VfGH B92/76

VfGHB92/7623.10.1980

Körperschaftsteuergesetz 1966, keine denkunmögliche Anwendung des §17 Abs1 und des §8 Abs1 (iVm §3 Z29 EStG 1972)

Normen

EStG §3 Z29
KStG 1966 §17
EStG §3 Z29
KStG 1966 §17

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft, die eine Papier- und Zellulosefabrik betreibt, nahm in den Jahren 1971 bis 1973 zur Finanzierung dem Umweltschutz dienender Anlagen Kredite von insgesamt 160 Millionen S auf, für die im Jahre 1973 Zinsenaufwendungen von rund 11,8 Millionen S anfielen. Das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie erkannte das Investitionsvorhaben nach Richtlinien für die Gewährung von Zinsenzuschüssen für die österreichische Zellstoff- und Papierindustrie zur Durchführung von Umweltschutz- und Strukturverbesserungsmaßnahmen als förderungswürdig und gewährte im Jahr 1973 einen Zinsenzuschuß von 900.000 S. Diesen Zuschuß behandelte die Beschwerdeführerin in der Körperschaftsteuererklärung 1973 unter Bezugnahme auf §3 Z29 EStG 1972 als steuerfrei. Das Finanzamt verminderte jedoch den erklärten Verlust um den erwähnten Betrag mit der Begründung, daß Aufwendungen gemäß §17 des KörperschaftsteuerG (KStG) nur insoweit abgezogen werden dürften, als sie mit steuerpflichtigen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden.

Die Finanzlandesdirektion für OÖ wies die deswegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung mit Bescheid vom 21. Jänner 1976 ab und begründete ihre Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen:

Es bestehe Übereinstimmung darüber, daß der Zinsenzuschuß von 900.000 S gemäß §3 Z29 EStG 1972 in Verbindung mit §8 Abs1 Satz 1 KStG von der Körperschaftsteuer befreit sei; strittig sei hingegen die nach §17 erster Satz KStG zu beurteilende Frage, ob die Zinsenaufwendungen in Höhe der erwähnten Zuwendung abzugsfähig seien. Dies hänge davon ab, ob zwischen den gemäß §3 Z29 EStG 1972 steuerfreien Zinsenzuschüssen und den Zinsenaufwendungen, für die sie gewährt worden seien, ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Wie die Berufungsbehörde unter Bezugnahme auf Literatur zum deutschen Körperschaftsteuergesetz sodann darlegte, treffe dies deshalb zu, weil die erwähnten Zinsenzuschüsse entsprechende Zinsenaufwendungen zur Voraussetzung hätten, also "nach Entstehung und Zweckbestimmung miteinander verknüpft" seien und "eine klar abgrenzbare Beziehung" zueinander hätten. Auch das Berufungsvorbringen, der Gesetzgeber habe durch die Bestimmung des §3 Z29 EStG 1972 (bezüglich der Zinsenzuschüsse) eine echte Steuerbefreiung schaffen wollen, erachtete die Berufungsbehörde unter Bezugnahme auf Literaturmeinungen zum EStG 1972 als unrichtig; die durch die bezogene Gesetzesstelle normierte Steuerfreiheit für Zinsenzuschüsse bewirke keine echte Befreiung von der Einkommensteuer (bzw. der Körperschaftsteuer), sondern in Wirklichkeit nur eine Steuererleichterung.

2. Dieser Berufungsbescheid bildet den Gegenstand der auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die beschwerdeführende Gesellschaft eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Beschwerdeabtretung an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums läge gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. zB VfSlg. 8472/1978) vor, wenn der in ein privates Vermögensrecht eingreifende Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn er gesetzlos wäre, wobei eine denkunmögliche Gesetzesanwendung einer Gesetzlosigkeit gleichkäme.

Daß der auf Bestimmungen des KStG gestützte Bescheid auf verfassungswidrigen Rechtsvorschriften beruht, behauptet die Beschwerdeführerin selbst nicht und es findet auch der VfGH keinen Anhaltspunkt für eine solche Annahme. Demgemäß könnte die behauptete Rechtsverletzung nur infolge einer denkunmöglichen Gesetzeshandhabung gegeben sein. Das diesem Nachweis gewidmete Beschwerdevorbringen ist jedoch, wie die folgenden Ausführungen zeigen, nicht begründet.

2. Eine denkunmögliche Gesetzeshandhabung wirft die Beschwerdeführerin der belangten Behörde zunächst im Hinblick auf den in Verbindung mit §8 Abs1 KStG - nach dieser Vorschrift bestimmt sich, was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes - herangezogenen §3 Z29 EStG 1972 (soweit er sich auf Zinsenzuschüsse bezieht) insofern vor, als der Zweck dieser Vorschrift ausschließlich eine Wertung als echte Befreiungsbestimmung zulasse. Es führe zum selben Ergebnis, ob man einen Zinsenzuschuß steuerfrei erhalte, aber nur um den Zuschuß gekürzte Zinsenaufwendungen geltend machen könne, ober ob der Zinsenzuschuß als steuerpflichtige Einnahme behandelt werde, weil dann der Zinsenaufwand als Betriebsausgabe geltend gemacht werden könnte. Durch die Betrachtung der belangten Behörde werde Sinn und Zweck der Befreiungsbestimmung ins Gegenteil verkehrt; "denn es wird" - wie die Beschwerdeführerin glaubt - "das, was mit einer Hand gegeben wird, im Ergebnis mit der anderen Hand wieder genommen, die wirtschaftliche Wirkung der Förderungsmaßnahme wird so im Wege ihrer steuerlichen Behandlung wieder aufgehoben".

