OGH 15Os119/25a

OGH15Os119/25a19.11.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Strubreiter in der Strafsache gegen * D* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * H* und * M* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. Februar 2025, GZ 150 Hv 34/24v‑59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00119.25A.1119.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten * H* und * M* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * H* und * M* – erkennbar (US 2; § 260 Abs 1 Z 2 StPO; RIS-Justiz RS0116266 [T2]) – jeweils des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie am 27. April 2024 in G* im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) * Mu* durch Versetzen von Faustschlägen und Tritten sowie Schlägen gegen den Kopf und den Oberkörper vorsätzlich am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) herbeigeführt, nämlich unter anderem einen Mehrstückbruch des Nasenbeins mit Stufenbildung, einen Bruch der knöchernen Nasenscheidewand, eine flächenhafte Prellmarke am Hinterkopf, mehrere Prellmarken mit Hautunterblutungen an der linken Gesichts- und Kopfseite und eine zwei Zentimeter lange Rissquetschwunde am Augenunterlid.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen vom Angeklagten H* aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO und vom Angeklagten M* aus § 281 Abs 1 Z 4, 6 und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht berechtigt.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*:

[4] Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), das Erstgericht hätte für die Annahme eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens der genannten Angeklagten keine Begründung angeführt, bezieht sich auf keine entscheidende Tatsache (RIS‑Justiz RS0106268), weil die Feststellungen, wonach der Rechtsmittelwerber beim Verabreichen der Schläge und Tritte mit dem Vorsatz handelte, dem Opfer eine schwere Körperverletzung zuzufügen (US 9), jedenfalls die Strafbarkeit wegen Versuchs tragen (vgl Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB15 § 84 Rz 33; vgl zur fehlenden Subsumtionsrelevanz der Abgrenzung Versuch/Vollendung RIS‑Justiz RS0122137).

[5] Weshalb Feststellungen zu den erlittenen Verletzungen der beiden Angeklagten erforderlich sein sollten, legt die Rüge (inhaltlich Z 9 lit a) nicht dar (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0116565).

[6] Die Tatsachenrüge (Z 5a) beschränkt sich darauf, auf abweichende Darstellungen des Opfers (vgl dazu US 10 f) hinzuweisen, und erklärt, die Motivlage wäre vom Erstgericht zu wenig betrachtet worden, wodurch es ihr nicht gelingt, erhebliche Bedenken gegen die Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen zu wecken (RIS‑Justiz RS0118780).

[7] Die Subsumtionsrüge (Z 10) zielt auf eine Verurteilung wegen Raufhandels nach § 91 StGB ab, verfehlt aber schon deshalb die prozessordnungsgemäße Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, weil sie nicht darlegt, welche der in den Abs 1, 2 und 2a leg cit vertypten strafbaren Handlungen nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers verwirklicht wurde (RIS‑Justiz RS0117247 [T7]).

[8] Überdies erklärt die Subsumtionsrüge nicht, weshalb die Feststellungen einen Schuldspruch wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB nicht tragen sollten (vgl US 8 f; RIS‑Justiz RS0099810).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*:

[9] Die Verfahrensrüge (Z 4), welche sich auf keinen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag bezieht, und lediglich eine unzureichende Berücksichtigung der „Mitschuld“ des Opfers bei der Strafzumessung moniert, verfehlt ihren Bezugspunkt. Die erfolgversprechende Geltendmachung von Nichtigkeit aus Z 4 hat nämlich zur Voraussetzung, dass über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt oder gegen seinen Antrag oder Widerspruch ein Zwischenerkenntnis gefällt worden ist (RIS‑Justiz RS0099112 [T2, T4]; vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0099473).

[10] Der Einwand einer offenbar unzureichenden Begründung der Feststellungen (nominell Z 6, inhaltlich Z 5 vierter Fall) nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der Erwägungen des Schöffengerichts (US 10 ff; vgl aber RIS‑Justiz RS0119370). Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz unter Hinweis auf die widersprüchlichen Angaben des Zeugen Mu* (dazu US 10 f) wird kein Begründungsfehler aufgezeigt, sondern in unzulässiger Weise die dem Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung bekämpft (RIS-Justiz RS0102162 [T3]).

[11] Betreffend die Subsumtionsrüge (Z 10), welche eine rechtliche Unterstellung unter § 91 StGB anstrebt, kann auf die Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H* verwiesen werden.

[12] Die Behauptung, die Tatrichter hätten nicht von einem auf eine schwere Körperverletzung gerichteten Eventualvorsatz des Rechtsmittelwerbers ausgehen dürfen, weil das Opfer zuerst angegriffen habe, orientiert sich nicht an den erstgerichtlichen Feststellungen (US 9 f) und übt bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (vgl § 283 Abs 1 StPO; RIS‑Justiz RS0099810 [T33]).

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

[14] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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