OLG Innsbruck 4R63/21b

OLG Innsbruck4R63/21b12.7.2021

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Huber und die Richterin Dr. Prantl als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Andreas Fink & Dr. Christopher Fink, Rechtsanwälte in 6460 Imst, wider die beklagte Parteien 1. S*****, vertreten durch Dr. Christian Girardi, Ing. Dr. Stefan Schwärzler, Mag. Daniel Pichler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, 2. S*****, vertreten durch Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, und 3. h*****, vertreten durch Mag. Sebastian Strobl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen EUR 34.000,-- s.A., über den Rekurs der drittbeklagten Partei (Rekursinteresse EUR 6.134,64) gegen die im Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 15.3.2021, 40 Cg 105/20g‑25, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0819:2021:00400R00063.21B.0712.000

 

Spruch:

 

Dem Rekurs wird k e i n e Folgegegeben.

Die drittbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 418,78 (darin EUR 69,80 an USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

 

BEGRÜNDUNG:

 

Die Klägerin macht mit ihrer am 2.11.2020 bei Gericht eingelangten Klage gegen die drei (vormals vier) Beklagten Verbesserung betreffend das Bauvorhaben „Neubau der Wohnanlage *****“ aus dem Titel der Gewährleistung und des Schadenersatzes geltend. Zusätzlich beantragt sie die urteilsmäßige Feststellung, das die Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand für alle über die Verbesserungsbegehren hinausgehenden zukünftig bekanntwerdenden Mängel und Schäden aus den näher beschriebenen Planungs- und Ausführungsfehlern zu haften hätten. Die Drittbeklagte habe beim Bauvorhaben die technische und geschäftliche Oberleitung sowie die örtliche Bauaufsicht gehabt.

In ihrer am 30.11.2020 bei Gericht eingelangten Klagebeantwortung wandte die Drittbeklagte ein, dass es ihr an der Rechts- und Parteifähigkeit mangle. Die Gesellschaft sei aufgelöst und mit Beschluss vom 25.11.2020 die Löschung im Firmenbuch bewilligt worden. Die Drittbeklagte sei vermögenslos.

Dagegen wandte die Klägerin ein, dass die Klage der Drittbeklagten am 10.11.2020 zugestellt worden sei und der Antrag auf Löschung erst am 12.11.2020 beim Firmenbuch eingelangt sei. Auch sei die Löschung erst am 26.11.2020 im Firmenbuch eingetragen worden. Solange eine Kapitalgesellschaft über Aktivvermögen verfüge, sei deren Rechtspersönlichkeit trotz Löschung im Firmenbuch weiterhin aufrecht. Nach der Judikatur stelle auch ein Anspruch gegen eine Haftpflichtversicherung oder eine Deckungszusage eines Haftpflichtversicherers ein Vermögen im Sinn des § 93 Abs 5 GmbHG dar, das der Vollbeendigung der Gesellschaft entgegenstehe. Die Drittbeklagte habe zugestanden, mit der örtlichen Bauaufsicht beauftragt worden zu sein. Die Klägerin gehe davon aus, dass die Drittbeklagte für ihre gewerbliche Tätigkeit im Rahmen ihrer Auftragserfüllung für die Klägerin einen entsprechenden Haftpflichtversicherungsschutz habe. Sollte die Drittbeklagte keinen Haftpflichtversicherungsschutz haben und über kein weiteres Vermögen verfügen, so sei eine weitere Anspruchsverfolgung für die Klägerin naturgemäß nutzlos. Weiters stellte die Klägerin den Antrag, der Drittbeklagten aufzutragen, binnen drei Tagen zu ihrem Vorbringen, dass sie vermögenslos sei, ein aktuelles Vermögensverzeichnis vorzulegen, bekanntzugeben, ob eine abdeckende Betriebshaftpflichtversicherung bestehe und bejahendenfalls die Versicherungspolizze in Vorlage zu bringen.

Die Drittbeklagte replizierte darauf, dass es an der Klägerin liege, das Vorhandensein eines Vermögens bei der Drittbeklagten zu bescheinigen.