Dem Standpunkt der beschwerdeführenden Gesellschaft ist jedoch entgegenzuhalten, daß ihre Annahme über den Gesetzeszweck mit den Gesetzesmaterialien nicht im Einklang steht, die (Regierungsvorlage zum EStG 1972, 474 BlgNR XIII. GP, S 57) folgendes besagen:

"In die aus §3 Abs1 Z34 EStG 1967 übernommene Steuerbefreiung für Anlagesubventionen sollen die entsprechenden Zinsenzuschüsse einbezogen werden. Ohne diese Einkommensteuerbefreiung wären die Zinsenzuschüsse Betriebseinnahmen und die aus den Zinsenzuschüssen geleisteten Zinsenzahlungen Betriebsausgaben. Die vorgesehene Steuerbefreiung für Zinsenzuschüsse vereinfacht nun deshalb deren steuerliche Behandlung, da diese Zuschüsse nach den Erfahrungen der Finanzverwaltung in der Regel in Form von Annuitätenzuschüssen (also Zuschuß für Kapital und Zinsen) gewährt werden und auf Grund der vorgesehenen Steuerbefreiung die oft schwierige Trennung in Kapitalzuschuß und Zinsenzuschuß entbehrlich wird. Eine echte Steuerfreiheit wird dadurch nicht eintreten, da die den Zinsenzuschüssen gegenüberstehenden Zinsenzahlungen unter das Abzugsverbot gemäß §20 Abs2 fallen."

Aus der festgestellten Divergenz zwischen dem von der Beschwerdeführerin vermuteten Gesetzeszweck und dem in den Materialien festgehaltenen (vgl. in diesem Zusammenhang auch VwGH 17. 5. 1978 1650/77, 1005/78), ergibt sich schon von vornherein, daß die Beschwerdeargumentation in Wahrheit nur die Richtigkeit der Gesetzesauslegung unter dem Blickpunkt teleologischer Interpretation kritisiert, aber nicht geeignet ist, eine denkunmögliche, also mit Gesetzlosigkeit auf gleiche Stufe zu stellende Gesetzeshandhabung nachzuweisen.

3. Die beschwerdeführende Gesellschaft wirft zu §17 Abs1 KStG auch die Frage auf, ob der ihr gewährte Zinsenzuschuß überhaupt dem zufolge §8 KStG auch im Bereich dieses Gesetzes maßgeblichen einkommensteuerlichen Einkommensbegriff (§2 Abs2 EStG 1972) zu unterstellen sei, zumal ihm nach §2 Abs3 EStG 1972 nur die dort erschöpfend aufgezählten Einkünfte, "nicht aber Vermögenszuflüsse, Bezüge und sonstige Vorteile anderer Art" unterlägen.

Die belangte Behörde wertete diese Argumentation mit Recht als für das Ergebnis bedeutungslos und hielt ihr zutreffend folgendes entgegen: Ziehe man zur Auslegung des §17 Abs1 KStG die Bestimmung des §20 Abs2 EStG 1972 heran, so spiele es keine Rolle, ob die betreffenden Zinsenzuschüsse zwar Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aber gemäß §3 Z29 EStG 1972 in Verbindung mit §8 Abs1 KStG von der Körperschaftsteuer befreit oder ob sie von vornherein als nicht der Körperschaftsteuer unterliegender Vermögenszufluß zu beurteilen seien.

4. Schließlich bestreitet die Beschwerdeführerin die Annahme der belangten Behörde, daß zwischen den Zinsenaufwendungen und dem Zinsenzuschuß ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang iS des §17 KStG bestehe, und hält auch diese Auffassung für denkunmöglich:

Sie habe die Kredite aufgenommen und die damit verbundene Zinsenzahlungspflicht auf sich genommen, um Umweltschutzanlagen zu errichten, nicht aber um dafür finanzielle Förderungen zu erhalten. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe also zwischen ihren Einkünften aus Gewerbebetrieb und ihren Zinsenaufwendungen, nicht aber zwischen den Zinsenaufwendungen einerseits und dem Zinsenzuschuß andererseits. Anders könnte der Vorgang nur beurteilt werden, wenn sie von vornherein die Kredite aufgenommen hätte, um durch ihren Einsatz nichtsteuerpflichtige Einnahmen zu erzielen. Von einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang von Aufwendungen mit bestimmten Einkünften könnte - wenn überhaupt - nämlich nur dann gesprochen werden, wenn bestimmte Aufwendungen getätigt werden, um von vornherein bestimmte, nämlich gerade diese Einnahmen zu erzielen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist also im Ergebnis der Auffassung, daß der in §17 Abs1 KStG umschriebene Kausalzusammenhang sowohl durch eine spezifische intentionale wie auch eine bestimmte zeitliche Komponente charakterisiert ist. Der Wortlaut der bezogenen Gesetzesstelle läßt jedoch entgegen dieser Ansicht durchaus das Verständnis zu, daß ein bloß objektiver Zusammenhang zwischen Aufwand und Einkünften hinreicht sowie daß der Aufwand nicht notwendig den Einkünften voranzugehen hat. Die Beschwerdeführerin vermag keine Gründe anzuführen, aus denen dieses andere Verständnis von vornherein und unzweifelhaft als falsch zu beurteilen wäre.

5. Der VfGH findet auch keine sonstigen Anhaltspunkte, die für eine denkunmögliche Gesetzesanwendung sprächen. Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, daß die beschwerdeführende Gesellschaft im geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt wurde.

6. Da das Beschwerdeverfahren auch nicht eine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm ergeben hat, war die Beschwerde abzuweisen.

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