VfGH B381/76

VfGHB381/7615.12.1980

Nö. Flurverfassungs-Landesgesetz, keine denkunmögliche Anwendung des §115 Abs3

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
Nö FlVfLG 1975 §3 Abs2, §3 Abs3
Nö FlVfLG 1975 §115 Abs3
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
Nö FlVfLG 1975 §3 Abs2, §3 Abs3
Nö FlVfLG 1975 §115 Abs3

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Nö. Agrarbezirksbehörde entschied mit Bescheid vom 4. April 1975, daß die von der Zusammenlegungsgemeinschaft Haitzendorf an die beschwerdeführende Partei zugestellte Beitragsvorschreibung vom 31. Oktober 1974 in der Höhe von S 6.672,50 zu Recht bestehe. Der dagegen erhobenen Berufung gab der Landesagrarsenat beim Amt der Nö. Landesregierung mit Bescheid vom 20. Juli 1976 unter Bezugnahme auf die §§115 und 116 des Nö. Flurverfassungs-Landesgesetzes (in der damals geltenden Fassung LGBl. 6650-1) - im folgenden: Nö. FLG - keine Folge. Diese Rechtsmittelentscheidung wurde im wesentlichen folgendermaßen begründet:

Das Zusammenlegungsverfahren Haitzendorf befinde sich im Stadium des Ermittlungsverfahrens; die Grundabfindungen lägen noch nicht vor. Die beschwerdeführende Partei sei im Verfahren mit einem einzigen Grundstück im Ausmaß von 6,6725 ha beteiligt.

Bisher sei im Zusammenlegungsverfahren eine Beitragsvorschreibung in Höhe von S 1.000 pro Hektar einbezogener Fläche den Parteien zugestellt worden.

Da die Werte der Abfindungen noch nicht vorlägen, erfolge die Vorschreibung gemäß §115 Abs1 Nö. FLG nach einem vorläufigen Schlüssel, nämlich der Fläche der einbezogenen Grundstücke. Hinsichtlich des Bedarfs sei insbesondere auf die Durchführung der Vermessung und Vermarkung hinzuweisen. Der Hebesatz sei aufgrund von Durchschnittswerten gleichartiger Zusammenlegungsverfahren festgesetzt worden. Wenn auch mehr als die Hälfte der von den Parteien eingezahlten Beträge bis Jahresende 1975 noch nicht verbraucht gewesen sei, könne von einem überhöhten Hektarsatz nicht gesprochen werden, da im laufenden Jahr bis zu der für Herbst 1976 vorgesehenen vorläufigen Übernahme der Abfindungsgrundstücke der größere Teil an Kosten iS des §114 Nö. FLG anfallen werde.

Zur Klärung der Frage, ob allenfalls ein Befreiungsgrund gemäß §115 Abs3 Nö. FLG vorliege, müsse das Ergebnis des Zusammenlegungsverfahrens, nämlich die Abfindung der beschwerdeführenden Partei, abgewartet werden. Ob Befreiungsgründe vorliegen, werde die Erstbehörde bei Feststehen der Abfindung der beschwerdeführenden Partei zu ermitteln und gegebenenfalls eine Befreiung von den Kosten auszusprechen haben.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in der die beschwerdeführende Partei eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie - hilfsweise - die Beschwerdeabtretung an den VwGH begehrt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die beschwerdeführende Partei stellt sich auf den Standpunkt, daß ihr ein Beitrag zu den Kosten des Zusammenlegungsverfahrens überhaupt nicht hätte auferlegt werden dürfen, da die Zusammenlegung eines einzigen Grundstückes begrifflich nicht möglich sei. Die belangte Behörde hätte daher zunächst prüfen müssen, ob die beschwerdeführende Partei überhaupt am Zusammenlegungsverfahren beteiligt sein müsse und hätte erst nach einer diesbezüglichen rechtskräftigen Feststellung eine Beitragsvorschreibung erlassen dürfen. Überdies bezweifelt die beschwerdeführende Partei die Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Nö. Agrarbezirksbehörde vom 8. Feber 1974, mit der das Zusammenlegungsverfahren eingeleitet worden war.