Mit Beschluss vom 15.12.2020 trug das Erstgericht der Drittbeklagten auf, binnen zwei Wochen geeignete Beweismittel vorzulegen, aus denen sich die behauptete Vermögenslosigkeit ableiten lasse.

Mit Schriftsatz vom 17.12.2020 legte die Drittbeklagte den Gesellschafterbeschluss vom 9.11.2020, den Antrag auf Löschung vom 9.11.2020, eine eidesstattliche Versicherung vom 16.12.2020 sowie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts L***** vor. Darüber hinaus brachte sie vor, dass sie mit Ausnahme einer Forderung gegen die Klägerin kein der Gesellschaft zuordenbares Vermögen habe. Die gegen die Drittbeklagte vorhandene Forderung werde einer allenfalls zu Recht bestehenden Schadenersatzforderung kompensando eingewandt. Bei dieser Forderung handle es sich um ein Aktivum, das für die klagende Partei nicht weiter verwertbar sei, da es sich um eine Forderung zu ihren Lasten handle.

In weiterer Folge teilte die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidung zu 8 ObA 2344/96f (RS0110979) mit, dass sie von der Verfahrensfortsetzung gegen die vermögenslose und vollbeendigte Drittbeklagte Abstand nehme.

Mit einer „fortgesetzten Urkundenvorlage“ legte die Drittbeklagte sodann noch einen Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Firmenbuchgericht vom 25.11.2020 über die Löschung der Drittbeklagten vor.

Nach weiteren Rechtsausführungen der Klägerin zur Vollbeendigung der Drittbeklagten und der Bedeutung ihres Prozesserklärens, an der Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr interessiert zu sein, fällte das Erstgericht den Beschluss, mit dem es die am 2.11.2020 eingelangte Klage hinsichtlich der Drittbeklagten zurückwies und das Verfahren für nichtig erklärte, der unbekämpft in Rechtskraft erwuchs. Es stellte fest, dass die Drittbeklagte mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 25.11.2020, eingetragen am 26.11.2020, infolge beendeter Liquidation gelöscht wurde und kein Vermögen besitzt, insbesondere auch keine Ansprüche aus einer aufrechten Haftpflichtversicherung.

Mit der im Zurückweisungsbeschluss enthaltenen und nunmehr angefochtenen Kostenentscheidung sprach es aus, dass die Kosten der Klägerin und der Drittbeklagten nach § 51 Abs 1 ZPO gegenseitig aufgehoben würden. Ein Verschulden der Klägerin, welche die Klage schon am 2.11.2020 eingebracht habe, liege nicht vor.

Dagegen richtet sich der rechtzeitige Kostenrekurs der Drittbeklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, der in den Antrag mündet, die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass der Klägerin ein Kostenersatz an die Drittbeklagte in Höhe von EUR 6.134,64 auferlegt werde. Zusammengefasst macht sie geltend, dass die Klägerin an der Nichtigkeit des Verfahrens ein Verschulden treffe. Der Antrag auf Eintragung der Auflösung und Liquidation der Drittbeklagten sei bereits am 25.7.2020 im Firmenbuch eingetragen worden, die Liquidationsschlussbilanz sodann am 13.10.2020. Unter Berücksichtigung des Ablaufs der Sperrfrist nach § 91 Abs 3 GmbHG hätte die Klägerin zumindest vermuten und befürchten müssen, dass sich das Liquidationsstadium im Zeitpunkt der Klagseinbringung am 2.12.2020 im Endstadium befinde. Die Klägerin hätte daher vor Klagseinbringung beim Liquidator eine Auskunft zum aktuellen Stand der Liquidation einholen müssen. In weiterer Folge hätte die Klägerin von der Vermögenslosigkeit und der unmittelbar bevorstehenden Löschung der Drittbeklagten erfahren, sodass sämtlicher Verfahrensaufwand unterblieben wäre. Auch bei der Insolvenz eines Beklagten werde verlangt, dass vor jeder Klagseinbringung die Insolvenzdatei abzufragen sei und der Zeitraum zwischen der Verlautbarung der Konkurseröffnung und der Einbringung der Klage eine Rolle spiele. Die Drittbeklagte selbst treffe kein Verschulden im Sinn des § 51 ZPO, da sie bei erstmöglicher Gelegenheit, nämlich anlässlich der Klagebeantwortung, auf ihre Vollbeendigung und die Vermögenslosigkeit hingewiesen habe.

