungswidrig sei. Da diese Bestimmung weder eine Enteignung noch eine Eigentumsbeschränkung vorsieht, erübrigt sich eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Beschwerdevorbringen.

Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung wurde weder behauptet, noch ist eine solche sonst im Verfahren hervorgekommen.

Ob die getroffene Entscheidung auch richtig ist, war vom VfGH im gegebenen Zusammenhang nicht zu untersuchen. Insb. war nicht darauf einzugehen, ob die Beschwerdeführer der ihnen nach §67 Abs1 Oö. JG obliegenden Sorgfaltspflicht nachgekommen sind (vgl. VfSlg. 7357/1974) und ob es den Beschwerdeführern wirtschaftlich zumutbar war, auf ihre Kosten ausreichende Schutzvorkehrungen gegen Wildschäden zu treffen (vgl. das wiederholt zitierte Erk. des VwGH vom 11. Juni 1980).

Die Beschwerdeführer sind also auch nicht im Eigentumsrecht verletzt worden.

4. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich geschützten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sind.

Die Beschwerde war demnach abzuweisen.

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