Gemäß §3 Abs2 und 3 Nö. FLG ist das Zusammenlegungsverfahren durch Verordnung einzuleiten und es ist darin das Zusammenlegungsgebiet entweder durch Angabe seiner Begrenzung oder durch Aufzählung sämtlicher Grundstücke festzulegen. Im vorliegenden Fall leitete die Nö. Agrarbezirksbehörde das Zusammenlegungsverfahren mit der eben erwähnten Verordnung ein, in der sie das - auch das Grundstück der beschwerdeführenden Partei umfassende - Zusammenlegungsgebiet durch Begrenzungsangaben festlegte. Entgegen der Annahme der beschwerdeführenden Partei bedarf es sohin keines Bescheides über die Zugehörigkeit ihres Grundstückes zum Zusammenlegungsgebiet, und es richtet sich ihre Kritik an der Einbeziehung ihres Grundstücks der Sache nach gegen die von ihr (auch) aus anderen Gründen als gesetzwidrig bezeichneten Einleitungsverordnung.

Wie der VfGH bereits mehrmals ausgesprochen hat (s. zB VfGH 1. 2. 1980 B84/77), bringt es die Gliederung des Zusammenlegungsverfahrens mit sich, daß dann, wenn eine Phase des Verfahrens rechtskräftig abgeschlossen ist, die gleiche Frage in einer späteren Phase des Verfahrens nicht mehr aufgerollt werden kann. Da im vorliegenden Fall die Einbeziehung des Grundstücks der beschwerdeführenden Partei in das Zusammenlegungsverfahren mit dem in Rechtskraft erwachsenen Besitzstandsausweis und Bewertungsplan entschieden ist, kann anläßlich der Prüfung des angefochtenen Bescheides die Frage der Gesetzmäßigkeit der Einleitungsverordnung nicht mehr gestellt werden.

2. Da sich Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides nicht ergaben, ist festzuhalten, daß eine aus der Rechtswidrigkeit einer generellen Rechtsnorm abzuleitende Rechtsverletzung nicht stattgefunden hat.

3. Bei dieser Lage des Beschwerdefalles könnte die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Verletzung des Eigentumsrechtes gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur vorliegen, wenn der bekämpfte Bescheid gesetzlos wäre, wobei eine denkunmögliche Gesetzesanwendung einer Gesetzlosigkeit gleichzuhalten wäre.

Gemäß §115 Abs3 Nö. FLG hat die Behörde, soweit es zur Vermeidung offensichtlicher und unbilliger Härten für einzelne Parteien erforderlich ist, diese Parteien zu Lasten aller übrigen oder einzelner anderer Parteien, die aus dem Verfahren unverhältnismäßig größere Vorteile ziehen, (von den Kosten) zu befreien.

Die beschwerdeführende Partei hält die Auslegung dieser Gesetzesbestimmung durch die belangte Behörde für denkunmöglich, das Vorliegen eines Befreiungsgrundes könne erst nach dem Feststehen der Abfindung der beschwerdeführenden Partei festgestellt werden. Sie meint, daß der Gebrauch des Wortes "Vermeidung" denkmöglich nur den Schluß zulasse, es sei im vorhinein zu prüfen, ob Härten auftreten werden bzw. inwieweit solche Härten auftreten; es sei auch im vorhinein zu entscheiden, ob jemand von der Beitragsleistung befreit werde oder nicht. "Vermeidung" richte sich jedenfalls gegen etwas Zukünftiges, nicht jedoch gegen etwas bereits Vergangenes. Befreien könne man nur von erst zu erbringenden Leistungen, nicht jedoch von bereits erbrachten Leistungen.

Nach Ansicht des VfGH hat jedoch eine denkunmögliche Gesetzesauslegung nicht stattgefunden. Es ist nicht denkunmöglich, aus dem Zweck der in §115 Abs3 Nö. FLG getroffenen Regelung abzuleiten, daß ein konkreter Härtefall erst nach Festlegung der Abfindung feststeht. Schon aus diesem Grund kann der von der beschwerdeführenden Partei unternommene Versuch einer vorwiegend auf den Wortlaut der bezogenen Gesetzesstelle gestützten Interpretation nicht zielführend sein.

Es ergaben sich aber auch sonst keine Anhaltspunkte für die Annahme einer denkunmöglichen Gesetzeshandhabung durch die belangte Behörde. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt sohin nicht vor.

4. Da im Beschwerdeverfahren schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hervorkam, war die Beschwerde abzuweisen.

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