Die Klägerin beantragt in ihrer Kostenrekursbeantwortung dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Der Kostenrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

 

1. Gemäß § 51 Abs 1 ZPO kann einer Partei auf Antrag oder von Amts wegen der Ersatz der Kosten eines nichtigen Verfahrens auferlegt werden, wenn es einer der Parteien zum Verschulden zugerechnet werden kann, dass das Verfahren trotz des vorhandenen Nichtigkeitsgrunds eingeleitet und fortgeführt wurde. Gemäß § 51 Abs 2 ZPO sind außer diesen Fällen die Kosten gegenseitig aufzuheben. Einer Partei, der kein Verschulden zugerechnet werden kann, kann jedenfalls kein Kostenersatz auferlegt werden (vgl Obermaier, Kostenhandbuch³ Rz 1.202).

2. Ein Verschulden der Klägerin liegt aus folgenden Überlegungen nicht vor:

2.1 § 40 FBG behandelt die Löschung von Kapitalgesellschaften, die kein Vermögen besitzen. Nach dem Gesetz gilt die Gesellschaft mit der Löschung als aufgelöst, eine Abwicklung findet nicht statt. Die Löschung im Firmenbuch hat nur deklarative Wirkung; solange tatsächlich noch Aktivvermögen vorhanden ist, besteht die Rechtspersönlichkeit dennoch fort (RS0059984; RS0050186). Die Vollbeendigung tritt nur ein, wenn neben der Löschung auch die materiellrechtliche Voraussetzung der Vermögenslosigkeit gegeben ist (RS0059984 [T5]).

Bis zum Beweis des Gegenteils ist die Vermögenslosigkeit einer im Firmenbuch gelöschten Kapitalgesellschaft gewöhnlich anzunehmen (RS0050186 [T14]). Diese Vermutung greift zB dann nicht ein, wenn eine gelöschte Gesellschaft über einen behaupteten vermögenswerten Anspruch einen Aktivprozess führt (vgl 4 Ob 213/06m). Ein Anspruch einer Gesellschaft gegen einen Haftpflichtversicherer oder eine Deckungszusage des Haftpflichtversicherers stellt ein Vermögen im Sinn des § 93 Abs 5 GmbHG dar (2 Ob 166/08p = RS0060134 [T3]).

Die Unkenntnis eines Klägers von der Konkurseröffnung über das Vermögen des Beklagten wird von der Rechtsprechung mit unterschiedlichster Gewichtung als Verschulden angesehen. Um den Verschuldensmaßstab nicht zu überspannen, wird danach zu differenzieren sein, ob dem Kläger die Tatsache der Konkurseröffnung bei Anwendung der zumutbaren Sorgfalt hätte bekannt sein müssen: Je nach der Distanz des Wohnsitzes des Klägers zum Konkursgericht und dem Zeitraum zwischen der Verlautbarung der Konkurseröffnung und der Einbringung der Klage kann das Verhalten des Klägers im Einzelfall noch nicht vorwerfbar sein. Rechtsanwälte und alle Unternehmer sind freilich verhalten, vor Klagseinbringung die Insolvenzdatei abzufragen (Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 51 Rz 3).

2.2 Nachzutragen ist, dass die Klägerin am Tag der Klagseinbringung, dem 2.11.2020, einen Firmenbuchauszug eingeholt hat (Firmenbuchauszug Beilage ./J). Aus dem Firmenbuchauszug ist ersichtlich, dass mit Generalversammlungsbeschluss vom 21.7.2020 die Gesellschaft aufgelöst wurde. Weiters ist erkennbar, dass sich die Drittbeklagte in Liquidation befindet und ein Liquidator bestellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Drittbeklagte noch nicht gelöscht.

2.3 Der Antrag auf Löschung wurde von der Drittbeklagten erst am 9.11.2020, also nach Klagseinbringung, an das Firmenbuchgericht gestellt (Beilage ./3-2). Den Beschluss auf Löschung der Drittbeklagten fasste das Firmenbuchgericht am 25.11.2020, die Eintragung erfolgte feststellungsgemäß am 26.11.2020. Nach der zitierten Rechtsprechung trat die Vermutung der Vermögenslosigkeit der Drittbeklagten erst mit deren Löschung, das heißt deutlich nach Klagseinbringung, ein. Weitere Nachforschungspflichten trafen die Klägerin zum Zeitpunkt der Klagseinbringung nicht. Zum einen war die Drittbeklagte noch nicht gelöscht, zum anderen durfte die Klägerin darauf vertrauen, dass die Drittbeklagte - die das Bauvorhaben immerhin als örtliche Bauaufsicht betreute - über eine Haftpflichtversicherung, also ein Vermögen verfügt, das einer Vollbeendigung der Drittbeklagten sogar nach Löschung entgegen stehen würde.

Zumal die Rechtsprechung einem Kläger sogar nach Löschung einer Kapitalgesellschaft ein Wahlrecht zubilligt, ob dieser das Verfahren fortsetzen wolle oder nicht (7 Ob 55/14k mwN zur Entwicklung dieser Rechtsprechung) ist der Klägerin in keiner Weise vorwerfbar, dass sie gegen die Drittbeklagte trotz des Liquidationsstadiums Klage führte. Von der Klägerin eine Anfrage beim Liquidator zu verlangen, stellt eine Überspannung des Sorgfaltsmaßstabs dar. Wenn sogar im Fall der Konkurseröffnung von der Rechtsprechung in bestimmten Konstellationen das Verschulden verneint wird, muss dies umso mehr gelten, wenn eine Gesellschaft sich zwar im Liquidationsstadium befindet, aber die Vermutung der Vermögenslosigkeit wegen noch nicht erfolgter Löschung noch gar nicht eingetreten ist.

2.4 Wenn die Drittbeklagte weiters vermeint, dass die Klägerin ihrerseits verpflichtet gewesen wäre, zu behaupten und zu bescheinigen, dass die Drittbeklagte über ein ausreichendes Vermögen verfüge, so ist die Klägerin dieser Behauptungs- und Bescheinigungspflicht im erstinstanzlichen Verfahren ausreichend nachgekommen. Nachdem die Drittbeklagte ihre Prozessunfähigkeit und Vermögenslosigkeit eingewandt hatte, hat die Klägerin plausibel und nachvollziehbar vorgebracht, dass die Drittbeklagte über eine Haftpflichtversicherung verfüge. Nachdem es der Klägerin nicht möglich ist, diesen Umstand zu bescheinigen, weil er in die Sphäre der Drittbeklagten fällt, hat die Klägerin einen Antrag auf Urkundenvorlage durch die Drittbeklagte gestellt. Dem ist letztendlich die Drittbeklagte durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Liquidators nachgekommen, wonach die Vermögenslosigkeit festgestellt werden konnte.

2.5 Dem Kostenrekurs der Drittbeklagten war der Erfolg zu versagen.

3. Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO iVm § 11 RATG. Die von der Klägerin verzeichneten Kosten waren zu berichtigen, weil für Kostenrekurse und deren Beantwortung nur TP 3A, nicht aber TP 3B, gebührt (TP 3.A.5.lit b RATG).

4. Die (absolute) Unzulässigkeit des Revisionsrekurses stützt sich auf §§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

 

Oberlandesgericht Innsbruck, Abteilung 4

Innsbruck, am 12.7.2021

Dr. Georg Hoffmann, Senatspräsident

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